Drachenbootrennen: Zusammen sind wir stark

Unser Team und wir.

Unser Team und wir.

Samsun, Türkei, Mai 2012

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Der Himmel ist grau, der Wind bläst nicht zu stark und mein linkes Bein ist nass. Das Team ist gut aufgelegt, einige albern herum, andere trinken Tee, aber ich fühle, was auch die anderen insgeheim fühlen: wir hätten schneller paddeln können. Ein Drachenboot vorwärts zu bewegen ist nicht schwer, es kommt nur darauf an, dass das sechzehnköpfige Team exakt synchron paddelt.

Die Boote sind startbereit. Wir sind es auch.

Die Boote sind startbereit. Wir sind es auch.

Unser Team hat weit mehr als sechzehn Mitglieder. Wir paddeln für den TEGV, ein Förderungsinstitut für hochintelligente Kinder, an dem freiwillige Helfer arbeiten. Die Stadt Samsun hat dem TEGV als Dank für seinen Einsatz einen gratis Startplatz beim großen Drachenbootrennen reserviert. Yasin, unser Gastgeber in Samsun, ist einer der über hundert freiwilligen Helfer. Da aber nicht alle Helfer mitpaddeln möchten, gibt es noch freie Plätze im Boot und Roberto und ich strahlen, als Yasin uns zwei Plätze im Team anbietet.

Im Training stellen wir uns nicht allzu dumm an. Wir lernen die korrekte Sitzposition, das Paddel genau senkrecht ins Wasser zu stoßen, nicht zu viel Wasser ins Boot zu spritzen und – was am wichtigsten ist – synchron zu fahren. „Freunde, passt euch immer an den Paddelschlägen des Vordermanns an“, ruft Yalçın. „Und vergesst nicht, euch vorzulehnen wenn ihr das Paddel einstecht!“.

Startklar und motiviert

Startklar und motiviert

Yalçın ist der selbstgewählte Anführer der Gruppe und tut alles um uns zu motivieren. Er selbst scheint immer in Eile zu sein und alle paar Sekunden sieht er sich nervös um. Für jemanden, der selbst auch noch nicht in einem Drachenboot gefahren ist, gibt er einen großartigen Anführer.

Zwei Tage vor dem Rennen starten die Vorbereitungen. Das Team trifft sich ein bis zwei Mal täglich zum üben. Wir rufen: “Bir! Iki! Üç! Dört! Beş!”, eine Nummer mit jedem Paddelschlag. Gut dass wir die Zahlen auf Türkisch drauf haben. Dann rufen wir stattdessen “Hey! Hey! Hey!”und dann “TE! GV! TE! GV!” (zumindest verstehe ich das so und brülle es lautstark mit). Am Ende wechseln wir zurück zu den Zahlen, allerdings diesmal bis zehn. Wenn wir genügend Leute sind, schlägt einer von uns die Trommel um den Takt vorzugeben. Meistens fahren wir aber ohne Trommler.

Wir sind zufrieden mit unserem Training auf dem Wasser und auch das „Trockentraining“, das Yalçın vor dem Start anordert, läuft gut.

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Überall in der Stadt sehen wir Poster vom Rennen

Als wir zur Startlinie paddeln, wird beschlossen, dass wir statt der Zahlen doch lieber „TE! GV! TE! GV!” rufen. An der Startlinie beäugen wir kurz die anderen fünf Boote, dann ist es still. Alle Teilnehmer sind konzentriert, vom Ufer aus ist das Jubeln der anderen Freiwilligen zu hören, die uns lieber vom Trockenen aus unterstützen. „Auf Position!“, schallt es aus einem Lautsprecher. Yalçın sieht noch nervöser aus, als sonst. „Denkt daran, genau synchron mit dem Vordermann zu paddeln“, ruft er noch, da fällt auch schon der Startschuss. Wie aufgescheuchte Hühner jagt ein jeder sein Paddel durchs Wasser. Vor Synchronisierung ist nichts mehr zu spüren und wir schaufeln uns viele Liter Wasser ins Boot. Yalçın beginnt, laut zu zählen, aber nur wenige von uns rufen mit ihm. Wir vergessen alles, was wir geübt haben und kommen kaum voran. Jeder versucht, möglichst schnell und stark zu paddeln, aber wir vergessen, dass wir nur dann stark sind, wenn wir als Team arbeiten. Zwei Boote überholen uns, dann noch eines. Nach etwa einem Viertel des Weges finden wir unseren Rhythmus wieder, aber das wilde Durcheinander paddeln am Anfang hat uns müde gemacht. Ein weiteres Boot überholt und wir überqueren die Ziellinie als fünfte von sechs Booten. Während wir auf einen freien Anlegeplatz warten, fängt jemand an, die anderen mit dem Paddel nasszuspritzen. Ich protestiere, spritze zurück und schon befindet sich das ganze Boot in einer Wasserschlacht. Wir quietschen, lachen, schreien und kämpfen, als hätten wir noch die Kraft für eine zweite und dritte Runde. Niemand hat das Rennen allzu ernst genommen, aber in den lachenden Gesichtern der Anderen kann ich dennoch die Enttäuschung lesen, die ich auch in mir selbst spüre. Wir hätten besser paddeln können. Im zweiten Rennen am Nachmittag fahren wir sogar noch schlechter. Von fünfzig Plätzen ergattern wir einen der Letzten. “Nächstes Jahr machen wir es besser!”, versucht Yasin uns aufzumuntern.

Last minute Trainning

Last minute Trainning

Sein Angebot ist ernst gemeint und auch die anderen stimmen mit ein: „Ja, ihr müsst nächstes Jahr wiederkommen und unser Team wieder unterstützen!“ Wen interessiert es schon, auf welchem Platz wir landen, wenn wir in so einem grandiosen Team mitfahren dürfen?

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