Im Dreierteam nach Frankreich – Radreise durch Südfrankreich
Land: Spanien und Frankreich
Von Barcelona nach Avignon
Draus gelernt: Nach dem Regen schwellen die Flüsse an
Schönstes kleines Wunder: Picknick am Strand mit Freunden
Gesichtete Tiere: Regenwürmer, Flamingos,
Geradelte Tage: 7
Geradelte Kilometer: 413
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 59
Insgesamt geradelte Kilometer: 31.189
Letzten Blog verpasst? Hier kommt er: Wintereinbruch und Verwirrung – Mit dem Rad durch Spanien
Blog in English:
Radreise durch Südfrankreich
Es ist mein dritter und Robertos zweiter Besuch in Barcelona. Statt Sightseeing verbringen wir viel Zeit mit unseren Freunden. Justin kennen wir aus Guadalajara. Seine Eltern kommen aus England und Spanien, er fühlt sich aber eher als Weltbürger.
Justin ist ein begnadeter Künstler und minimalistischer Radreisender und verbringt noch ein paar Tage in Barcelona bevor es ihn wieder nach Mexiko zieht. Benjamin und Ursula haben gerade geheiratet. Sie konnten sich nicht so recht für ein einziges Ziel entscheiden, in dem sie ihre Flitterwochen verbringen wollten, und reisen daher einmal durch Eurasien.
Benja entwickelt einen sehr leckeren Tequila namens Corazon Maya. Ein paar letzte Schlückchen haben die Flitterwochen überlebt, die teilen wir uns alle auf der Rambla. Unser Küken ist Rebekkah aus Neuseeland. Sie ist ebenfalls auf einer längeren Europareise. Ihre neuen mexikanischen Freunde nennen sie Monica. Warum, das hat keiner so recht verstanden.
So viel nur: ihr Spitzname entstand gegen ein Uhr morgens in der „Terraza“ einer Bar. In ihrer Zeit mit uns lernt sie mehr über die mexikanische Kultur, als über die Katalanische. Diego aus Guadalajara hat sich Barcelona vor sieben Jahren als Wahlheimat ausgesucht. Nach seinem Studium als Sommelier wurde ihm klar, dass er eigentlich viel lieber Bier trinkt, als Wein. Mit dem Vermieten von AirBnB Wohnungen verdient er seinen Lebensunterhalt.
Wir radeln zu siebt durch die Stadt, picknicken am Strand und ziehen Abends durch die Kneipen. Es tut gut, bekannte Gesichter zu sehen und wir verbringen einige Tage wie im Urlaub.
Die letzten Tage helfen wir Diego bei den Vorbereitungen. Als bekennender Reisesüchtiger war er noch nie mit dem Rad unterwegs. Das soll sich jetzt ändern. Bis Lyon, Frankreich, will er sich uns anschließen. Wir sind völlig begeistert.
Diego kauft sich einen Helm und zwei Taschen, leiht sich ein Rad und ein paar wasserdichte Säcke und schon sind wir unterwegs. Der erste Tag vergeht Diego viel zu langsam. „Nehmt keine Rücksicht auf mich, ich kann auch noch viel schneller radeln“, ruft er immer wieder.
Wir bleiben bei unserem Rhythmus. Heute versuchen wir, so dicht am Meer zu bleiben wie es geht und dabei die großen Landstraßen zu vermeiden. Daraus resultierend radeln wir Strecken durch Schlamm und Schotter und haben bei Sonnenuntergang mickrige 55 Kilometer auf dem Tacho stehen.
Am nächsten Tag starten wir immerhin eine Stunde früher, um 10 Uhr. Heute kommen wir auch etwas besser voran. Mein Job, google maps zu lesen, übernimmt ab heute Diego. Das nimmt mir einen großen Batzen Verantwortung ab. Es bedeutet allerdings auch, dass wir wie ganz zu Anfang, oft kaum passierbare Feldwege durchradeln, da es Diego noch schwer fällt, „echte“ Routen auf der Karte von leeren Flussbetten zu unterscheiden.
Für google sind das nämlich alles exzellente Radwege. Gegen Mittag halten wir an einem kleinen Restaurant zwischen zwei Dörfern. Wir machen Pause und quatschen mit Paco, dem Besitzer. Bevor wir uns auf den Weg machen, drückt er uns noch drei Bocadillos, viel Wurst und ein paar saure Getränke in die Hand. Einfach so, als Geschenk.
Wir fahren heute ins Inland und zelten kurz hinter Girona neben einer Tankstelle. Abends kommen uns zwei radelnde Koreaner entgegen. Sie haben schon über 100 Kilometer auf dem Tacho, aber heute wollen sie drinnen schlafen.
Dass wir neben einer Tanke zelten, ist ihnen suspekt, auch wenn sie das so nie sagen würden. Wir unterhalten uns noch ein bisschen, dann machen die beiden sich auf den Weg, denn es ist schon ziemlich dunkel.
Wieder kommen wir eine Stunde früher los. Ginge es nach Diego, so wären wir erst gegen Mittag auf dem Rad, aber würden bis in die Nacht hineinradeln.
Ginge es nach uns, so stünde der Wecker jeden Tag kurz vor Sonnenaufgang und wir hätten kurz vor Sonnenuntergang Feierabend. Also einigen wir uns auf ein Mittelding. Diego fühlt sich dennoch unter Druck gesetzt, denn spätestens um 7.30 Uhr sind wir ohnehin hellwach.
Nach zwei eher kalten Tagen, radeln wir heute doch tatsächlich im T-Shirt. Und das im November! Uns erwarten die Ausläufer der Pyrenäen, doch wir müssen nur 260 Höhenmeter rauf. Wir fressen uns vor der Grenze noch einmal so richtig mit spanischen Leckereien voll, dann geht es nach Frankreich.
Land Nummer 30. Gleich hinter der Landesgrenze verschwindet der breite Seitenstreifen komplett. In riskant gewagten Überholmanövern rasen die Autofahrer an uns vorbei. Wir müssen erstmal schlucken.
Wir radeln eng hintereinander und so weit am Straßenrand wie nur möglich. Irgendwie wird das schon. Immerhin ist die Landschaft nett. Zu beiden Seiten strecken sich die Weinberge und Felder, immer mal wieder radeln wir durch ein kleines Dorf mit Bäckerei und Tante-Emma Laden.
Wir radeln die letzte Stunde vor Sonnenuntergang hartnäckig um einen umzäunten See herum, bis wir endlich einen Eingang finden und das Zelt aufstellen. Heute Nacht wird es kalt und wir verkriechen uns schon bald.
Als wir am nächsten Morgen Perpignan erreichen, knurren schon ordentlich die Mägen. Wir beschlagnahmen zwei Bänke am Flussufer. Eine zum drauf setzen und eine für die Essenszubereitung. Heute schlemmen wir Müsli mit Apfel und Banane, je ein Pain-au-chocolat und ein Mini Croissant.
Die hat Roberto gekauft, denn mein Französisch läuft noch sehr schleppend. Da haben die fünf Jahre des Drills in der Schule nicht viele Spuren hinterlassen. „Je ne sais pas“ kann ich noch, das heißt „Ich weiß es nicht“. Außerdem natürlich „Bonjour mes élèves“ und „Fermez les bouches!“ (höflicher für „Klappe halten“).
Für die Kommunikation sind daher Roberto und Diego zuständig. Hier im Süden sind viele Schilder sogar in katalanisch geschrieben. Diego spricht die Sprache recht gut und ich fühle mich gut aufgehoben. Ab Deutschland rede dann ich wieder mit den Leuten.
Nun geht es halb entlang der Küste und halb durchs Inland. Es weht ein salziger Wind. Immer mal wieder folgen wir dem Eurovelo 8 Radweg, doch oft genug verlieren wir ihn. Auch die lokalen Radwege sind höchst verwirrend, aber immerhin gibt es welche.
Am späten Nachmittag drückt Diego auf den Turbo. Über 10 Kilometer saust er mit 25-30 km/h vor uns weg und ich habe meine Mühe da mitzuhalten. Doch der Verkehr ist gut machbar und ein bisschen Schwitzen hat noch niemandem geschadet.
Es ist fast dunkel als wir ausgehungert beim Aldi halten. „Was war das denn?“, fragt Roberto. „Keine Ahnung“, gibt Diego selbst etwas verwirrt zurück. Er fährt ohne Tacho und kann kaum glauben, dass er zeitweise sogar mit 30 Sachen unterwegs war. „Da ist wohl der Rennradler in mir durchgegangen“, fügt er nicht ohne Stolz hinzu. Warum wir alle am nächsten Tag unter Beinmuskelkater leiden, brauche ich wohl nicht weiter zu erklären.

Eigentlich ist die Beschilderung ganz gut, wenn man a) französisch versteht und b) weiß von man ist und wo man hin will.
Heute Nacht suchen wir lange nach einem geeigneten Zeltplatz. Zwischen zwei Meeresbuchten radeln wir auf einem schmalen Radweg. Eine kleine Ausbuchtung gibt es. Darauf passen beide Zelte und dazwischen noch unsere Picknickdecke. Unser Sommelier hat eine leckere Flasche Wein gekauft, die nun geköpft wird.
Dazu gibt es Mandarinen en masse und Baguettes mit Nutella. Es ist der erste milde Abend seit Barcelona und wir sitzen noch bis spät unter den Sternen und quatschen. Mit „bis spät“ meine ich 22 Uhr. Man darf schließlich nicht vergessen, dass die Sonne schon um 17.20 Uhr verschwunden ist und dass wir ein paar lange Tage auf dem Rad hinter uns haben.

Heute haben wir uns ein leckeres Abendessen und ein ausgewähltes Fläschchen Wein verdient. Foto von Diego
Früh geht es weiter. Wir radeln im goldenen Licht des späten Sonnenaufgangs zwischen der Bucht und einem Kanal entlang. Vor lauter Staunen und Genießen, achtet niemand auf die Karte. Immer geradeaus, oder?
Erst als wir schon fast das Stadtzentrum von Narbonne erreichen, wir uns klar dass wir damit einen 16 Kilometer langen Umweg in kauf genommen haben.
Wir machen das Beste daraus, besuchen die Markthalle, sehen eine Parade der Jäger (?) an (leider waren alle unsere Akkus leer, daher gibt es keine Fotos), streiten uns einmal ausgiebig, schmollen in einem Café, reißen uns wieder zusammen und planen dann die Route vernünftig durch. Auf Master Google ist leider auch in Frankreich nicht immer Verlass.
Wir folgen einer Mischung aus enger Hauptstraße und holprigen Nebenstraßen, am späten Nachmittag erreichen wir sogar eine etwas holprige aber sehr spaßige Radroute entlang eines Kanals. Auf einem Feld sitzt eine große Gruppe Flamingos. Flamingos in Frankreich im November? Damit hätte ich nicht gerechnet.
Wir erreichen Agde, verfahren uns ein weiteres Mal und machen schließlich Feierabend in der Apfelplantage einer netten Frau. Kaum habe ich das Zelt vom Gepäckträger gelöst, da vibriert der Boden. Keine zwanzig Meter von uns kommt ein Zug vorbeigefahren und uns fallen fast die Ohren ab.
Wir packen alles wieder ein, ziehen ein paar hundert Meter weiter und genießen eine weitere ruhige Nacht mit einem Wein aus der Gegend und frischer Spaghetti Bolognese.
Montpellier erreichen wir schon am nächsten Nachmittag. Der Weg ist zwar recht flach, aber es weht ein starker und kalter Gegenwind. Gerade noch rechtzeitig vorm ersten Regen erreichen wir ein „F1“, eines dieses billigen Bleiben mit Gemeinschaftsklo, die am Stadtrand liegen.
Hier wollen wir die Stürme abwarten, vor denen gewarnt wird. In Diegos 34. Geburtstag feiern wir in der Stadt hinein, mit Wein, Bier, Tapas und Pizza. Bei Regen und mit Kater sind wir schnell davon überzeugt, den nächsten Tag auch noch im Motel auszusitzen.
Die verlorene Zeit wollen wir aufholen und die 110 Kilometer bis Avignon an einem Tag herunterreißen. Der Gegenwind hat nochmal zugelegt und wir kommen schwer voran. Irgendwie will sich kein netter Platz zum Mittagessen auffinden lassen und zum ersten Mal erleben wir Diego etwas knartschig.
Die sechs Tage auf dem ungewohnten Sattel haben ihm mehr zu schaffen gemacht, als er glaubte. Aber kaum sind wir satt, steigt auch die Motivation etwas an. Master google schickt uns irgendwo im Nirgendwo über hohe Bahnschienen. Und wir sind naiv genug, um der Route zu folgen.
Daraus resultiert eine matschige Route durch Felder und Wälder, auf der wir 1,40 Stunden für schlaffe 13 Kilometer brauchen. Irgendwann erreichen wir endlich den Fluss Rhône. Die starken Regenfälle der letzten Tage haben sich bemerkbar gemacht. Der Fluss ist so enorm angestiegen, dass es an der Schleuse tobt wie in einem gigantischen Kochtopf. Zeitdruck hin oder her – das müssen wir uns genauer ansehen!
Mit dem letzten Tageslicht rasen wir die Landstraße entlang. Als es dunkel wird, biegen wir auf den parallel verlaufenden Radweg ab. Das Unwetter hat auch hier getobt und es geht über Stock und Stein und durch große Pfützen. Diego fällt zwei Mal das Vorderlicht herunter, dann wird es ihm zu bunt.
Auch Roberto will lieber zurück auf die Hauptstraße. „Dafür haben wir doch gute Lichter, damit wir eben auch nachts fahren können!“ Er schlägt mich mit meinem eigenen Argument. Generell radel ich gerne in der Dunkelheit. „Ja, aber doch nicht in Frankreich!“, gebe ich zurück.
Ich muss aber zugeben, dass wir bei den Konditionen auf dem Radweg auch gleich vor Ort das Zelt hätten aufstellen können. Da wären wir noch ein paar Stunden unterwegs gewesen. Also geht es zurück auf die Straße. Vorne fahre ich, die Langsamste im Team und die mit dem stärksten Vorderlicht. Dann kommt Diego, dessen Lichter nur zum „gesehen werden“ reichen, aber nicht zum selbst sehen. Hinten radelt Roberto, der zum Rücklicht auch noch eine Warnweste mit Reflektor trägt.
Ich gebe Gas so schnell ich nur kann und versuche dabei immer exakt rechts neben dem Seitenstreifen zu fahren. Kommt uns jemand entgegen, so sehe ich erst einmal gar nichts. Volle Konzentration. Immer wieder werden wir überholt an Stellen an denen ein so großes Risiko für uns besteht, dass ich drauf und dran bin, mich in den dunklen Straßengraben fallen zu lassen.
Viele Fahrer sehen wohl Robertos Rad, denken dann „ach der Gegenverkehr ist ja noch hundert Meter weg, da kann ich mich vielleicht noch vorbeiquetschen“, und sehen dann unterwegs erst, dass wir zu dritt sind. Die Vorderste im Team wird dabei dann am schlimmsten geschnitten. Dass dies eine beliebte Strecke für LKW Fahrer ist, hilft hier nur wenig, denn in Frankreich fahren die LKW Fahrer genauso schlecht wie die Autofahrer. Nur die weißen Kleintransporter fahren sogar noch riskanter. Ich sterbe tausend Tode vor Angst. Als wir endlich die Brücke erreichen, glaube ich dass mir jeden Moment Schultern und Beine abfallen, so verkrampft sind sie.
Ich bin völlig außer Atem und zu Tode erschreckt. In Sachen Fahrkünste und Respekt gegenüber Radlern teilen sich die französischen Autofahrer den letzten Platz mit den Kambodschanern und den Fahrern aus Sumatra, Indonesien. Damit liegen sie noch hinter den Chinesen.

Einer der schöneren Teile des Weges, unser Somelier klärt uns natürlich gleich auf was da wächst und was das mal wird. Foto von Diego dem Weinkenner
Endlich erreichen wir Avignon. 109 Kilometer haben wir geschafft. Wir erreichen einen Laden und Diego setzt sich mit einem Liter Bier auf dem Gehweg, beide Füße weit von sich gestreckt und das Rad irgendwo gegen eine Absperrung gelehnt. Was ein kurzer Stopp für Zutaten zum Abendessen werden sollte, artet etwas aus. Für einen Moment denke ich, Diego wolle nie wieder aufs Rad steigen. Eineinhalb Bier und vier High Fives später (Willkommen im 100er Club!), rafft er sich doch wieder auf und wir fahren den letzten Kilometer zu Anne.
Unsere warmshowers Gastgeberin verdient sich mit ihrem eigenen Musikstudio etwas dazu. Wir finden das Ganze höchst spannend. Während aus dem Studio Hip Hop auf französisch schallt, kochen wir uns allen eine Gemüsesuppe im größten Topf den wir finden können. Als Annes Kunden fertig sind, dürfen auch wir uns das Studio ansehen.
Diego und Roberto haben schon als Studenten oft zusammen gesessen, Gitarre gespielt und gesungen. Anne findet das ziemlich cool und nimmt die beiden auf. Wow. Dass die Beiden heute Nacht noch zu Höchstformen auflaufen, damit hätte auch keiner mehr gerechnet. Am Ende des Posts findet ihr übrigens das Resultat: Five Years von Roberto und Diego.
Nach der langen Reise haben wir uns einen Pausentag verdient. Außerdem regnet es mal wieder. Wir spazieren trotz des Regens durch die Altstadt von Avignon, besuchen den Papstpalast, essen Quiche und genießen den fahrradfreien Tag. Von hier an geht es immer der Rhône nach. In knapp 50 Kilometern würde der Radfernweg Via Rhôna beginnen. Endlich weg von den Landstraßen!
What a great adventure we had! Such amazing memories, landscapes and especially great company!!!! Love you guys!
Diegoooo! Oh yes we really had such a great time with such a great company! Love you too and we’re waiting here for the next one somewhere in Germany 🙂
Many hugs!
Pingback: Von Verkehrsrowdies und Schokocroissants – Mit dem Rad durch Frankreich - Tasting Travels