Wie die nassen Mohnbrötchen – Von Lake Louise nach Revelstoke

Great Divide Bike Path, Alberta and British Columbia, Canada

Auf dem Great Divide Radweg

English version here: Cycling the Trans-Canada Highway

Wie die nassen Mohnbrötchen – Von Lake Louise nach Revelstoke

Land: Kanada

Von Lake Louise bis Revelstoke

Draus gelernt: Immer selbstklebende Flicken dabei haben

Drüber gelacht: Die nassen Mohnbrötchen

Schönstes kleines Wunder: Drinnen schlafen!

Größte Herausforderung: Regen, Verkehr und Tunnel

Geradelte Tage: 3

Geradelte Kilometer: 241

Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 80,3

Insgesamt bis Revelstoke geradelte Kilometer: 22.488

Lezten Blog verpasst? Hier ist er: Icefields Parkway per Fahrrad

Wir wachen etwas verkatert auf. Der zweite Krug Himbeer-Bier war wohl keine gute Idee. Heute ist es noch rauchiger als am Vortag. Die Waldbrände aus Washington sind nun so groß, dass man bis hier her nichts mehr von den Bergen sieht.

 

 

Crazy Prices for kayak rentals in Lake Louise

$55 für eine halbe Stunde Kajak fahren? Und darf man danach das Kajak als Souvenir behalten?

Im Zentrum treffen wir auf Jin aus Korea, der heute ebenfalls nach Golden radeln will. Aber erst später. Wir radeln hinauf zum See von Lake Louise und schwitzen nicht schlecht. Der See ist ganz nett, aber ich sehe nicht so recht, warum der ganze Andrang hier ist. Da gab es Seen mit netterem Blick auf dem Icefields Parkway. Doch nach einer Weile erkenne ich die Umrisse der hohen Berge und Eisfelder und sehe ein, dass der Blick ohne den Rauch wohl wirklich spektakulär gewesen wäre.

Lake Louise in the smoke

Ohne den Rauch wäre der Blick bestimmt super. Oder sind wir nur vom Icefields Parkway so verwöhnt?

Einen Kilometer weiter südlich biegen wir in den Great Divide Radweg ab, der grob parallel zum Highway nach Westen führt. Wir radeln auf dem alten und verlassenen Highway und fühlen uns wie in einer Geisterstadt.

Cycling the Great Divide Bike Path from Alberta to BC

Auf dem Great Divide Radweg überqueren wir die Grenze von Alberta nach BC

Die Natur hat sich einen großen Teil der Straße schon zurückerobert. Wir sehen zwei Radler und zwei Wanderer, sonst niemanden. Zurück auf dem Highway treffen wir nach etwa halber Strecke wieder auf Jin und beschließen, gemeinsam weiterzuradeln. Die letzten gut 20 Kilometer sind wirklich eng.

We saw Moutain Goats while cycling the Trans-Canada Highway

Bergziegen auf dem Trans-Canada Highway

Die Straße ist schmaler und der Seitenstreifen verschwindet teilweise ganz. Dazu jede Menge LKWs, Steinschlag, Lawinengefahr und wilde Bergziegen, die einfach mirnichts-dirnichts über die Straße springen. Ein herannahender LKW bremst und hupt, doch die Ziegen beeilen sich erst, als ich ganz laut durch die Finger pfeife. Puh, das ging gerade noch so gut.

The Great Divide by bike

Der Great Divide war ursprünglich mal ein Highway für Autos

In Golden wohnt Tanya, die hier das erste Hostel (Kicking Horse Hostel) eröffnet hat. Sie hat sich bei warmshowers.org angemeldet und bietet nun Langstreckenradlern an, gratis im Garten zu zelten, oder zum halben Preis drinnen zu schlafen. Sie findet es eine Frechheit, dass die nächstgünstigste Übernachtungsmöglichkeit ein Zeltplatz für $35 ist.

Kicking Horse Hostel, Golden

Unsere Kurzzeitmitbewohner Laura und Rob

Wir gönnen uns für drei Nächte ein Drinnen-Zimmer, denn es ist mein Geburtstag und wir haben seit Anchorage, Alaska nur in Whitehorse und Edmonton jemals drinnen geschlafen. Den ersten Monat haben wir jede einzelne Nacht gezeltet!

Meinen Geburtstag verbringen wir sehr gemütlich mit einem leckeren deutschen Frühstück, (Danke Roberto!) griechischem Moussaka am Abend und jeder Menge Filmen zwischendurch. Ein perfekter Gammeltag!

Kicking Horse Hostel Kitchen

Die gemütliche Gemeinschaftsküche!

Aus drei Nächten werden schnell fünf. Die Mitbewohner sind so nett und das relaxte Ambiente und das gemütliche Bett machen das Sachen-packen nicht gerade leichter.

Sogar Mike kommt uns besuchen! Er ist auf dem Weg zurück von Vancouver und kaum fährt er ab, ziehen Wolken auf. Nach dem miesen Wetter auf dem Roadtrip mit Mike glaube ich, dass er den Regen mitbringt.

Warmshowerers are always welcome at Tanya's in Golden

Warmshowerers sind hier herzlich wilkommen

Der Rauch stiehlt uns weiterhin die Sicht als wir gegen Mittag aufbrechen. Immer dem Trans-Canada Highway nach. Der Verkehr ist dicht, aber immerhin haben wir durchgehend einen Seitenstreifen. Da aber so viele LKWs unterwegs sind, haben die Fahrer kaum die Chance uns Platz zu machen und donnern sehr eng an uns vorbei.

Lange dauert es nicht und aus dem anfänglichen Niesel wird ein ausgewachsener Regen. Bald prasselt es so sehr, dass wir kaum die Augen offen behalten können. Und da passiert es – ich kann einem Stück kaputtem Reifen nicht mehr ausweichen und ein Kabel bohrt sich in meinen Vorderreifen.

Find the Tasting Travels Sticker

Wer findet unseren Tasting Travels Sticker?

Ich ziehe das Kabel raus und lausche. Bei dem Verkehr hört man allerdings nichts außer „brummmmm“. Also beschließe ich weiterzuradeln. Zehn Minuten später habe ich einen Platten diesmal allerdings hinten. Und ein Kabel war das nicht, dafür gleicht das Loch zu sehr einem Riss.

Ausfahrten oder Parkmöglichkeiten gibt es keine. Da müssen wir wohl jetzt und hier flicken. Auf dem engen Seitenstreifen des Trans-Kanada Highways.

Ganz am Anfang unserer Tour hatten wir in Ungarn jede Menge platte Reifen zu versorgen. Auch da regnete es. Und ich erinnere mich dass wir den einen oder anderen immer wieder neu flicken mussten, weil der Flicken einfach nicht halten wollte. Nun, natürlich waren unsere Flickkünste bei Beginn der Reise nicht mit den jetzigen zu vergleichen, doch heute wie damals: im strömenden Regen Kleber trocknen zu lassen geht einfach nicht.

Wir haben zum Glück noch genau einen selbstklebenden Flicken übrig und mithilfe von kleinen Handtüchern und unseren Kapuzen gelingt uns irgendwie das Kunststück den Riss abzukleben.

 

Camping in Illicillewaet

Camping auf dem  Illicillewaet Campingplatz im Glacier Nationalpark

Als die Operation fertig ist sind wir nicht nur nass bis auf die Haut. Der ganze Verkehr hat uns mit literweise Dreckwasser aus den Pfützen bespritzt. Wir sehen aus wie nasse Mohnbrötchen. Doch der Reifen ist geflickt und notdürftig aufgepumpt (was das Radeln nicht gerade leichter macht). Zwei Anstiege haben wir heute zu bewältigen. Der zweite ist besonders happig, denn mittlerweile ist uns – klitschnass wie wir sind – schweinekalt. Und dazu kommen fünf fiese teils lange und sehr enge Tunnel. Natürlich allesamt bergauf. Ich denke an die polnischem Motorradfahrer, die uns in einem Tunnel in Armenien den A* gerettet haben (Geschichte zum Gruseltunnel in Armenien) und an den stockdunklen Tunnel in China, in dem unsere Lampen versagten. . Heute müssen wir das allein durchstehen. Durchatmen. Vollgas. Nicht in Panik geraten. Falls doch – noch mehr Vollgas. Dann zwischen den Tunneln schieben und verschnaufen. Next.

Wir erreichen den Illicillewaet Campingplatz im Glacier Nationalpark immernoch im Regen. Von den Gletschern selbst sehen wir nur hier und da zwischen Wolken und Nebel mal ein Fitzelchen. Monika und Aldo aus der Schweiz teilen ihren Zeltplatz mit uns. So können wir alle Bares sparen und haben zugleich nette Bekanntschaft.

Mount Revelstoke National Park

Mount Revelstoke National Park

Wir nutzen am Morgen einen Moment mit leichtem Regen um schnell alles auf die Räder zu hieven und in die Küchenhütte umzuziehen.

Am Feuer versuche ich verzweifelt Regenjacke und Schuhe wieder trocken zu bekommen. Beide habe ich 2012 in Kirgisistan gekauft und seither so gut wie täglich getragen. Sie sind auch noch super in Schuss, aber leider kein bisschen wasserdicht mehr. Es ist kalt, windig und nass. Motivation ist gleich Null. Eine Wanderin die das Ende ihrer Wanderung erreicht hat, überlässt uns einen halben Schlauch voll Rotwein. Ich mache mir eine Minitasse voll auf dem Ofen heiß. Wenn es schon weihnachtlich aussieht, dann soll es auch weihnachtlich riechen und schmecken.

Mount Revelstoke National Park

Im Regenwald

Heute ist einer dieser Tage an denen ich die Autofahrer beneide. Bald radeln wir (durch weitere drei Tunnels) hinaus und in den nächsten kleinen Nationalpark hinein: den Mount Revelstoke Nationalpark. Der ganze Nebel verdirbt den Blick in die Berge. Es geht mitten durch den weltweit einzigen gemäßigten Regenwald, der nicht an der Küste liegt. Das erklärt natürlich das miese Wetter.

Ab und zu lässt der Regen nach und die Sonne kommt durch, dann sehen wir die prächtigsten Doppelregenbogen. In Revelstoke angekommen kommen wir bei Louis-Marc unter. Er ist Besitzer eines Hostel-Hotels namens „the Cube“ in dem er uns quasi für Betriebskosten unterbringt. Im Cube gibt es nur einen Schlafsaal und viele Privatzimmer, aber Gemeinschaftsduschen und eine Küche. Alles sieht nagelneu und modern aus. Kein Wunder, Eröffnung war im Januar 2014.

Marc-Louis is a great chef!

Marc-Louis kocht sehr gut!

Louis ist in Québec aufgewachsen aber lebt seit fast 40 Jahren in British Columbia. Er lädt uns zum Abendessen zu sich nach Hause ein und wir haben eine wirklich gute Zeit.

Der nächste Tag ist genauso verregnet und als Louis uns anbietet noch eine zweite Nacht in Revelstoke zu bleiben, denken wir nicht lange drüber nach.

Gespannt wie es weiter geht? Die letzten Wochen in Kanada: Mit dem Rad nach Vancouver

 

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