Kurztrip nach Peking
Kunming gefällt uns gut, die kleine Stadt hat kaum 5 Millionen Einwohner und ist doch Hauptstadt der Provinz Yunnan. Dennoch – die Zeit drängt, wir müssen nach Peking kommen, um Robertos neuen Reisepass zu beantragen. Sein Alter ist weniger als 6 Monate lang gültig und damit ist es ihm nicht möglich in andere Länder einzureisen. Doch wir haben Pech. Mal wieder sind alle Zugtickets ausgebucht. Immerhin: eine Woche später ergattern wir die letzten beiden Tickets, ein Luxusbett und ein normales Bett im langsamen Zug.
Die zwangsweise in Kunming ausgesessene Zeit verbringen wir mit neuen Freunden. Aude und ihr Freund Levi aus Ungarn nehmen uns mit in den Zoo, den Park der Uni und zum See. Wir essen Straßennudeln mit Michael, der Roberto auch einlädt, um 4 Uhr morgens die Playoffs zu sehen, denn beide sind große Fans des American Footballs.
Wir kochen Pfannkuchen für Karina, Peter und Ruslam, den dritten Bewohner des „freien Hauses“, ersetzen Robertos zum zweiten Mal gebrochenen Gepäckträger und im großen Supermarkt erfüllt sich für mich ein großer Traum: in der Abteilung „importierte Lebensmittel“ finde ich eine Tüte Lakritz. Nach langer Abstinenz genieße ich jeden Happen.
Ende Januar steigen wir in den Zug der für 49 Stunden unser zu Hause sein würde. Wir genießen unsere weichen Betten, denn uns graut es schon vor der Rückfahrt, die komplett ausgebucht war. Nur Stehtickets konnten wir noch kriegen.
In Peking weht uns ein eisiger Wind entgegen. Gut dass wir all unsere dicken Klamotten eingepackt haben. Mit der U-Bahn fahren wir zu Sarah aus Deutschland. Bei Couchsurfing haben wir uns kennen gelernt. Seit 2 Monaten schreiben wir uns bereits Mails und obwohl wir uns noch nie getroffen haben, fühlt es sich an, als würden wir eine alte Bekannte besuchen fahren.
Mit ihrem Mann Flo lebt sie in einer schicken Wohnung ganz in der Nähe der Botschaften. Wir haben nur vier Tage in Peking Zeit, denn der Weg nach Laos ist weit und die dritte und letztmögliche Visaverlängerung neigt sich dem Ende. Peking ist der kulinarische Höhepunkt unserer Reise durch China.
Mit Chris aus Seattle, den ich aus Bremen kenne und mit dem wir schon in Mexiko eine Hochzeit gefeiert haben, geht es zum Pekingente essen.
In Peking wird die Ente in dünnen Streifen serviert, dazu gibt es braune Soße, Gemüse und Tortillas, in denen alles eingewickelt wird. Sarah führt uns zu „Schwein mit Fischgeschmack“ und anderen chinesischen Gerichten aus und teilt ihren Lakritz- und Plätzchenvorrat mit uns, Dr. Boeckle der Leiter der Kulturabteilung der deutschen Botschaft lädt uns zu allerlei chinesischen Köstlichkeiten ein, Chris zeigt uns eine Cocktailbar und eine typisch mexikanische Tacobar und Roberto kocht Enchiladas mit echten mexikanischen Maistortillas, die Pablo Pasaperas, ein mexikanischer Auswanderer, dort vertreibt. Sogar Frühlingsrollen entdecken wir an einem Straßenstand. Was auch immer wir in die Hände bekommen schmeckt vorzüglich und wir futtern bis wir fast platzen.
Jeden Tag wird es grauer, nasser und kälter. Ein Besuch bei der großen Mauer und dem Sommerpalast lohnt daher nicht. Wir besuchen aber den Himmelstempel, einen taoistischen Tempel, den Lamatempel, den Seidenmarkt, die Verbotene Stadt (aber nur von außen, denn Montagnachmittags ist seit Neustem geschlossen), den Kohlehügel dahinter und den Tianmen Platz. Peking hat einfach alles, von Vollkornbrot über Puschelschuhe mit 15 Zentimetern Absatz bis zu 28 Zoll Fahrradreifen. Das „Würzburger Hofbräu“ liegt gleich um die Ecke und die Menschen sind sehr hilfsbereit. Die Smogwerte sind zwar hoch, aber verglichen mit Kashgar, wo die Luft gelb war, nichts Besonderes.
Am dritten Tag und nach vielen Telefonaten und Behördengängen hat Roberto endlich seinen lange ersehnten Pass, den Hauptgrund für unseren Abstecher in die Hauptstadt, in der Hand.
Am Abreisetag begleiten wir Sarah zu ihrer Arbeit in den deutschen Kindergarten, wo wir den Kleinen vom Weltradeln erzählen. Wir wären so gerne noch eine Woche länger geblieben.
Die Zugfahrt ist hart. Alle Sitze sind besetzt, pro Passagier kommen gefühlte 40 Kilo Gepäck, die die engen Gänge verstopfen und irgendwo dazwischen wir beiden, ausgestattet mit Isomatten aber ohne Platz um sie auszubreiten. Die ersten paar Stunden verbringen wir auf den eingerollten Isomatten, dann leiht uns ein netter Mitfahrer seinen Hocker. Vorbeilaufende Passagiere schleifen ihre Taschen an unseren Köpfen vorbei und jedes Mal wenn der Essenswagen durchkommt müssen alle aufstehen und den Gang räumen. Ein Baby schläft oben in der Gepäckablage, ein Mann blockiert das Klo, in dem er sich ausbreitet, eine junge Frau legt rollt sich im Waschbecken zusammen und ein Mann steckt seinen Kopf unter ein paar Sitze, den Bauch in den Gang und die Beine unter die Sitze auf der anderen Seite.
Als es nach Mitternacht etwas leerer wird und der Essenswagen seine Runden beendet, entdecke ich einen freien Sitz und belagere ihn sogleich, während Roberto seine Isomatte im leer gewordenen Gang ausbreitet. Den Tag über unterhalten wir uns mit unseren Sitznachbarn, sechs chinesischen Soldaten die fürs Frühlingsfest nach Hause zu ihren Familien fahren. Wir essen Vollkornbrot mit gekochtem Ei und Paprika, die letzten Lakritzen und getrocknete Fleischstreifen und versuchen vergeblich, tagsüber zu schlafen, denn immer mal wieder werden ein bis zwei Sitze frei. In der zweiten Nacht haben wir mehr Glück: von Anfang an sind zwei Sitze frei, später vier und 1 ½ Stunden vor Ankunft ergattern wir sogar je eine Dreiersitzreihe.
Todmüde erreichen wir am frühen Morgen Kunming, wo unser Soldatenfreund Leslie uns hilft, den Südbusbahnhof zu finden. Wir kaufen sogleich Tickets für uns und die Räder in die Nähe der laotischen Grenze, fahren zu Karina, Peter, Ruslam und unseren Rädern, frühstücken ausgiebig, packen unsere Taschen und machen uns auf den Weg zum Busbahnhof, wo um 19.30 der Schlafbus abfährt. Tickets zu bekommen war gar kein Problem. 12 Stunden dauert die Fahrt und ich schlafe fast komplett durch. In Mengla angekommen überrascht uns das Wetter.
Die Jacken hatten wir bereits in Kunming auf dem Rad ausgezogen, aber im Schatten wieder angezogen. Hier ist es noch viel feuchter. Um uns herum liegen neblige Regenwälder und als sich gegen Mittag die Wolken verziehen wird es richtig warm. Wir treffen uns mit Miss Tao, der Schwester von einem Freund von Leslie, die sich selbst als unsere Fremdenführerin ernennt, uns herumführt, zum Frühstück und Mittagessen einlädt und uns sogar das Hotel bezahlen will. Wir protestieren lautstark aber vergeblich.
Nun fehlen nur noch die letzten 50-60 Kilometer bis zur laotischen Grenze, denn unsere Visa geben uns nur noch zwei Tage Zeit in China. Wir fahren mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn China hat uns unglaublich gut gefallen und wir hätten viel mehr radeln wollen, aber Laos reizt mit seinen Tempeln, den warmen Temperaturen und völlig neuen Erlebnissen.
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