Zwischen White River und X Ray

Zentralbalkan, Bulgarien.

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Der Biergarten oberhalb des Flusses

Etwa sieben Kilometer führt eine sich immer wieder gabelnde Schotterstraße vom 3500-Seelendorf Kalofer in Zentralbulgarien hinauf zum White-River-Campingplatz, eher bekannt als „Biwak Bjala Reka“. Hier können Naturfreunde für umgerechnet einen Euro pro Nacht mit Blick in die Berge des Nationalparks Zentralbalkan zelten. Der Biwakplatz ist Ausgangspunkt für Wandertouren durch den Nationalpark und Erholungsort für Städter.

Zwischen White River und X Ray

Hier arbeitet auch der etwa 60-jährige Nicolai, der fern vom Straßenlärm eine Bar mit Grill betreibt. Nicolai kennt sich in der Gegend aus wie in seinem Kleiderschrank. Er erklärt uns (in bulgarisch und russisch) auf diversen Wanderkarten unseren Standort, den Weg nach Kalofer, zur nächsten Berghütte und zum nahegelegenen Kloster.

Nicolai

Ein paar Worte Deutsch spricht Nicolai und recht gutes Russisch. „Komm mit“ sagt er immer wieder auf Deutsch, um uns seine Feuerholzsammlung zu zeigen oder uns auf den nächsten Hügel zu schleppen, von dem aus man den höchsten Berg des Nationalparks, den 2.376 Meter hohen Botev, sehen kann. Bei dieser Gelegenheit präsentiert er uns auch sein Fernglas, das noch aus dem ersten Weltkrieg zu stammen scheint, aber bestens funktioniert.

Auf dem Gipfel liegt auch im Juni noch etwas Schnee, in den tieferen Bergregionen hingegen brennt die Sonne. Vom Biwak Bjala Reka aus sind die Wege in Richtung „H Rai“ und zurück zum Kloster mit Hinweispfeilen und grün-weißen Markierungen gekennzeichnet. Der Name H Rai als Abkürzung für Hidja Rai ist für eine Berghütte eher verwirrend. Ich als kyrillisch-Anfängerin war jedenfalls sicher, auf ein X-Ray, ein Röntgengerät, zuzulaufen. Trampelpfade führen durch dichten Laubwald, der weiter oben von bunten Blumenwiesen voller Schmetterlinge abgelöst wird. Hier oben weht ein leichter Wind, der das bergauf gehen erleichtert. Auch Bären und Wölfe sollen im Zentralbalkan zu Hause sein, doch die sind scheuer als Spinnen, Vögel, Käfer, Bremsen und Mücken und zeigen sich nicht bei jeder Gelegenheit.

Unten an der Liegewiese vom Bjala Reka Fluss fliegen die Insekten um eine weidende Stute mit ihrem Fohlen herum. Die beiden laufen rund um den Fluss frei herum und grasen den ganzen Tag. Die Vögel zwitschern, das kleine Bächlein schlängelt sich leise plätschernd durch das Tal und es duftet nach feuchtem Rasen und modrig kühlem Wald. Drei Feuerstellen und einige Picknickbänke und –hocker hat Nicolai um den Fluss herum aufgestellt. Der Blick ist von jeder Stelle gleich schön: grüne, bewaldete Hügel und Berge mit Felswänden. Das Wasser des flachen, steinigen Bächleins Bjala Reka, das allenfalls bis zu den Knien reicht, ist trinkbar und naturgekühlt.

Ein idyllisches und einsames Plätzchen ist die ruhige Liegewiese allerdings nur unter der Woche. Freitagnachmittags versammeln sich mehr und mehr Urlauber am Ufer des Bjala Reka. Sie grillen, baden im Fluss und trinken Bier aus 2,5-Liter Plastikflaschen. Schon in der Nachmittagssonne entfachen die Besucher ein großes Lagerfeuer. Die zunächst gedämpfte Technomusik schwillt abends an und gegen Mitternacht versteht man kaum noch sein eigenes Wort. Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei und die Insekten und Vögel haben wieder das Sagen.

Ausschnitt des Zentralbalkangebiets von Kalofer nach x Rai

Etwa zwanzig Meter weiter oberhalb gibt es neben der Hütte, die als Bar und Lagerhaus dient ein paar Bierbänke, ein Plumpsklo und einen großen Berg Feuerholz. Nicolai hilft uns mit Axt und Machete das Holz klein zu hacken. „Scharfes Messer“ erklärt er und zeigt stolz auf seine Machete. Ein paar mal schlägt er zu und schon haben wir einen Haufen Kleinholz, der auch gleich angefeuert wird. Während er hackt murmelt er immer wieder auf bulgarisch und dann auf russisch. Als das Feuer brennt packt er ein paar Plastikflaschen und etwas alte Folie und schmeißt sie mit ins Feuer. Müllbeseitigung in den Bergen.

Mit Quads, Motorrädern und kleinen Autos erreichen die meisten Tagesgäste den Biergarten. Die wenigsten Besucher bleiben über Nacht und ein Bier kostet kaum weniger als eine Übernachtung. Nikolai verdient also auch an seinen Tagesgästen. Er bietet neben Getränken auch selbst gemachte Pommes mit Schafskäse, Würstchen, Schopska Salat, Fisch und Köftes, Frikadellen aus Hackfleisch, Zucchini und Kartoffeln an. Für die ausländischen Gäste gibt es auch eine Speisekarte in Englisch, die wird jedoch kaum gebraucht. In Nicolais mit zittriger Handschrift akribisch geführtem Besucherbuch entdecke ich, dass in diesem Jahr neben uns und etwa 20 Bulgaren nur ein niederländisches Pärchen übernachtet hat. Kein Wunder, denn gut versteckt ist das Biwak Bjala Reka ja. Für uns hat sich die Suche definitiv gelohnt.

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    • admin says:

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