Sumatra per Rad Teil 5: Zwischen Hupen und Hügeln

Beautiful Melaka is a tourist magnet. We loved it.

Melakka, der Touristenmagnet. Wir fanden es dort großartig. 

Land: Indonesien und Malaysia

Von Pemantangreba nach Bangi

Draus gelernt: Alle Ausländer heißen „Mister“

Drüber gelacht: Power-walking zum Pizza Hut. Wir hätten locker einen LKW überholen können.

Schönstes kleines Wunder: Weltkulturerbe Melaka und ein einsamer Strand

Gegessen: Reis und Pizza

Größte Herausforderung: Verkehr und Hügel

Geradelte Tage: 7

Geradelte Kilometer: 310,85

Insgesamt bis Bangi geradelte Kilometer: 14411,69

Reisetage von Bremen bis Bangi: 817

April 2014: Mit dem Fahrrad durch Sumatra.

Von der Hauptstraße haben wir uns irgendwie mehr versprochen. Nicht dass wir gerne wieder zurück in den Regenwald wollten, aber irgendwie dachten wir, von nun an wäre alles einfacher.

Roberto has a nap on a ceiling

Wir könnten wirklich eine Pause gebrauchen.

Stattdessen kommen wir vom Regen in die Traufe. Der Verkehr nimmt schlagartig zu und die Straße wird extrem hügelig. Weit geht es nie hinauf, dafür aber steil. Wir quälen uns ein paar Minuten lang mit 4 km/h den Berg hinauf, um dann in Windeseile von kleinsten in den größten Gang zu schalten und mit über 50 km/h in weniger als einer Minute wieder herunterzubrettern. Das Spiel wiederholt sich pausenlos. Ich bin nach wenigen Kilometern fix und fertig. Dazu kommt der Verkehr. Platz für uns gibt es nicht. Die LKWs fahren bergauf recht langsam und werden ohne Rücksicht auf Verluste überholt. Gegenverkehr? Egal. Dann wird eben etwas lauter und länger gehupt.

Traffic in Pekanbaru, Riau, Sumatra, Indonesia

Straßenverkehr in Pekanbaru

Bergab hingegen bremsen die LKWs gar nicht. Dann sind sie diejenigen die Überholen. Immer wieder müssen wir uns ins mit einem herzhaften Sprung ins rettende Gestrüpp retten. Ich verkrampfe bei jedem Huper und fürchte permanent um unsere Sicherheit. Entspannen kann ich mich erst abends wenn wir im Bett liegen.

Traffic in Pekanbaru, Riau, Sumatra, Indonesia

Sogar in der Hauptstadt der Provinz gibt es Matschstraßen. Aber hier ist wenigstens etwas Asphalt unter Matsch und Wasser.

Gehupt wird generell aus fünf Gründen:

  1. Man überholt und will dass alle anderen Platz machen.
  2. Man will überholen aber kann den Gegenverkehr nicht sehen und meldet mit der Hupe das baldige Überholkommando an.
  3. Man überholt nicht, aber ein anderer Depp rast auf der eigenen Spur auf einen zu, während er überholt (vgl. Grund Nummer 1).
  4. Man entdeckt Radler und muss sie mit der lautesten und längsten Version der Hupe grüßen.
  5. Es läuft ein nettes Lied (auf voller Lautstärke) im Cockpit und man hat das Gefühl, man müsse im Rhythmus mithupen.

So geht das drei Tage lang. Wir müssen viele Pausen machen. Meine Laune ist permanent mies und ich fühle mich nicht besonders sozial, also verkriechen wir uns in die hintesten Ecken der kleinsten Straßenstände und Restaurants.

Traffic in Pekanbaru, Riau, Sumatra, Indonesia

Und nun stelle man sich mal zwei LKW-ähnliche Fahrräder inmitten des Getummels vor.

Trotzdem sind wir bei jeder Pause von Leuten umringt, die Fotos mit uns machen wollen während wir essen. Ich kann es gut verstehen, die Leute sind neugierig und aufgeschlossen. Immer wieder werden wir gerufen: „Hello Mister! Mister! Miiister!!!“ Ob damit nur Roberto oder wir beiden gemeint sind, weiß ich nicht. Aber wir antworten einfach das Gleiche. Den Äquator hätte ich glatt übersehen. Er war einer der Hauptgründe für diese Routenwahl. Ich war viel zu beschäftigt mit dem Verkehr. Zum Glück entdeckt Roberto das Monument am Straßenrand. Wir sind zurück auf der Nordhalbkugel!

Equator in Sumatra

Endlich am Äquator!

Ab und zu rennen uns ein paar Hunde hinterher. In über zwei Jahren hatten wir nicht eine einzige gefährliche Begegnung mit Hunden. Viele haben uns verfolgt, noch mehr haben uns angebellt, aber gebissen oder geschnappt hat nicht einer. Dabei haben wir weder Pfefferspray dabei, noch einen Hundeschlagstock. Stattdessen versuchen wir, die Hunde zu verstehen. Sie lieben es zu jagen, doch die wenigsten jagen, um zu überleben. Dazu liegt genug herum. Die meisten wühlen nach Resten. Dennoch jagen sie. Wenn wir keine Lust mehr haben, gejagt zu werden, radeln wir einfach langsamer. Dann vergeht nämlich auch den Hunden die Lust, zu jagen.

Annika and Roberto at the equator in Sumatra

Stolz wie Oskar. 

Wenn auch das nicht hilft, dann bleiben wir ganz stehen. Nur in Bewegung sind wir für die Hunde interessant. Wenn wir da stehen wie die Steine verlieren sie schnell das Interesse. Wenn gar nichts hilft, Bücken wir uns. Viele der besonders penetranten Hunde verbinden sich-bücken mit Steine-aufheben und Steine-werfen und geben ihre Attacke auf. Manche Radler schwören auf Blickkontakt, andere sagen den sollte man unbedingt vermeiden. Einige sagen man soll zurückbellen, wild herumfuchteln oder still stehen bleiben. Wir halten einfach an. Damit hat sich die Sache erledigt.

Map of Riau Province, Sumatra, Indonesia

In Pekanbaru hängt eine Landkarte an der Wand eines Hotels. Wir finden endlich heraus, was für eine unsinnig dämliche Route wir geradelt sind. Warm werden diese Landkarten nirgendwo verkauft? Sie hätten uns viele Umwege erspart, doch im Nachhinein sind wir froh, diese Umwege in Kauf genommen zu haben. 

In Pekanbaru, der Hauptstadt des Bundesstaats Riau, finden wir ein nagelneues Budgethotel. Alle Zimmer kosten das gleiche (Eröffnungsangebot), sie sind blitzeblank und sogar mit einer Dusche ausgestattet. Es gibt heißes Wasser, einen Fernseher, eine Klimaanlage, Frühstück, WLan und keine 10 Minuten Fußweg entfernt ragt ein großes Einkaufszentrum in den Himmel. Komplettes Kontrastprogramm. Das ganze kostet gut 10 €. Wir duschen und stürmen zum Pizza Hut, wo wir alles in uns hineinstopfen was in unsere Bäuche passt. Wir bleiben vier Nächte lang in Pekanbaru.

Piiiiizzaaaaaaa!!

Piiiiizzaaaaaaa!!

Keine 190 Kilometer trennen uns mehr von Dumai, aber ich sehe nicht ein, warum wir dieses Paradies gegen die Verkehrshölle eintauschen sollten. Die Straßen sind wirklich gefährlich. Wir hatten bisher Glück dass ich aus Reflex den Lenker nach links an den Straßenrand ziehe wenn ich erschrecke und nicht nach rechts in die Fahrspur, denn die Leute rasen in einem Affenzahn haarscharf an uns vorbei. Und ich kann wirklich keine Hügel mehr sehen.

Die Entscheidung fällt uns leicht. Wir könnten radeln. Aber wir wollen wirklich nicht. Also machen wir uns auf den Weg zum Busbahnhof.

Indonesian repellent

Wenn die Insekten wirklich die Weltherrschaft an sich reißen, sind wir gewappnet. Mückencreme ist spottbillig und hoch effektiv in Sumatra. 

Unterwegs finden wir einen Minibus mit Platz für uns und unsere Räder. “Es geht bald los”, heißt es, als wir als erste Passagiere unsere Sachen einräumen. Dass “bald” ein extrem relatives Wort ist, haben wir gelernt, als wir in Kirgisistan auf die Abfahrt des Busses gewartet haben. Zu unserer großen Erleichterung sind unsere Räder das einzige Gepäck was auf dem Dach befestigt wird. Sie überleben die Fahrt unbeschadet. Wir auch, denn unser Fahrer hat die seltene Angewohnheit, den Gegenverkehr zu überprüfen bevor er überholt. Überraschenderweise zahlen wir das Gleiche wie die anderen Mitfahrer auch. Kein Touristenaufpreis.

Wir haben zwei kaputte Reifen am Minibus (eine komplett aufgerissene Felge und ein platter Reifen), die Mitfahrer rauchen ununterbrochen und für die knapp 190 Kilometer brauchen wir über sechs Stunden. Doch das ist immernoch flotter und sicherer, als die Strecke selbst zu radeln.

Hotel Bathroom in Sumatra, Indonesia

In Dumai gönnen wir uns ein Luxuszimmer mit unserem eigenen Bad. 

Wir finden ein billiges Hotel in Dumai in dem ich anscheinend die einzige Kundin bin, die kein Geld mit der Übernachtung verdient. Egal, dann schlafen wir eben auf unserem Schlafsackinlett. Zum Zudecken ist es ohnehin zu heiß.

Am nächsten morgen regnet es. Uns doch egal. Wir radeln schnurstracks zum Hafen. Unser Indonesienvisum hat noch einen Tag übrig und wir wollen keine Risiken eingehen

Back in Malaysia

Zurück in Malaysia

Die Überfahrt ist gemütlich und bei weitem nicht so eisig wie die Hinfahrt. Im malaysischen Melakka angekommen sucht Roberto als erstes das öffentliche Klo am außerordentlich schicken Grenzgebäude auf und kommt strahlend heraus. „Du glaubst gar nicht wie sauber das da drin ist!“ unsere Maßstäbe sind wohl etwas gefallen.

Hot Pot at the Night Market in Jonker Street

Hot Pot auf dem Nachtmarkt in der Jonker Street

Wir bleiben drei Nächte lang in Melakka und genießen einfach alles. In Sumatra sind wir nicht einem einzigen anderen Ausländer begegnet, nun treten sich die Touristen in der Jonker Street die Füße wund. Wir finden es großartig.

Plenty of flowers by the river in Melakka

Blumen wachsen überall in der Stadt

Viele Touristen und Reisende versuchen, große Bögen um touristische Orte zu machen. Wir nicht. Nach einer Weile abseits der Touristenpfade freuen wir uns ganz besonders über andere Reisende.

Christmas Feeling inside the malls.

Weihnachtsgefühle im Einkaufszentrum

Wenn sie uns von ihren Erlebnissen erzählen ist es, als wären wir selbst da gewesen. Bei den Einheimischen besteht oft eine zu große Sprachbarriere um sich intensiv austauschen zu können.  Als Radler erlebt man viel Kultur, doch man sieht tendenziell weniger Orte als die Rucksackreisenden. Das gilt zumindest für uns.

Wir genießen Melakka in vollen Zügen.

Roberto aims for the perfect picture

Roberto auf der Suche nach dem perfekten Foto

Als wir uns auf den Weg machen, regnet es. Und es hört nicht auf. Uns macht das nichts aus, ich fröstle schon fast ein bisschen bei locker 23°C und fahre dementsprechend flott. Durch leichte Hügel geht es an der Küste entlang bis hin zu einer Halbinsel, auf der ein Erholungsgebiet namens Tanjung Tian liegt.

Trishaw driver Melakka

Die Trischa-Fahrer radeln den ganzen Tag ihre Passagiere durch die Stadt. Als gleichgesinnte Radler finden wir schnell Freunde. 

Wir wollen rein und zelten, doch der Pförtner hat bereits Feierabend als wir ankommen. So stellen wir das Zelt 500 Meter weiter hinten an einen Strand, an dem schon zwei andere Zelte dem Wind trotzen.

Erst morgens um 4 hört der Regen auf. Um 5 reißt uns ein gewaltiger Knall aus dem Schlaf. Wir überlegen lange, was das gewesen sein kann und beschließen dann, nachzusehen. Erst als ich die Tür öffnen will, fällt es uns wie Schuppen von den Augen: unser Gestänge ist gebrochen. Wir reparieren es an Ort und Stelle.

The neighbors were surprised to see us outside in the middle of the night.

Es gibt bessere Gründe um nachs aus dem Zelt zu kriechen. 

Der Park ist ruhig. Wir laufen hinauf zum Leuchtturm, beobachten schwarze Affen mit weißen Ringen um die Augen und finden einen Pfad hinunter zu einem bildschönen Strand.

Beach in Tanjung Tian, Malaysia

Unser kleines Paradies im Tanjung Tian

Nicht einen menschlichen Fußabdruck finden wir. Idylle pur. Am Nachmittag fahren wir weiter und nach knapp 10 Kilometern hat Robertos Hinterrad einen Platten.

A bit of jungle in theTanjung Tian Recreational Area

Ein bisschen Dschungel

Wir flicken, durchsuchen den Mantel und ziehen das Ganze wieder auf, nur um knapp 200 Meter später wieder ohne Luft dazustehen. Ein paar Mal wiederholt sich die Prozedur. Alle Löcher kommen von der Felgenseite her. Wir sind verwirrt. Dort scheint alles glatt und sauber.

A bee on a flower

Flora und Fauna

Erst jetzt sehen wir, dass sich außen an der Felge um die Speichenlöcher herum jede Menge kleine Risse gebildet haben. Wie kann das denn passieren? Wir drücken die Speichen zusammen. Ein bisschen enger als sonst sitzen sie schon seit den ölliebenden Mechanikern in Rengat. Aber darf von sowas schon die Felge kaputt gehen?

Beach in Tanjung Tian, Melakka, Malaysia

Strand in Tanjung Tian

Wir trauen der Felge nicht mehr über den Weg. Wer weiß, wie lange die Risse da schon sind. Ob die beim nächsten Schlagloch weiter reißen und dann mitten auf der Straße die ganze Felge auseinanderfällt?

Wir fahren hoch angespannt und im Schneckentempo bis Port Dickson. Dort suchen wir uns einen Bus der uns nach Seremban fährt und steigen da in die S-Bahn nach Bangi, wo Mirjam sich schon auf uns freut.

Heading towards Port Dickson!

Ab nach Port Dickson

Wir halten eine zweite Präsentation am GMI, diesmal mit dem Hintergrund „Selbst lernen“, „Eigeninitiative“ und „Offen sein für Neues“ am Beispiel vom Radreisen. Das wird den Schülern helfen, wenn sie sich in einem Jahr im deutschen Bürokratiedschungel wiederfinden.

Außerdem helfen wir Apit bei einer Modenschau, die er in Kuala Lumpur für eine Tourismus- und Fotografiemesse organisiert.

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