Hitzwelle in der Wüste – Baja California Sur mit dem Fahrrad Teil 1
Land: Mexiko
Von Guerrero Negro bis Santa Rosalía
Draus gelernt: Bei Hitzewellen in der Wüste das Radeln zur Mittagszeit unterlassen
Schönstes kleines Wunder: Die perfekte Oase
Gesichtete Tiere: Geier, Echsen, Möwen
Geradelte Tage: 2,5
Geradelte Kilometer: 223
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 89,2
Insgesamt geradelte Kilometer: 27.000
Baja California Sur mit dem Fahrrad Teil 1
Letzten Blog verpasst? Hier kommt er: Antilopen, Kojoten und Felsmalereien – Baja California mit dem Fahrrad Teil 4
Blog in English: Heat wave in the desert – Baja California Sur by bike part 1
Wir sind nun aus dem Naturschutzgebiet „Valle de los Cirios“ raus und radeln im nächsten Schutzgebiet „El Vizcaíno“. Die Wüste ist eher karg und stellenweise sind die wenigen Pflanzen nur so von Plastiktüten, Flaschen und anderem Müll gepflastert. Scheinbar gab es in der Nähe eine Müllkippe, was für einen so flachen und windigen Ort eine selten dämliche Idee war.
Der Wind schiebt uns gut voran und wir erreichen noch vor Mittags unser Tagesziel. Mit einer Wassermelone setzen wir uns im Städtchen „Vizcaíno“ hin und quatschen mit zwei Obstpflückern. Auf dem Weg sind wir an zahlreichen Obst- und Gemüsefarmen vorbeigekommen. Mitten in der Wüste wird angebaut was das Zeug hält.
Die Arbeiter bekommen dafür 150 Pesos Tagessatz. Das ist fast der doppelte Mindestlohn, reicht aber dennoch nicht für viel. Das nette Paar mit dem wir sprechen, kommt damit zurecht. In ihren Heimatstaaten war es für sie schwierig, Arbeit zu finden. Hier hingegen ging alles ganz schnell.
Es ist immernoch heiß um 15 Uhr, aber wir fahren einfach trotzdem weiter. Die Wüste bleibt karg und die Hitze trifft mich schlimmer als erwartet. Zu unserer Rechten liegt ein riesiges Anwesen voller Pflanzen. Hohe Bäume und Palmen spenden Schatten und hohe Zäune umrunden das Anwesen. Wir erreichen die Einfahrt und Sicherheitsmann Luis erlaubt uns, uns im Schatten vor der Tür auszuruhen, während er jeden LKW und jedes Auto überprüft das hinein oder hinaus fährt.
Der Schatten tut gut und wir haben gerade ein bisschen verschnaufen können, da kommt Luis mit zwei Flaschen Cola daher die so kalt sind, dass sich kleine Eisklumpen geformt haben. Er drückt jedem von uns eine Flasche in die Hand und lässt uns nicht weiterziehen, bis wir unsere Wasserflaschen auch mit Eiswürfeln aufgefüllt haben. Solch eine Gastfreundschaft hätten wir uns nicht träumen lassen. Es dauert keine Viertelstunde und das Wasser in unseren Flaschen ist genauso warm wie zuvor, doch für ein paar kühle Schlucke hat es gereicht.
Nach 123 Kilometern erreichen wir ein kleines einsames Straßenrestaurant und gönnen uns eine Empanada, zwei Burritos und zwei Tamales. Die Besitzerin des Hauses ist die erste, die die dunkle Wolke hinter dem Hügel als Rauch identifiziert. Sie telefoniert mit ihren Töchtern im nächsten Dorf und schwingt sich sogleich ins Auto. In San Ignacio brennt der Palmwald! Don Ángel bleibt und passt aufs Business auf. Da niemand weiß, wie sich die Palmwaldfeuer verhalten, bieten die beiden uns an, unser Zelt hier aufzuschlagen.
Am nächsten Morgen fahren wir mit Sonnenaufgang los und erreichen San Ignacio nach gerade einmal 24 Kilometern morgens um 9. Zeit für eine kurze Frühstückspause? Falsch gedacht. Wir entdecken Wegweiser zur „Casa Ciclysta“ (Haus des Radfahrers) und sind hin und weg.
Dazu kommt der riesige Palmenwald. Gebrannt hat es einige Kilometer entfernt vom Dorf, hier stehen noch alle Palmen und es riecht nicht einmal nach Rauch. Oh wie haben wir uns in der Wüste nach ein bisschen Schatten, einer kühlen Brise und einer kleinen Lagune gesehnt!
Hier in der Oasenstadt haben wir all das und mehr. San Ignacio ist ein Traum von einer Kleinstadt. Die Oase und sein See liegen genau so weit von der Hauptstraße entfernt, dass man gemütlich hin spazieren kann, aber nichts vom Straßenlärm mehr hört. Alles ist völlig naturbelassen, kein künstlicher Sandstrand, keine Sonnenbrillenverkäufer, Bierstände oder Mietliegen.
Am anliegenden Campingplatz kann man für 60 Pesos pro Nase zelten oder für etwas weniger den Anlieger den ganzen Tag nutzen. Wir haben Räder und Zelt bereits bei Othon’s Casa del Ciclysta stehen, also mieten wir ein Kajak für eine Stunde und zahlen einen kleinen Obolus um den Tag auf dem Gelände verbringen zu können. Besitzer Pilarillo gibt uns einen guten Preis.
Wir verbringen einen Tag wie im Paradies, futtern Burritos und Chips, trinken Bier und plantschen in der Lagune. Hier brauchen wir uns weder vor Quallen und Stachelrochen zu fürchten, noch vor Krokodilen und Blutegeln.
Der See ist Heimat für viele kleine Fische die unserer Haut ein nettes Peeling verschaffen. Wir lassen uns im kühlen Wasser treiben, hören den Vögeln, Enten und dem Wind zu und sind wirklich wunschlos glücklich. Am liebsten wollen wir eine ganze Woche bleiben.
2012 haben wir eine Art Oase im Iran entdeckt. Sie stellte sich schlussendlich als Busbahnhof heraus, war aber das Oasenähnlichste, das wir bisher erlebt hatten. Habt ihr euch jemals eine Oase vorgestellt? In meiner Vorstellung gab es dort Dattelpalmen, einen Brunnen und einen See und ganz viel Grün. Nun nimmt man den Brunnen beiseite und ersetzt ihn mit Meeresfrüchten in Tacos, einer historischen Mission und freundlichen Einheimischen und man erhält eine Oase die noch besser ist als in meiner Vorstellung.
Die Altstadt ist 20-Minuten zu Fuß von der Lagune entfernt. Dort steht die bekannte Mission von San Ignacio und drum herum befinden sich einige Läden, Cafés, simple Hotels und Restaurants.
Die Stadt ist so ruhig und gemütlich, ich bin völlig begeistert, dass große Ketten und Touristenfallen ihren Weg hierher nicht gefunden haben. San Ignacio ist ganz klar die „typisch mexikanisch“ste Stadt bisher mit alter Kirche, Plaza Mayor und kleinen Abarrotes (Tante-Emma-Läden) in denen Cowboyhüte verkauft werden.
Wir freunden uns mit Bautisse aus Frankreich an, der bei Pilarillo zeltet und lernen Nano Fong, den Weltrekordhalter fürs nonstop-Einrad-fahren kennen, der in jüngeren Jahren auch als Clown, Fahrradartist und Magier gearbeitet hat. Er macht uns auch direkt einen Fahrradtrick und einige Zaubertricks vor.
Heute Nacht bleibt es richtig heiß. Es ist der dritte Tag einer viertägigen Hitzewelle. Ja, auch in der Wüste gibt es ungewöhnlich hohe Temperaturen. Wir stellen den Wecker auf 5.40 Uhr, eine Stunde vor Sonnenaufgang.
Die ersten 20 Kilometer rasen wir so schnell es geht. Wir müssen so weit wie möglich kommen, solange es noch etwas kühl ist. Im einzigen Dorf füllen wir unsere Wasserflaschen auf und schieben in aller Schnelle ein Blitz-Frühstück rein, dann bloß schnell weiter.
Die Sonne fängt gerade an, so richtig zu knallen, da haben wir nach 40 Kilometern die 500 Höhenmeter erreicht. Nun kann uns die Hitze ja egal sein, denn jetzt geht es 35 Kilometer lang hinunter ans Meer. Denkste. Wie man sich doch irren kann. Zwei kurze aber steile Abfahrten gibt es, die der „Tres Virgenes“ (drei Jungfrauen, benannt nach den drei Bergen und dem Vulkan neben der Abfahrt) und die „Infierno“ (Hölle, vermutlich benannt von der ersten Person, die hier je mit dem Rad hinaufgefahren ist).
Alles dazwischen sind Berge und Anstiege. Mir kommt es vor als wenn wir insgesamt nochmal 500 Höhenmeter erklimmen. Meine Energiereserven habe ich bereits am frühen Vormittag verbraucht, weil ja alle sagten, es ginge ab den drei Jungfrauen „nur noch bergab“. Ich zähle jeden Kilometer und schleppe mich mühevoll voran.
In der Zwischenzeit klettert das Thermometer auf über 40 Grad. Schatten gibt es keinen. Und selbst wenn, bei der Hitze kann man nicht einmal im Schatten wirklich ausruhen. Der Tag scheint sich ewig hinzuziehen.
Gegen 13 Uhr ist es geschafft. Wir erreichen Santa Rosalía, wo Miguel schon auf uns wartet. Miguel ist ein Radler aus Guadalajara, mit dem wir online seit Jahren in Kontakt sind. Er ist Künstler, Poet, Schriftsteller, Herausgeber und vieles mehr und arbeitet sich seinen Weg durchs Land. Hier ein kurzes Portrait (auf Englisch) zu unserem bemerkenswerten Freund: Miguel Asa.

Jesús Bastida, der Kulturbeauftragte, führt uns durch die Stadt und organisiert unsere zweite Präsentation.
In Santa Rosalía soll er mehrere Präsentationen halten und einige Wände bemalen. Dafür bekommt er ein Hotelzimmer mit Klimaanlage und zwei Betten, sowie drei Mahlzeiten am Tag. Das zweite Bett bietet er uns an. Der Gedanke an eine stromverschwendende Klimaanlage hat mir noch nie zuvor so viel Freude bereitet. Wir duschen und fühlen uns gleich etwas besser.
Wir sind alle ganz aufgeregt und Roberto kauft einen Liter Bier, dann noch einen, dann noch einen. Wir quatschen wie die alten Freunde. Bei der vierten Flasche langt es mir. Und nach der Fünften mache ich Feierabend. Einen ausgelaugten und ausgetrockneten Körper mit Bier aufzufüllen ist eine selten dämliche Idee. Um 18 Uhr falle ich ins Bett und bleibe auch gleich da.
Roberto und Miguel wachen leicht verkatert auf. Ein paar Nachbarn haben beschlossen, die Inhalte ihrer Kühlbox mit den Beiden zu teilen, bevor sie den Heimweg antreten. Roberto war um 22 Uhr im Bett und Miguel erst nach Mitternacht.
Ich bin ein paar Tage völlig platt, die Hitze macht mir zu schaffen. Wir arbeiten viel im Hotelzimmer, halten zwei Präsentationen, helfen Miguel bei seinen Wandgemälden und lernen mehr über die alte Minenstadt, die die zweite Stadt im ganzen Land war, in der es Strom gab. Jesús, der Kulturbeauftragte, nimmt uns mit ins Museum und erklärt uns die Geschichte der Stadt.

Überraschung! An unserem letzten Abend in der Stadt kommt die Sängerin Natalia Lafourcade für ein gratis Kurzkonzert vorbei!
Es gibt viel zu entdecken. Mehr dazu in Robertos Portrait zu Santa Rosalía, Mulegé und San Ignacio (auf englisch aber mit vielen Fotos). Zum zweiten Mal sind wir nun am Golf von Kalifornien. Auf dem Weg nach Süden warten viele Strände und eine einzigartige Naturlandschaft auf uns. Dazu mehr im nächsten Blog: Die Strand- und Oasenroute – Baja California Sur mit dem Fahrrad Teil 2
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