Ab nach Mexiko: Mit dem Rad durch Kalifornien Teil 3
Land: USA und Mexiko
Von Avila Beach bis Tijuana
Draus gelernt: Die Welt ist wirklich klein
Drüber gelacht: Ein Tag im Partybus
Schönstes kleines Wunder: Unser Empfang in Tijuana
Größte Herausforderung: Stadtverkehr
Geradelte Tage: 7
Geradelte Kilometer: 575
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 82,14
Insgesamt bis Tijuana geradelte Kilometer: 25.890
Letzten Blog verpasst? Hier kommt er: Mit dem Fahrrad durch Kalifornien Teil 2
Blog in English: Cycling Southern California
Unsere Muskeln sind noch ganz verkatert von der Wanderung als wir uns am folgenden Morgen von unserer großartigen Gastgeberin Susan verabschieden und auf die Räder schwingen.
Heute entfernen wir uns etwas vom Meer, wir radeln durch ausgetrocknete Felder und Weiden, durch kleine Dörfer, über Hügel und unter der heißen Sonne bis Lompoc. Man sieht deutlich welche Folgen die Dürre für Kalifornien hat.
Man sieht deutlich welche Folgen die Dürre für Kalifornien hat. In manchen Restaurants ist man sogar auf Pappteller und Plastikbecher umgestiegen, um sich das Wasser für den Abwasch zu sparen.
Viele Campingplätze haben Duschen und Klos geschlossen und Dixi-Klos aufgestellt, grünes Gras gibt es nur auf Golfplätzen (scheinbar eine Priorität) und Autos darf man laut Gesetz nicht mehr oder nur an bestimmten Wochentagen per Hand waschen. Man wartet darauf, dass das Wetterphänomen El Niño den versprochenen Regen bringt.
Von Lompoc geht es weiter in Richtung Santa Barbara. Wir haben tüchtig Rückenwind und genießen die tolle Aussicht aufs Meer. Die Sonne geht mittlerweile so früh unter, dass wir im Santa Barbara Stadtverkehr nur noch Gas geben.
Schnell raus aus der Stadt, zum nächsten Campingplatz, bevor es ganz dunkel ist. Als wir gerade durch die schöne Strandpromenade sausen, ohne auch nur einen Blick für den Sonnenuntergang zu haben, hält uns ein Mann an. Doug heißt er und will uns einladen, bei ihm zu übernachten.
Keine 15 Minute später sitzen wir in seiner Küche. „Macht es euch gemütlich, hüpft in den Whirlpool, wie ihr mögt, meine Frau ist in 10 Minuten zu Hause und ich gehe nur schnell etwas einkaufen.“ Und so schnell finden wir uns allein im Haus eines Fremden wieder.
Es ist schon beeindruckend, wie uns das immer mal wieder passiert. Menschen, die uns keine fünf Minuten kennen, laden uns in ihre privaten Häuser ein und vertrauen uns unbekannten Ausländern all ihr Hab und Gut an.
Kurz darauf sitzen wir mit Doug, seiner Frau Marian und Mitbewohnerin Cat im Wohnzimmer. Die drei haben uns leckere Burger vorbereitet und wir stoßen mit mexikanischem und deutschem Bier an.
Noch am selben Abend bieten die drei uns an, noch eine weitere Nacht bei ihnen zu verbringen, und den Tag mit Doug und Cat auf einer Weinprobentour zu verbringen. Ihre Freunde Darin und Sierra feiern ihr vierjähriges Firmen- und Hochzeitsjubiläum. Sie sind im Partybus-Business und laden uns alle auf eine Partybus-Wein-und-Bar-Tour ein.
Wir haben einen Heidenspaß. Es gibt Rock Klassiker und ein paar Bierchen im Bus, dann dauert es nicht lange und die erste Mitfahrerin entdeckt die Tanzstange. Am späten Nachmittag sind wir leicht angetüdelt und todmüde. Wir sind nicht so gut in Trinkform.
Am nächsten Tag geht es durch eine gute Mischung aus Stadtverkehr und tollen Radwegen direkt am Meer. Die meiste Zeit schiebt der Wind uns voran.
Wir übernachten im Sycamore Campingplatz (hier in Südkalifornien kosten die Hiker Biker Plätze nun $10 statt $5) und haben endlich die Zeit, einen tollen Sonnenuntergang am leeren Strand zu erleben.
Hier futtern wir auch endlich das MRE, das Feuerwehrmann Murdock uns mitgegeben hat.
Weiter geht es entlang schicker Strandvillen in Malibu, dann erreichen wir die Riesenstadt Los Angeles. Knapp vier Millionen Menschen leben in der Stadt, aber in der erweiterten Metropolregion tummeln sich ganze 17.8 Millionen Menschen.
Am gelben Sandstrand von Santa Monica und Venice Beach radeln wir auf klasse asphaltierten Radwegen mitten durch den Sandstrand. Diese Stadt ist nicht nur riesig sondern auch verrückt und voller kreativer Köpfe.
Hier treffen wir William, der im vorigen Jahr durch Mexiko geradelt ist, und nun im Lastenfahrrad Touristen den Strand entlang radelt. Ihm macht die Arbeit Spaß, aber ich bin sicher, dass er sich wieder aufs Reiserad schwingt, sobald er genug Geld zusammengespart hat.
Keine halbe Stunde später ruft jemand „Roberto!“ Wir drehen uns um und treffen auf einen Bekannten aus Christchurch, Neuseeland, der nun zurück nach LA gezogen ist. Einfach so irgendwo in den Straßen der Metropole.
In Los Angeles bleiben wir ein paar Tage bei Mark, der uns auch direkt mit Weißwurst, süßem Senf und polnischem und deutschem Bier willkommen heißt. Mark haben wir auf dem kanadischen Icefields Parkway kennen gelernt. Wir freuen uns als wären wir alle jahrelange Freunde.
Wir verbringen die Tage mit Bier, Fußball und Strandbars. Auf Sightseeing haben wir beide keine Lust. Wir waren beide schonmal hier und haben keine Lust durch den Stadtverkehr zu radeln.
Nur ein mal fahren wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Fox Studios, um Robertos Freund Carlos zu besuchen, der dort arbeitet. Wir sind stundenlang unterwegs, zahlen eine Stange Geld für ein Tagesticket das allerdings nur in einigen Buslinien gültig ist, und haben am Ende nicht einmal ein Viertel der Stadt durchkämmt.
Die letzte Nacht in LA verbringen wir weiter südlich bei Ken und Kenny. Ken und seine Freundin Leanna arbeiten bei warmshowers und wir erfahren viele interessante hinter-den-Kulissen Information.
Die beiden wollen zunächst alles über unser Treffen mit der großen Warmshowers Legende Akbar wissen, der uns 2012 im Iran eingesammelt hat, bevor er überhaupt ein Warmshowers Mitglied war. Mittlerweile hat er über 700 Radler aus aller Welt eingesammelt!
Zeitgleich übernachten auch Til und Jan aus Deutschland bei Ken und keine halbe Stunde später trudelt ganz überraschend für uns auch Josh ein.
Mark, der aktiver Couchsurfer ist, bleibt auch zum Abendessen und ist so inspiriert, dass er mittlerweile bestimmt sein eigenes Profil geschrieben hat. Nur als kleine Anekdote: am nächsten Tag trifft er in der Stadt zufällig wieder auf Jan und Til und lädt die beiden spontan für ein paar Tage ein. Die Welt ist wirklich klein.
Wir starten die Weiterreise mit Josh. Roberto ist in seinem Leben bestimmt hundert Mal von Tijuana nach Los Angeles und zurück gefahren. Aber für ihn ist dennoch alles neu.
Was er kennt, ist der Freeway, die Ausfahrten, den Weg nach Disneyland, zu den Verwandten und zum Flughafen. Doch die Städte und Orte an der Küste, der Radweg der am Strand entlang führt, die Surfspots, Brauereien, Cafés, die Kunst, Aussichtspunkte und Strandpromenaden, die sind ihm alle neu. Mit dem Rad erlebt man eben alles nochmal ganz anders.
In San Clemente wollen wir heute Feierabend machen, da sprechen uns zwei Frauen an. Sie fragen wo wir herkommen, wo wir hinfahren, wo wir heute übernachten und wie es uns gefällt. Und dann lädt eine der beiden uns ganz spontan zu sich nach Hause ein.
Lisa und ihr Mann Neal leben in einem schönen Haus in einer sehr freundschaftlichen Nachbarschaft. Nachbarn und Freunde kommen zum Abendessen vorbei, es wird chinesisches Essen bestellt und wir quatschen, zeigen Fotos, quatschen mehr und schlafen wir die Könige im gemütlichen Gästezimmer.
Ich muss ganz ehrlich sagen, bevor wir in die „Lower 48“ USA eingereist sind, hatte ich befürchtet, auf relativ viele waffenbegeisterte Menschen mit Angst vor dem Unbekannten zu treffen. Das war mein Vorurteil.
Und dank so großartigen Menschen wie Lisa, Neal, Ken, Mark, Marian, Doug, Jeff, Jesse, Murdock, Amy, Steve, Susan, Wendy, Michael, Stuart, Sue, Ben, Tara, Eda und vielen, vielen mehr, hat sich das komplett gewandelt. Wir wurden aufgenommen wie neue Freunde, man kümmerte sich rührend um uns und wir haben die Leute in diesem Land sehr ins Herz geschlossen.
Wir radeln weiter und haben zwei Möglichkeiten: auf dem vollen Freeway zu radeln oder mitten durchs Army Camp Pendleton zu fahren. Für zweiteres muss man sich allerdings ausweisen können und einen Helm tragen. Haben wir beides. (Edit: Ich habe gehört dass man sich mittlerweile im Vorraus anmelden muss, vielleicht ist es für die von euch, die selbst hier radeln wollen, eine gute Idee, das vor der Fahrt nochmal zu recherchieren)
Josh macht jede Menge Selfies, wir trauen uns nicht so recht. Ich weiß nicht ob das eine gute Idee für zwei Ausländer ist, doch andererseits steht nirgendwo dass man nicht fotografieren dürfte.
Ab Oceanside fahren wir dann von einer Stadt in die nächste. Der Verkehr ist dicht und wir treten ordentlich in die Pedale. Wir schlängeln uns so zwischen geparkten und fahrenden Autos durch und sind heilfroh als wir irgendwann endlich San Diego erreichen.
Ein mal biegen wir falsch ab und landen in La Jolla. Google Maps schickt uns durch die verwirrendsten Straßen, doch schlussendlich erreichen wir einen Radweg. Die Sonne geht gerade unter als wir die Strandpromenade erreichen. Es ist ein schöner Weg und da es bald ohnehin dunkel ist, lassen wir die Hetzte sein und genießen lieber die Fahrt.
Wir übernachten bei Robertos Onkel Sergio und seiner Frau Narze und zum Abendessen kommen auch Robertos Eltern und Schwester vorbei.
Für den letzten Radeltag haben wir Unterstützung. Robertos Vater begleitet uns von Anfang an, dazu kommen viele aktive Radler aus Tijuana.
Einige radeln ab der Altstadt von San Diego mit uns, andere kommen später dazu und wieder andere holen uns auf der mexikanischen Seite der Grenze ab. Wir freuen uns total über diese grandiose Unterstützung.
Von der Grenze bis zum Endpunkt sind es keine zwei Kilometer. Und dort erwarten uns Freunde, Familie, Fans und Bekannte in Tasting Travels Shirts. Wir verbringen bestimmt zwanzig Minuten mit Umarmungen, Küsschen und Lachen, bevor wir uns bei allen bedanken können, die uns so toll willkommen hießen.
Tijuana wird für die Winterpause unser zu Hause. Hier werden wir viele Präsentationen an Unis, Schule, in Cafés und kulturellen Zentren halten, wir werden uns auf die Sponsorensuche machen, Robertos ebook veröffentlichen, Weihnachten und Neujahr mit der Familie verbringen. Und dann gibt es noch eine weitere spannende Neuigkeit, von der erzähle ich dann beim nächsten Mal.
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