Oregon Küste per Fahrrad: Von Walen, Wind und Dünen
Land: USA (Oregon und Kalifornien)
Von Portland bis Crescent City
Draus gelernt: 50 Meilen Gegenwind sind eine super Ausrede zum faul sein
Drüber gelacht: Obstbuffet an der kalifornischen Grenze
Schönstes kleines Wunder: Wale und Dünen
Größte Herausforderung: Ein hartnäckiger Platter
Geradelte Tage: 8
Geradelte Kilometer: 607
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 75.88
Insgesamt bis Crescent City geradelte Kilometer: 24.165
Oregon Küste per Fahrrad. Letzten Eintrag verpasst? Hier kommt er: Im Radwegdschungel: Von Vancouver durch Washington nach Portland
Blog in English: Cycling the Oregon Coast
Portland hält uns fast eine Woche lang fest. Es gibt so viel zu tun und zu sehen und Carolyn kocht so viel und so lecker. Als wir endlich startklar sind erwartet uns der erste Regentag nach über einer Woche voll Sonnenschein.
Aus der langen Fahrt im Stadtverkehr aus Seattle haben wir gelernt. Wir nehmen die Straßenbahn bis zur letzten Haltestelle und radeln erst ab dort. Der Verkehr ist mäßig und der Seitenstreifen meist breit.
In McMinnes halten wir bei der Touristeninfo, wo sich die beiden Angestellten über uns Radler freuen. Wir dürfen Klo und Wlan nutzen und bekommen jede Menge Karten und Tipps mit auf den Weg. Nun heißt es ordentlich strampeln, denn der einzige Zeltplatz vor der Küste ist noch weit und die Sonne geht mit jedem Tag etwas früher unter.
Wir hetzen gerade die Straße entlang, da hält Stuart sein Auto an. „Habt ihr schon einen Ort zum Zelten?“ brüllt er von der anderen Straßenseite aus durch den Verkehr. Dann sprintet er rüber.
„Meine Frau und ich sammeln immer gern Radler ein, genau genommen haben wir sogar einen kleinen Wettbewerb, wer mehr Reiseradler heim bringt.
Ich fahre jetzt zum Yoga, ich zeichne euch mal eine Karte, die Tür ist offen, ihr könnt im Yoga-Raum schlafen, Dusche ist direkt daneben, Küche am anderen Ende des Flurs. Wir sind in etwa zwei Stunden wieder da, fühlt euch ganz wie zu Hause!“
Wir sind völlig baff. Das kam wirklich unerwartet. Unterwegs halten wir bei einem Farmverkauf und kaufen uns allen jede Menge Walnüsse aus der Region (die Bäume haben wir den ganzen Tag gesehen) und zwei Maiskolben zum Abendessen. Stuart und Sue leben in einem wunderschönen großen Haus auf dem Land, gute 3 Kilometer vom Highway entfernt. Wir fühlen uns pudelwohl.
Am nächsten Morgen muss Stuart früher als erwartet auf die Arbeit und uns erwartet Kaffee, ein Filter und ein Zettelchen. „Es war toll euch kennen zu lernen. Wenn ihr knapp bei Kasse seid, nehmt das mit. Ansonsten lasst es einfach da.“
Und ein weiteres Zettelchen, auf dem steht, dass die beiden unsere Einladung nach Tijuana annehmen wollen! Es sieht wohl aus, als war das nicht das Letzte was wir von Sue und Stuart gesehen haben.
Wir lassen den viel zu großen Schein liegen. Bis Tijuana kommen wir noch mit dem was wir haben hin, dann machen wir uns wieder ans Geld verdienen. .
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg. Wie schon am Vortag sehen wir jede Menge plattgefahrene Wildtiere. Dachse, Waschbären, Rehe, Hirsche und Kojoten sind ganz vorn mit dabei. Der Highway führt uns durch einen Wald voller bemooster Bäume, es sieht ganz mystisch aus, als die Sonne plötzlich ihren Weg durch die Wolken und Baumkronen findet.
Nach einem Hügel erreichen wir in Lincoln City die Küste und folgen nun dem Highway 101. Völlig unerwartet brüllt uns eine Frau aus dem vorbeifahrenden Auto an. „….. nebeneinander …..“ ist alles was wir hören. Irgendwie ist es schon witzig, dass viele Fahrer nicht zu verstehen scheinen dass wir immer nur den Moment verstehen, in dem sie direkt neben uns sind. Und noch witziger, dass wir gar nicht nebeneinander fahren, sondern brav hintereinander.
Ich weiß nicht was es mit diesem Land auf sich hat. 100 nette Menschen trifft man und alle sind zuvorkommend, hilfsbereit und freundlich und dann kommt durchschnittlich ein Mal am Tag eine wildfremde Frau und brüllt einen an. .
Gestern war es eine Dame in der Straßenbahn, die ich sehr höflich fragte, ob ich (samt Rad) mal durch darf, damit sich die Leute hinter mir hinsetzen können. Ich fange an zu glauben, dass ich so höflich gefragt habe, dass sie es als Sarkasmus aufgefasst hat.
Am Tag davor war es die Frau auf der Post, die allerdings nicht nur uns, sondern sämtliche Kunden zur Sau machte und am Tag davor brüllte eine Jugendliche aus dem Autofenster und filmte unsere Reaktion mit dem Handy. Ich nehme an, sie sammelt Videos von lustig vor Schreck umfallenden Radlern.
Alle anderen Leute sind wieder weltklasse. Roberto beschreibt es sehr passend: es fühlt sich ein bisschen an als wenn man den ganzen Tag gestreichelt und umarmt wird, dann plötzlich geohrfeigt und dann wieder umarmt. Die ganz große Mehrheit der Leute sind wirklich sehr nett.
Eine Dame dreht sogar extra um als sie uns mit dem ganzen Gepäck sieht, um uns vor einem Hügel zu warnen, auf dem es keinen Seitenstreifen gibt. Sie erklärt uns genau welchen Weg wir stattdessen nehmen können. Während wir da so stehen und quatschen, kommen ein paar Wale in die Bucht und wir sehen die Fontänen und die Rücken!
Der kleine Umweg ist wirklich schön und wir treffen auf zwei andere Radler. Gleich nach Sonnenuntergang erreichen wir den Zeltplatz. In Oregon gibt es viele Staatscampingplätze in denen Radler und Wanderer für $ 5-6 pro Nacht und Nase zelten können, selbst wenn die normalen Zeltplätze alle ausgebucht sind.
Und hier warten die beiden anderen plus weitere vier Radler schon auf uns. Alle sind auf dem Weg nach Süden.
Wir quatschen und sitzen am Lagerfeuer und genießen den milden Abend. Jeff und Jesse, zwei Tättowierer aus San Francisco haben Holz gekauft und alle setzen sich dazu. Als Australier Josh (der aus der Nähe von Orbost kommt, wo wir geradelt sind) eine Käsereibe rausholt und sich auf dem Trangia ein fünf Sterne Mahl bereitet, staunen wir alle nicht schlecht. Und bis heute kenne ich niemanden, der auf dem kleinen Kocher bessere Leckerbissen zubereitet als Josh mit seinem Kochutensil.
Am Lagerfeuer erzählt uns ein sehr abenteuerlicher tschechischer Radler von seinen Abenteuern in Alaska. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Original Bus vom Buch und Film „Into the Wild“ zu besuchen. Und ist beim Überqueren des Flusses (samt Fahrrad und Taschen) um ein Haar weggespült worden.
Also zurück ans Ufer und abgewartet. Als nach einer Woche das Wasser noch immer nicht niedriger stand, beschloss er, es trotzdem nocheinmal zu versuchen. Diesmal glückte die Überquerung. Auf die Frage, warum er denn nicht einfach das Fahrrad hat stehen lassen, meinte er nur „Na dann hätte ich ja zu Fuß bis zum Bus gehen müssen!“
Am nächsten Morgen ist es trocken und wir packen schnell das Zelt ein. Es dauert nicht lange und der Regen setzt ein. Und kurz darauf sind wir klitschnass. Der Wind weht von vorn und auf einer Brücke müssen wir schieben, weil wir sonst weggeweht würden.
Wir kämpfen uns durch bis nach Yachats, dort buchen wir uns zwei Nächte in ein günstiges Motel. Der Gegenwind soll am nächsten Tag noch viel schlimmer werden (bis zu 50 Meilen pro Stunde) und auch der Regen soll noch eine Weile bestehen bleiben.
Als wir am nächsten Tag in einer Regenpause durchs Dorf spazieren um die Monsterwellen zu betrachten, kann ich mich manchmal fast in den Wind hineinlegen. Da wäre das Radeln wirklich kein Spaß gewesen.
Am Abreisetag erwartet uns blauer Himmel und leichter Rückenwind. Der Weg ist wunderschön, ein Aussichtspunkt reiht sich an den anderen. Hier hätten wir bei Regen, Sturm und schlechter Laune wirklich was verpasst. Wir rollen durch Florence und ab dort erwarten uns die Dünen.
Wir rollen durch Florence und ab dort erwarten uns die Dünen. Oregon steckt wirklich voller Überraschungen. Fast jeden Tag erleben wir eine neue Landschaft. Hier und da werden Quads und Boards vermietet, mit denen die Touristen die Dünen rauf- und runter sausen.
Ein paar Mal parken wir die Räder und wandern die Dünen hinauf. Die Aussicht ist es absolut wert. Wir zelten in einem kleinen Fischerdorf und machen uns am nächsten Tag auf nach Coos Bay, wo wir uns eine Westküstenspezialität gönnen: Clam Chowder (sämige Muschelsuppe) im ausgehölten Sauerteigbrot.
So kann man die Schüssel quasi mitessen. Auf der Seven Devils Road, einer Straße mit acht statt sieben fiesen steilen Hügeln, treffen wir auf die 18-jährige Willow aus Toronto, die auf ihrer ersten Radtour ist.
. Sie sitzt über beide Ohren grinsend neben ihrem Fahrrad am Straßenrand, die Hände und Beine schwarz vom Schmierfett. Wir helfen ihr, einen Reifen zu flicken und radeln zusammen bis kurz vor Bandon. Willow könnte locker doppelt so schnell radeln wie wir, aber ich glaube sie mag uns, denn sie hält alle paar Kilometer an und wartet auf uns.
In Bandon macht sie es sich auf dem Campingplatz bequem und wir ziehen weiter zu Amy und Steve von Warmshowers. Die beiden leben auf dem Land gute 3 Kilometer vom Highway entfernt und haben gerade das Abendbrot fertig als wir eintrudeln.
Seit sie sich bei warmshowers angemeldet haben, hatten sie über 60 Gäste im Haus und zu machen Jahreszeiten bekommen sie tägliche Anfragen. An ihrer Radler-Wand sehe ich auch ein Foto von Claudia und Peter (mit denen wir in Kanada geradelt sind).
Wir verstehen uns blendend mit den beiden und am Ende glaube ich dass wir Steve überzeugt haben, seine erste Fahrradtour durch Deutschland zu planen.
In Bandon treffen wir wieder auf Willow, sowie auf ein weiteres kanadisches Paar. Wir verbringen den halben Tag damit, ein kleines Hochzeitsgeschenk zu verschicken, da mir die Postleitzahl fehlt und wir die halbe Stadt nach Wlan durchkämmen um sie online zu suchen.
Um 14 Uhr starten wir. Die Fahrt nach Port Orford ist nicht sehr spektakulär, doch danach radeln wir wieder direkt neben der Küste. Die stürmische See und der lange Strand voller Dünengras erinnert mich sofort an Spiekeroog. Außer dass es hier Wellen gibt und dass das Meer nicht erst nach Kilometern Knietiefe erreicht.
Am Zeltplatz treffen wir nicht nur auf Willow, sondern auch auf Jeff und Jesse, die beiden Tättowierer aus San Francisco, die wir an unserem ersten Hiker Biker Campingplatz kennen gelernt haben. Wir hatten schon befürchtet, nach der Sturmpause allen Anschluss verpasst zu haben.
Außerdem verbringt hier Zach die Nacht, der mit dem Skateboard und einem riesigen Rucksack von San Diego nach Seattle fährt. Wir befördern Zach zum Helden des Tages und teilen unser Abendbrot mit Willow und ihm, die beide weder Campingkocher noch Essen (außer etwas Brot und Erdnussbutter) dabei haben.
Willow bereitet aus ihren Cliff Müsliriegeln, der Erdnussbutter und Marmelade einen kreativen Nachtisch. Am nächsten Morgen beschließen wir, abends wieder zusammen zu zelten. Nach einem steilen Hügel hat Roberto einen langen Riss im Schlauch.
So große Flicken haben wir nicht, also muss der Ersatzschlauch her. Nach wenigen Metern ist dieser auch platt. Riss diesmal etwas kürzer. Geflickt, gepumpt, gleich wieder platt.
Der Flicken war nicht groß genug. Weitere Ersatzschläuche haben wir nicht. Also den größten aller Flicken drauf. Diesmal hälts. Ich muss zugeben, unsere Flickkünste sind nicht die weltbesten, auch nach so vielen platten Reifen nicht. Doch wir haben es diesmal geschafft zu dritt dreimal hintereinander den gleichen Reifen zu flicken, ohne auch nur ein Mal „Siehste, hab ich doch gleich gesagt dass das so nicht geht“ oder „Sieh mal was du angerichtet hast“ oder gar „Das ist doch ganz falsch, lass mich das mal machen“ zu hören. Und am Ende ist niemand eingeschnappt und der Reifen voll.
Leider hat die ganze Prozedur so lange gedauert, dass wir nun nonstop bis zum Treffpunkt durchradeln müssen. Zu unserer Rechten färbt sich der Himmel rosa und die Aussichtspunkte liegen weniger als einen Kilometer voneinander entfernt. Vermutlich einer schöner als der andere. Doch zum Halten reicht die Zeit nicht, denn nach Sonnenuntergang wird es hier wirklich sehr schnell dunkel.
Ziemlich platt erreichen wir keine zehn Minuten nach Sonnenuntergang den Hiker Biker Platz. Jeff und Jesse warten schon auf uns. Wir kochen und quatschen und wie immer haben die beiden Feuerholz aufgetrieben, sodass wir noch am Feuer sitzen können wenn es schon kalt wird.
Der nächste Morgen startet kalt und neblig. Ich brauch ewig um aufzutauen und stopfe nach dem Superkarkt allerlei Kalorien in mich hinein. Schnell haben wir die kalifornische Staatsgrenze überquert.
Und natürlich vorher noch alle Äpfel, Trauben und Bananen gefuttert die wir dabei hatten. An der Staatengrenze gibt es nämlich eine Inspektion und frisches Obst und Gemüse darf nicht eingeführt werden. Wir werden durchgewunken. Vermutlich haben die Officer unseren Obstschmaus ein paar Meter weiter nördlich genau gesehen.
Über ruhige Landstraßen geht es durch Wiesen, Weiden und an Bauernhöfen vorbei. Die Leute sind nett und viele grüßen zurück. In Crescent City halten wir und Roberto schlägt einen super Deal für uns fünf in einem Motel heraus. Nun sind wir gespannt, wie Kalofornien uns gefallen wird.
Wundervolle Bilder, traumhafte Strände und ein Tool geschriebener Blog…Ich bekomme Fernweh!!! Sollte ich mal nach Oregon kommen – der Weg ist gebucht!
Gute Reise euch beiden – Grüße aus Bayern/Deutschland
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Hallo Michael,
danke für die lieben Worte! Uns hat es in Oregon wirklich super gefallen und wir hoffe, dass das nicht unser letzter Besuch dort war! Durchs wunderscgöne Bayern sind wir übrigens auch geradelt und eines Tages hoffen wir, den ganzen Mainradweg zu radeln. Viele Grüße aus Tijuana,
Annika
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