Land: Indonesien
Von Batam nach Katia Maju Ponga Muan
Draus gelernt: Auch bei 30°C ist es eine gute Idee Winterkleidung im Handgepäck zu haben
Drüber gelacht: Kleinen Kindern die Nase gegen das Fenster zu drücken
Schönstes kleines Wunder: Ein paar Worte Indonesisch zu sprechen
Gegessen: Nasi Goreng bis zum abwinken
Größte Herausforderung: Nicht in Panik auszubrechen wenn ein Skorpion 3 Meter auf den Boden fällt.
Geradelte Tage: 2
Geradelte Kilometer: 43,93
Insgesamt bis Katia Maju Ponga Muan geradelte Kilometer: 13936,54
Reisetage von Bremen bis Katia Maju Ponga Muan: 799
Dezember 2013: Mit dem Fahrrad durch Sumatra.
Die Visatage sind gezählt, wir können nicht ewig in Batam bleiben. Wir wollen nach Sumatra. Doch wohin genau? Mit dem Rad über den Äquator, das wäre es doch. Ich recherchiere mich durch jede Menge Internetseiten auf Indonesisch und fange an, mich für Kuala Tungkal zu interessieren.
Die kleine Stadt liegt am Fluss Sungai Pangabuan im Bundesstaat Jambi. Mehrere kleine Nebenstraßen führen von dort aus hinauf in den Norden.
Lang ist die Strecke nach Dumai nicht, doch wir haben Lust, einfach mal gemütlich zu fahren, ganz ohne Zeitdruck. Wir wollen halten, wann es uns passt, vielleicht einen Schlenker durch einen Nationalpark machen, angeln lernen und das Radeln genießen.
Um 9.00 geht die Fähre, Jack begleitet uns auf dem Mofa zum Hafen. Es gießt wie aus Eimern und wir sind klitschnass nach den 15 Kilometern in den Westen der Insel.
Die Fähre kommt pünktlich. In so ziemlich jedem Reisebericht habe ich gelesen, dass eine Fährfahrt ein großes Abenteuer bedeutet.
Sitze gibt es wenige, die meisten Menschen auf der völlig überfüllten Fähre müssen sich samt Gepäck auf dem Deck einen kleinen Platz suchen. Ich denke an die Zugfahrt von Peking nach Kunming zurück. Über 36 Stunden lang verbrachten wir im völlig überfüllten Gang mit Stehtickets. Das will ich vermeiden.
In der Fähre bin ich überrascht. Nicht einmal die Hälfte der Sitzplätze füllt sich. Unsere Räder werden behutsam aufs Deck gehoben und wir können uns ausbreiten. Als die Tür zu geht, sinkt die Temperatur in der Fähre auf etwa -2°C.
Ich versuche dem direkten Wind der Klimaanlage auszuweichen und scheitere kläglich. Meine Zähne hören erst auf, zu klappern, als ich aus den nassen Klamotten raus und in alle trockene Klamotten rein bin.
Dazu das Schlafsackinlett als Decke, allerlei Tücher als Schals um den Kopf und Nacken, mein Thermoshirt und das einzige Paar Socken.
Eigentlich wollten wir die Äquatorüberfart groß feiern, doch die Crew überquert den Äquator jeden Tag und ohne GPS wissen wir nicht, wann es wirklich so weit ist. Dann warten wir eben auf die nächste Äquatorüberquerung in ein paar Tagen.
Nach 8 Stunden erreichen wir Kuala Tungkal. Der kleine Hafen ist voll. Eine überraschend große Zahl an Angry Birds Matratzen wird an Land gehievt, danach jede Menge großer Säcke und am Ende unsere Räder. Ich schwitze mich in meinen vielen Schichten Kleidung halb tot. Wir radeln zum Hotel City fernab des Stadtzentrums. Irgendwo im Südwesten soll es liegen.
Wir fahren im wilden Zickzack durch die Stadt und stehen irgendwann völlig unerwartet davor. Unterwegs begegnen wir so vielen Radlern wie schon lange nicht mehr, auch Fahrradtaxis, dazu einigen Mofafahrern und wenigen Autos.
Am nächsten Tag erkunden wir das Zentrum. Kuala Tungkal ist eine recht kleine Stadt. Gratis Wlan gibt es nirgendwo, die Suche nach einer Straßenkarte gebe ich schnell auf. Dafür kostet eine Portion gebratener Reis umgerechnet gerade einmal 0,50 €. Die Gegend um den Hafen ist die mit dem meisten Leben.
Männer ziehen Holzkarren zum Hafen und füllen sie himmelhoch mit allerlei Dingen, die die Fähre mitgebracht hat. Sie ziehen die Karren von Hand quer durch die Stadt. Der Verkehr ist wild, doch da die Straßen in einem recht schlechten Zustand sind, fährt immerhin keiner wirklich schnell.
Viele Kinder stehen schüchtern um uns herum und rennen kichernd weg wenn wir sie ansprechen. Als ich meine Kamera raushole sind sie plötzlich alle wieder da und wollen fotografiert werden. Die wenigsten Frauen tragen ein Kopftuch, manche sogar Shorts. Doch auf dem Mofa mummeln sich alle ein wie im tiefsten Winter. Ziegen und Hühner laufen frei durch die Straßen und gehupt wird nonstop.
Nach einer zweiten Nacht im „Ekonomi“-Zimmer (knapp 5 € für ein Zimmer mit Ventilator und Bad am Ende des Flurs) machen wir uns auf den Weg. Unseren Schlafrhythmus haben wir in Batam komplett zerstört und erst mittags um 13 Uhr wachen wir auf. Um 14.30 sind wir startklar.
Die große Hauptstraße führt in den Süden nach Jambi, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Doch wir wollen in den Norden. Zunächst folgen wir der Straße, denn es ist die Einzige, die aus der Stadt herausführt.
Dann erreichen wir eine Kreuzung. Geradeaus nach Jambi, rechts wo anders hin. Wir wollen nicht nach Jambi, also müssten wir rechts abbiegen nehme ich an. Gerade noch rechtzeitig bevor ein schlimmes Gewitter auf uns herunterprasselt halten wir in einem Straßenrestaurant. Wir essen und ich frage nach dem Weg.
Englisch spricht niemand. Zum Glück habe ich ein wenig Malaysisch gelernt. Malaysisch ist dem Indonesischen sehr ähnlich und ich kann mich sehr begrenzt begrenzt unterhalten.
„Dies Straße nach Pulau Kijang?“ (deute auf die kleine Straße)
„Fähre.“ (deutet in die Richtung aus der wir kommen)
„Es gibt Straße?“
„Ja, es gibt. Weg klein.“ (deutet in die Richtung der Abzweigung).
„Es gibt nicht Problem. Besitzen Fahrrad.“
Klasse, genau das habe ich gesucht, eine kleine gemütliche Straße fernab der wilden Überholer. Wir wollen das ländliche Sumatra kennen lernen.
Als der Regen etwas sanfter fällt, radeln wir weiter. Der Weg führt durch Kokosplantagen, Palmölfelder, über jede Menge kleiner Kanäle und vorbei an Holzhäusern auf Stelzen mit Wellblech- oder Palmblattdach.
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang fragt Roberto nach einer Möglichkeit zum Übernachten.
Ein netter Mann begleitet uns zum Haus von Sulbakti und Muinah. Die beiden sind – wenn ich es richtig verstanden habe – die Dorfvorsteher und laden uns ein, die Nacht bei ihnen zu verbringen.
Sulbaktis Freund übersetzt eine knappe halbe Stunde lang, dann geht er nach Hause. Wir sind auf uns gestellt. Muinah bringt uns Zucker mit einem Schluck Tee und setzt sich dann zu ihrer Tochter Atika, um ihr bei den Hausaufgaben zu helfen. Die Indonesier lieben extrem gesüßte Heißgetränke. Ich auch. Ich krame mein Notizbuch, den Kauderwelsch Sprachführer und das Ohne-Wörterbuch heraus. Jetzt wird Indonesisch gesprochen. Man versteht sich irgendwie.
Wir quatschen eine Weile, bis Atika plötzlich kreischend aufspringt. Ein großer schwarzer Skorpion ist durch die Bretter im Dach auf den Fußboden direkt vor ihre Nase gefallen und rennt nun verwirrt durchs Wohnzimmer. Während Roberto und ich versuchen, unsere Panik zu vertuschen, um uns vor den anderen nicht lächerlich zu machen, schnappt sich Sulbakti einen Schuh und macht kurzen Prozess mit dem Eindringling.
Bevor wir schlafen, gönnen wir uns eine Dusche. Geduscht wird hier auf einer kleinen Holzterrasse hinter dem Haus. Dort stehen Bottiche voller Wasser in denen eine Schöpfkelle schwimmt. Einen Sichtschutz gibt es nicht und um nicht die Blicke aller Nachbarn auf mich zu ziehen, dusche ich kurzerhand im Handtuch. Mit der Zeit habe ich ein System entwickelt, um den Körper sauber und das Handtuch einigermaßen trocken zu bekommen.
Muinah zeigt uns das freie Zimmer das wir belegen dürfen und ich lasse mich müde auf die als Bett verkleidete Holzkiste fallen. Es rumpelt durchs ganze Haus. Nur die Katzen, die sich zwischen den Laken eingerollt haben, schlafen friedlich weiter.
Um Mitternacht sind wir beide hellwach. Was ist nur mit unserem Schlafrhythmus los? Erst um 5 Uhr morgens schlafen wir wieder ein. Eine Stunde später sind alle im Haus wach.
Ich stehe ebenfalls auf, trinke eine Tasse Zucker mit Kaffee und mache mich fertig. Als ich das Wohnzimmer wieder betrete, hat sich eine beachtlich große Gruppe an Freunden, Nachbarn und Bekannten angesammelt. „Familie“, erklärt Sulbakti. In Indonesien gehört jeder Nachbar symbolisch zur Familie.
Die Erwachsenen setzen sich zu uns, während die Kinder draußen bleiben und sich die Nasen an der spiegelnden Fensterscheibe plattdrücken. Zwei kleine Jungen erschrecken fürchterlich als ich von Innen das gleich mache. Ausländer verirren sich wohl nicht so oft in diese Gegend.
Um 8 Uhr machen wir uns auf den Weg. Sulbakti warnt uns vor der Straße. „Es kann ganz schön holprig werden, besonders jetzt nach dem Regen!“. „Ach“, winke ich ab, „wir haben doch Fahrräder. Das wird schon.“
Ich habe keine Ahnung, wie sehr ich diesen Spruch noch bereuen würde.
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