English Version here: Cycling the Icefields Parkway
Icefields Parkway per Fahrrad: Wintereinbruch im August
Land: Kanada
Von Jasper bis Lake Louise
Draus gelernt: 64 km/h machen Spaß!
Drüber gelacht: Zoo mal anders herum: Menschen im Zaun, Bären außen.
Schönstes kleines Wunder: Der Schnee-Bär im August
Größte Herausforderung: Gab es eigentlich gar keine
Geradelte Tage: 4
Geradelte Kilometer: 251
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 62,75
Insgesamt bis Lake Louise geradelte Kilometer: 22.247
Icefields Parkway per Fahrrad. Vorheriger Blog: Roadtrip durch den Yukon und Yellowhead Highway per Fahrrad
Es ist fast 14 Uhr als wir Jasper endlich verlassen und auf den Icefields Parkway rollen. Das Wetter ist bombastisch. Sonne und kaum Wind. Wir halten an jeder Brücke, jedem Aussichtspunkt und jedem Parkplatz. Es ist einfach großartig. Der Verkehr ist nicht zu stark und der Seitenstreifen breit und gut asphaltiert.
Am frühen Abend erreichen wir den Honeymoon Lake Campingplatz. Hier gibt es einen See, der so spiegelglatt ist, dass die Berge sich komplett darin spiegeln.
Leider sind alle Stellplätze belegt. Während wir also da stehen und überlegen, unser Zelt einfach irgendwo an den See zu stellen, kommt eine nette Frau aus ihrem Wohnwagen und bietet uns an, ihren Stellplatz zu teilen.
Wir freuen uns sehr, denn obwohl es bis zum Jonas Creek Camping nur 27 Kilometer sind, haben wir nicht wirklich Lust, nach Feierabend nochmal auf die Räder zu steigen.
Am nächsten morgen sind wir wieder spät dran. Carolina, die eine geführte Fahrradtour mit dem Bus begleitet, bereitet gerade das Mittagsessen für die hungrigen Radler vor, die hier bald eintrudeln würden.
Uns drückt sie eine Tafel Schokolade in die Hand „für den fiesen Anstieg hinauf zum Eisfeld“.
Da kommt wohl noch was auf uns zu. Wir sind ziemlich gut vorbereitet, denn für den Icefields Parkway gibt es eine großartige Faltbroschüre mit Höhenangaben, Kilometerzähler und Karte (PDF hier).
Am Jonas Creek halten wir für einen Snack. Dort erwarten uns zwei weitere Guides der gleichen Firma, deren Radler bereits angekommen sind. Es ist ziemlich frisch und die Radler haben ein Feuer in der Küchenhütte angemacht.
Wir futtern Brot mit Thunfisch, Erbsen und Möhren. Die anderen Radler sind neugierig und fragen uns aus. Wir bieten den anderen von unseren Marshmallows an und bekommen im Gegenzug Kekse geschenkt. Die Berg-Schokolade wird angebrochen und wir zaubern uns leckere S’mores (von unten nach oben Keks-Schoki-gegrillter Marshmallow-Keks).
Gut gestärkt geht es weiter bis zum Beauty Creek Hostel. Im Fahrradladen in Jasper sagte man uns, dass man dort für $10 pro Nase unterkommt und auch in der Hostelbroschüre steht, dass dieses Hostel ein beliebter Punkt für Radler ist. Als wir ankommen, werden wir vom Gegenteil überzeugt. Es gibt weder einen Fahrradständer, noch eine Pumpe.
Das Einzelbett kostet $28 für nicht-Mitglieder (und $22 für Mitglieder). Es gibt weder Strom noch Handyempfang und nur ein Plumpsklo oben auf dem Parkplatz. Na dann zelten wir doch lieber wieder.
Das Einzelbett kostet $28 für nicht-Mitglieder (und $22 für Mitglieder). Es gibt weder Strom noch Handyempfang und nur ein Plumpsklo oben auf dem Parkplatz. Na dann zelten wir doch lieber wieder.
Also weiter. Bald geht die Steigung los. Die Sonne knallt, aber der Wind bleibt kalt. Es ist ziemlich steil, aber doch machbar, zumal die Straße in Top Zustand ist. Ein paar Aussichtspunkte zerteilen uns den Weg in mehere Etappen und ehe wir uns versehen, haben wir das Eisfeld schon fast erklommen.
Wir sind nun auf etwa 2000 Metern überm Meeresspiegel unterwegs und um uns herum tut sich eine Bergwelt auf, die wir kaum begreifen können. Gletscher zu allen Seiten, einer reicht fast bis zu uns heran. Hier steht auch das Icefield Centre, in dem man Touren buchen und Informationen zu Wanderungen bekommen kann. Leider ist schon alles geschlossen.
Nur einen Kilometer später erreichen wir den Icefields Campingplatz, den einzigen Platz nur für Zelte. Martine hatte uns Platz Nummer 14 ans Herz gelegt, den wir auch sofort aufsuchen. Doch genau eine Minute vor uns, haben Shawn und sein Sohn Kaydin diesen Platz als ihr Nachtquartier erklärt. Wir finden die beiden sehr nett und stellen unser Zelt einfach daneben auf Platz 15.
Abends gibt es S’mores an Shawns Lagerfeuer. Kurz nachdem wir uns schlafen legen, fängt es an zu regnen und hört auch bis zum nächsten Morgen nicht auf. Ich flüchte mich in einer Regenpause in die Küchenhütte. Als das Getropfe auf dem Dach aufhört, drehe ich mich zur Tür. Schneeregen!
Ein paar Minuten später stehen wir unter dicken Schneeflocken. Schnee im August? Sowas geht wohl nur hoch oben in den Rockies. Wir frühstücken gemeinsam mit Shawn und Kaydin, dann ziehen die beiden weiter.
Wir beschließen, dass wir bei dem Wetter heute einen Ruhetag einlegen. Und statt uns mit abgefrorenen Fingern durch glatte Straßen zu quälen und dabei vor lauter Schnee nichts von der Aussicht zu sehen, sitzen wir gemütlich in der warmen Küchenhütte, freunden uns mit Susan und ihrem 14-jährigen Sohn Alex an, spielen Karten, bauen einen Schneemann (es wird eher ein Schneebär) und essen noch viel mehr Marshmallows.
Kurz – während es überall im niedriger gelegenen Umkreis regnet, genießen wir einen großartigen gemütlichen Winter-Wunderland-Tag bei über 10cm Schnee und freuen uns unseres Lebens.
Am nächsten Morgen ist viel Schnee schon weggeschmolzen. Die Berge sind dennoch weißer als am Vortag.
. Wir radeln stolze zwei Kilometer, dann parken wir die Räder und packen Kameras, ein paar Karotten, die nassen Wanderschuhe, einen Pulli und eine Wasserflasche in den Faltrucksack. Die Wilcox-Wanderung haben Martine, Luzia und Denise uns ebenfalls empfohlen. Zweieinhalb Stunden sind wir unterwegs und genießen jede Sekunde.
Der Weg ist teils eisig, teils matschig und teils felsig, aber überall begehbar. Schnell erreichen wir die Baumgrenze und wandern durch eine zauberhafte Schneelandschaft, umgeben von weißen Bergen, wilden Schafen und Bergziegen.
Auf dem Weg hinunter überholen wir eine Familie, deren kleine Kinder scheinbar als „Soldaten“ erzogen werden sollen. „You are warriors!“ ruft der Vater den Grundschulkindern zu, damit sie sich noch mehr beeilen „Wer sich beschwert, stinkt“, antworten die beiden, und hetzen den steilen und felsigen Weg hinunter.
Ein Parks Ranger ermahnt einen (weit entfernten) Hundebesitzer, seinen Hund doch bitte an die Leine zu nehmen. Als dieser nicht hört, beschimpft der Ranger ihn sehr laut und sehr unhöflich als A-Loch. Die Kinder in der Nähe lachen sich schlapp und alle Eltern sind völlig aufgebracht. Drama pur. Irgendwie passt das nicht so recht in die Idylle hier.
Es ist schon spät als wir wieder zurück bei den Räden sind und wir wollen heute fast 70 Kilometer schaffen. Das ist nicht besonders viel für einen normalen Tag, aber für einen Schneetag mit Wanderung und spätem Start, ist das schon eine Menge. Doch erstmal geht’s vom Icefeld-Plateau wieder hinunter auf tiefere Höhenmeter. Die Abfahrt ist einsame Spitze. Wir sausen mit 64 km/h nur so den Berg hinunter. Der Helm wackelt, die Augen tränen und der Rückspiegel vibriert. Wir haben einen Heidenspaß.
Einen kleinen Berg müssen wir noch rauf bevor wir den Waterfowl Lakes Camping erreichen. Die Park Ranger sehen es höchst ungern, wenn Leute außerhalb der Campingplätze zelten. Das ist verständlich, denn nicht jeder weiß, wie man im Bärengebiet zeltet.
Wir haben aus Alaska und Nordkanada viel Erfahrung mit wildem Zelten im Bärenland, doch es gibt genügend Campingplätze selbst für langsame Verkehrsteilnehmer wie uns, also sollten wir diese auch nutzen.
Wir beziehen eine Walk-In-Campsite, das ist ein Zeltplatz, den man nicht mit dem Auto erreichen kann. So stellen die Ranger sicher, dass es immer ein paar Extra-Plätzchen für Wanderer und Radler gibt.
Am nächsten Morgen sind wir um 6 Uhr auf den Beinen. Die Temperatur ist knapp unterm Gefrierpunkt und das Vorzelt eingefroren. Roberto eilt zum See, um den Sonnenaufgang zu fotografieren. Es taut erst nach mehreren Stunden Fahrt, als wir den Peyto-See erreichen, der der höchste Punkt des Icefield Parkways ist.
Wir laufen die zehn Minuten hinüber zum See und werden mit einem grellen Türkis überrascht. Die Sicht ist großartig und die Aussichtsplattform ähnlich überlaufen, wie schon die vom Athabasca Wasserfall. Der Icefields Parkway ist ein Touristenmagnet.
Ein paar Kilometer weiter liegt der Bow See und dort lehnen wir die Räder gegen eine Bank und frühstücken erstmal. Nach und nach schälen wir uns aus Handschuhen, Mütze und Jacken, bis wir am Ende in T-Shirts in der über 20°C warmen Mittagssonne dastehen.
Der See ist ein beliebter Pausenpunkt für Stand-Up-Paddle-Boarder und wir beschließen, eines Tages eine Reise mit Faltrad und aufblasbarem Kanu zu unternehmen.
Von hier an sehen wir plötzlich wieder jede Menge Rennradfahrer. Drei überholen uns völlig wortlos. Sie starren alle nach vorn, winken nicht und reagieren nicht auf unsere Grüße und unser Lächeln. Einer hat sogar Musik in den Ohren, was auf einer Straße mit Verkehr und wilden Tieren eine absolute Dummheit ist.
Die meisten Radler sind jedoch sehr nett. Bald haben sie uns aber alle überholt. Am Herbert See halten wir nochmal, denn die Berge sollen sich hier angeblich ganz toll spiegeln. Leider ist die Luft irgendwie ganz milchig geworden und wir können die Berge kaum erkennen.
Von einem netten Paar das wir am Picknickplatz kennen lernen, erfahren wir, dass die Luft voller Rauch ist, der von riesigen Waldbränden in Washington in den USA hier her weht. Ein paar Tage später wird Schottin Tanya aus Golden uns erklären: „Das ist, als wenn in Nordschottland ein Feuer brennt und der Rauch in London noch zu sehen ist, stell dir das mal vor!
In Lake Louise ist der Icefields Parkway für uns zu Ende. Wo die meisten Touristen nach Banff im Südosten weiterfahren, drehen wir Richtung Golden im Westen. Doch die Nacht wollen wir hier verbringen. Leider ist absolut alles voll. Doch als Radler haben wir wieder Glück mit den Walk-in-Campsites. Der Preis: stolze $27.70. Doch dabei ist eine Dusche und die haben wir mittlerweile bitter nötig. Bleiben dürfen wir nur eine Nacht, weil eben Hochsaison ist. Das reicht uns auch. Auch wenn das bedeutet, dass wir keine Zeit für Wanderungen in der Nähe von Lake Louise haben.
Um den Zeltplatz herum führt ein sehr langer und hoher elektrischer Zaun, der die Bären fern halten soll. Sowas haben wir noch nie auf einem Campingplatz gesehen. Dennoch müssen wir auch hier alles was riecht (Essen, Kocher, Getränke, Badezimmertasche und Mückenzeug) im bärensicheren Container einschließen, der natürlich auf der anderen Seite des riesigen Geländes ist.
Wie bisher alle Staatscampingplätze ist auch dieser hier eine Naturschönheit. Eine geteerte Straße führt um den Platz herum, einige Kieselwege kreuzen ihn und allerlei Trampelpfade führen zu Abkürzungen. Der Wald ist geblieben, soweit es nur ging. Jeder Seite hat eine Picknickbank und eine Feuerstelle. Auf den Plätzen ohne Bärenzaun sieht man oft Wild grasen. Hier gibt es jedoch nur Eichhörnchen. Das Zelt wird auf feinem Kiesel aufgebaut, was weder pfleglich für den Zeltboden ist, noch rückenfreundlich beim Heringe einbohren, doch das nehmen wir gern in Kauf.
Abends treffen wir uns auf ein Bier mit Mark, den wir am Vortag auf einer Brücke beim fotografieren getroffen haben. Aus einem Bier werden schnell zwei große Krüge und ehe wir uns versehen radeln wir weit nach Mitternacht in Schlangenlinien zurück. Wir sind den Alkohol einfach nicht mehr gewöhnt und haben versucht, mit einem gebürtigen Polen mitzuhalten. Selbst Schuld.
Zurück im Zelt träume ich von Aussichten, Flüssen und unserem Schneemann, der eher einem Bären glich. Der Icefields Parkway, den viele in zwei bis drei Tagen runterrattern, hat uns volle fünf Tage gekostet. Und das war es wert. Für uns ist er eine der schönsten Straßen des Landes und wir würden jederzeit wiederkommen.
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Eine ganz ganz tolle reise die ihr macht!!! wirklich Respekt und alle Daumen hoch!! wir machen immer nur kürzere touren von ein paar Monaten und wenn ich eure Berichte lese juckt es schon wieder in den Beinen : ) viel spaß und tolle Erfahrungen! Sonja
Hi Sonja,
danke fürs Schreiben! Ein paar Monate klingt doch schon nach längeren Touren! Wohin soll es als nächstes gehen? Viele Grüße mittlerweile aus Tijuana,
Annika
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