Radreisebericht: Ab nach China

Zur Abwechslung mieten wir uns ein Tandem um Xi'an zu erkunden

Zur Abwechslung mieten wir uns ein Tandem um Xi’an zu erkunden

Tasting Travels Radreisebericht: Mit dem Rad nach China

Wir bleiben einen ganzen Monat in Bischkek, da wir von einem Unglück nach dem anderen gepackt werden. Schlussendlich schaffen wir es gerade noch rechtzeitig aufzubrechen, bevor Robertos chinesisches Visum abläuft. Ans Radeln ist nicht zu denken, denn der Weg ist lang und die Zeit kurz.

Unser Fahrer Marat lädt vorsichtig unsere Räder auf seinen Van. Zwölf Stunden sind wir unterwegs und am Ende haben weder Räder noch Autodach einen Kratzer.

Unser Fahrer Marat lädt vorsichtig unsere Räder auf seinen Van. Zwölf Stunden sind wir unterwegs und am Ende haben weder Räder noch Autodach einen Kratzer.

Mit einem Kleinbus machen wir uns auf den langen Weg nach Osch, wo wir eine Nacht verbringen und am nächsten Tag gemeinsam mit Chrissie und Mark, einem australischen Paar, in Richtung Irkeschtam Pass aufbrechen.

Fotopause auf dem Weg. Neugierige Kinder zeigen uns ihre Radfahrkünste.

Fotopause auf dem Weg. Neugierige Kinder zeigen uns ihre Radfahrkünste.

Wir übernachten auf 3170 Metern im Bergdorf Sary Tash, in dem sich drei Hauptstraßen treffen. Nach Tadschikistan sind es 45 Kilometer, nach China 85 und über Osch nach Usbekistan etwa 180. Wir verbringen eine Nacht in einer privaten Pension bevor es am nächsten Morgen weiter in Richtung China geht.

Mit unserer Mitfahrerin Chrissie und dem Besitzer der Pension in Sary Tash

Mit unserer Mitfahrerin Chrissie und dem Besitzer der Pension in Sary Tash

Bis auf ein paar chinesische Laster gehört die Straße ganz uns. Der Blick auf das Pamir Gebirge ist atemberaubend. Doch vom warmen Autositz aus kann ich ihn nicht wirklich genießen.

Das Pamir Gebirge

Das Pamir Gebirge

Ich habe die Aussicht nicht mit Schweiß und Muskelkater bezahlt und sie mir so nicht wirklich verdient. Was hätte ich dafür gegeben, diese wunderschöne Strecke mit ihren Pässen auf bis zu 3615 Metern radeln zu können!

Kurz vor der kirgisisch-chinesischen Grenze

Kurz vor der kirgisisch-chinesischen Grenze

Wir erreichen die Grenze in der Mittagspause und stehen uns eineinhalb Stunden lang im scharfen Wind die Beine in den Bauch, bevor die Grenzer uns hereinlassen. Unser Fahrer verabschiedet uns – wir sind endlich frei. Nach fünf Kilometern ist der Radelspaß auch schon wieder vorbei.

Kurzer Radelspaß zwischen zwei Grenzposten. Wir laufen mit unseren Freunden Mark und Chrissie

Kurzer Radelspaß zwischen zwei Grenzposten. Wir laufen mit unseren Freunden Mark und Chrissie

Der zweite chinesische Grenzposten ist erreicht und wir werden gezwungen, samt Rädern in einen LKW einzusteigen. Doch heute geht das nicht mehr, wir müssen vor Ort übernachten und am folgenden Morgen eine Mitfahrgelegenheit suchen.

Wir schlafen zwischen zwei Ländern und zwischen zwei Stempeln hinter einem Vorhang

Wir schlafen zwischen zwei Ländern und zwischen zwei Stempeln hinter einem Vorhang

Mitten im Niemandsland beziehen wir ein Zimmer mit zwölf Betten und einem Kohleofen. Klasse, unser erster Tag in China und wir haben noch nicht einmal einen Einreisestempel im Pass. Es ist bitterkalt und wir rücken immer näher zum Kohleofen. Noch vergöttern wir den heißen Kohleofen, denn wir atmen den Qualm nicht jeden Tag ein. Das wird sich allerdings bald ändern.

Am nächsten Morgen ist es dann soweit. Ich beziehe einen leeren LKW, Roberto kommt kurz darauf in einem Beladenen nach. Ein paar Stunden lang werden wir beide ordentlich durchgeschüttelt.

Auf dem Weg zur letzten Passkontrolle entdecken wir wilde Kamele. So gehört sich das doch auf der Seidenstraße!

Auf dem Weg zur letzten Passkontrolle entdecken wir wilde Kamele. So gehört sich das doch auf der Seidenstraße!

Die Straße wird renoviert und wir fahren auf Sand, Geröll und aufgeplatztem Asphalt. In Wuqia dürfen wir endlich aussteigen und unsere Pässe stempeln lassen. Ein paar Polizisten sind neugierig, testen unsere Räder und nötigen uns, in ein Hotelzimmer zu ziehen. Ein Polizist fährt mein Rad, ein anderer lädt unser Gepäck in das Polizeiauto, Roberto steigt auf sein Rad, ich ins Auto und schon haben wir ein warmes Plätzchen für die Nacht gefunden.

Gut dass die Räder ordentlich festgezurrt sind. Chrissie und Mark fahren nur einen LKW hinter mir

Gut dass die Räder ordentlich festgezurrt sind. Chrissie und Mark fahren nur einen LKW hinter mir

Am nächsten Morgen steigen wir endlich wieder auf die Räder. Ab nach Kashgar! Zwei kopierte Landkarten habe ich, beide sind schlichtweg falsch.

Ab nach Kashgar!

Ab nach Kashgar!

Der Weg ist anfangs etwas hügelig, aber der Wind bläst uns den Berg herauf. Die Gerüchte über den Westwind ab der Grenze stimmen also! Kaum sind wir oben dreht der Wind allerdings und bläst uns mit voller Kraft entgegen. Dennoch kommen wir gut voran.

Endlich in China!

Endlich in China!

Ich fühle mich wie in einem weiteren zentralasiatischen Land nur mit den Unterschieden, dass die Auswahl an Obst und Gemüse viel größer ist (in Sary Tash gab es nur Kartoffeln oder gelbe Rüben) und dass die Straßenschilder auf Chinesisch und Arabisch geschrieben sind.

Die Mehrzahl der Einwohner der westlichsten und größten Provinz Xinjiang sind Uighuren. Sie sprechen eine Turksprache, beten zu Allah, essen viel Hammelfleisch und tragen kirgisische Fellhüte, kuschlige russische Mützen oder usbekische bunte Kappen mit goldenen Stickereien. China hatte ich mir anders vorgestellt.

Russische, usbekische und kirgisische Kopfbedeckungen auf dem Tiermarkt in Kashgar

Russische, usbekische und kirgisische Kopfbedeckungen auf dem Tiermarkt in Kashgar

Als wir uns Kashgar nähren wird der Verkehr dichter. Wir überholen unzählige Elektroroller, einzelne Eselskarren, einige Fahrräder und viele Elektrorikschas. Überall um uns herum hupt es. Die Chinesen nutzen ihre Hupe um anzuzeigen, dass sie sich gerne schneller fortbewegen möchten, dass sie sich irgendwo hindurch quetschen werden, dass sie sich auf dem Fußweg befinden und gerne zwischen den Fußgängern hindurch fahren würden, dass sie auf der falschen Straßenseite fahren und nicht übersehen werden möchten oder dass sie jemanden grüßen oder ihren Ärger über jemanden herauslassen wollen. Unsere Fahrradklingeln gehen unter. In einer Traube von 25 aneinander gequetschten Rollerfahrern und ein paar Radlern folgen wir dem Stadtbus in der Fahrradspur und finden so schlussendlich ein Hostel.

Die Stadt ist klein aber schön. Da es so kalt ist, brennen überall rund um die Uhr die Kohleöfen. Die Luft ist daher gelb bis braun und Roberto bekommt einen Hustenanfall nach dem Anderen.

Auf dem sonntäglichen Tiermarkt - auch Lebendwarenmarkt genannt

Auf dem sonntäglichen Tiermarkt – auch Lebendwarenmarkt genannt

Nach Osten radeln können wir nicht, denn unsere Visa gelten nur für 30 Tage und können nicht überall verlängert werden. Außerdem liegen locker eineinhalb bis zwei Monate Wüste vor uns. Alle Züge sind lange ausgebucht, Flüge sind teuer und nach langer Recherchezeit ergattern wir zwei Bustickets nach Xian im Zentrum des Landes. Die Räder können wir nicht mit in den Bus nehmen. Wir schicken sie schweren Herzens mit dem Zug vor.

Mit unseren Freunden CJ aus den USA und Astrid aus Österreich im Zentrum Kashgars

Mit unseren Freunden CJ aus den USA und Astrid aus Österreich im Zentrum Kashgars

Die Wartezeit bis zum Abfahrtstag verbringen wir mit neuen und alten Radler- und Nichtradlerfreunden, besuchen den Tierbazaar, kuscheln mit Kamelen und Yaks und probieren die uighurische Küche durch.

Astrid und ich bekommen spontan eine VIP Tour durch die Stallungen neben dem Tierbazaar. Der Besitzer liebt es mit seinen Kamelen zu kuscheln.

Astrid und ich bekommen spontan eine VIP Tour durch die Stallungen neben dem Tierbazaar. Der Besitzer liebt es mit seinen Kamelen zu kuscheln.

Mir graut es vor der Busfahrt, zweieinhalb Tage soll sie dauern. Einer der drei Fahrer brüllt alle Fahrgäste zusammen, sich in einer geordneten Schlange einzureihen und schon steigen wir ein. Die Prozedur zieht sich hin, denn jeder muss am Eingang des Busses die Schuhe ausziehen und anschließend zu seinem auserwählten Bett eilen, bevor jemand anderes es besetzt. Es wird gedrängelt und geschubst und ich bekomme so manchen Ellenbogen in die Rippen gestoßen.

Drei Busfahrer wechseln sich über 55 Stunden ab. Dieser hier hat das lauteste Organ und brüllt uns um die unmöglichsten Uhrzeiten aus dem Bett.

Drei Busfahrer wechseln sich über 55 Stunden ab. Dieser hier hat das lauteste Organ und brüllt uns um die unmöglichsten Uhrzeiten aus dem Bett.

Wir ergattern ein enges 1,75 Meter langes Bett am Fenster mit einem Pfosten am Rand und eines im Gang mit relativ gutem Blick auf den Fernseher und schon geht die Fahrt los. Morgens um 2 halten wir zum Abendessen in einer kleinen privaten Küche auf dem Weg, kurz vor Sonnenaufgang für den Toilettengang in der Wüste und noch ein paar Mal tagsüber zum Tanken und Austreten.

Gemütlich sieht anders aus. Der lustige Schreihals und ein paar chinesische Filme vertreiben uns die Zeit.

Gemütlich sieht anders aus. Der lustige Schreihals und ein paar chinesische Filme vertreiben uns die Zeit.

Niemand darf im Bus verbleiben, alle müssen raus. Zwischendurch werden chinesische und wenige Englische Filme gezeigt. Ich sehe die meiste Zeit aus dem Fenster. 40 Stunden lang kann ich nichts als Wüste ausmachen, dann ist es so weit: die ersten Bäume! Wir haben es geschafft! Nach 55 langen Stunden erreichen wir Xian, laut verschiedener Reiseführer und der Touristeninformation die „chinesischste Stadt Chinas“.

Radeln mal anders. Wir brauchen eine geschlagene halbe Stunde bis wir den Dreh raushaben und problemlos anfahren können

Radeln mal anders. Wir brauchen eine geschlagene halbe Stunde bis wir den Dreh raushaben und problemlos anfahren können

Einige Tage verbringen wir dort, mieten uns ein Tandem und besichtigen einen buddhistischen und einen taoistischen Tempel, eine chinesische Moschee, die Terrakotta Armee und die größte Pagode. Endlich gibt es auch das chinesische Essen, auf das ich mich seit Kashgar gefreut habe! Wir genießen eine knappe Woche des Touristenlebens, bevor wir in den Zug nach Chengdu steigen. Dort müssten unsere Räder am Bahnhof bereits auf uns warten. Von Chengdu aus werden wir endlich radeln können, ich bin sehr gespannt!

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