Land: Kambodscha
Von Kampong Cham nach Siem Reap
Draus gelernt: Nie im Affengebiet das Rad gegen einen Mülleimer parken
Drüber gelacht: Die verwirrten Gesichter der Marktfrauen als ich rohes Huhn kaufe
Schönstens kleines Wunder: Die Tempelanlagen um Angkor Wat
Gegessen: Hühnersuppe, Reis mit Huhn, Kokosnuss, Wassermelone und vermutlich im Schlaf den einen oder anderen Käfer
Größte Herausforderung: Der Straßenleerfeger
Geradelte Tage: 3 1/2
Geradelte Kilometer: 283,51
Insgesamt bis Siem Reap geradelte Kilometer: 11235,42
Reisetage von Bremen bis Siem Reap: 643
Juli 2013, Thailand: Radreise durch Kambodscha Teil 3
Es ist mittags als wir Kampong Cham durchqueren. Wir halten nur kurz. Uns ist es zu staubig, heiß und laut. Die Bundesstraße 7 ist in einem recht guten Zustand. Weit ist es nicht mehr bis in die Hauptstadt, dementsprechend viel ist los. Gut dass wir da nicht hinwollen. Nach 15 Kilometern kommt die Kreuzung und wir radeln auf einer kleineren Straße weiter. Die Sonne knallt erbarmungslos und wir holpern über Straßenarbeiten und radeln im Slalom um Schlaglöcher herum. Ein staubiges Dorf gleicht dem nächsten und erst am späten Nachmittag erreichen wir ruhigere Pfade mit weniger Verkehr und – ich kann mein Glück kaum fassen – Schatten. Ausgewachsene Gummibäume säumen den Wegesrand.
Am Abend fragen wir in einer Pagode nach einem Platz fürs Moskitonetz. Kein Problem. Super. Wir waschen die durchschwitzten Klamotten und bereiten unser Lager vor. In einem Tempel hat man sich angemessen zu kleiden.
Wir schlafen im gleichen Raum wie die Mönche, also kleide ich mich langärmlig und –beinig. Einen Ventilator gibt es nicht.
Ich schwitze fast mehr als tagsüber auf dem Rad. Nachts ziehe ich trotzdem lange Socken an, denn Massen von Mücken und Käfern verirren sich unter unser Moskitonetz und zerstechen mich. Ich tue kaum ein Auge zu.
Schon um 6.30 Uhr gleicht die Luft einem Backofen. Auch nachts ist es nicht wirklich kühler geworden. Wir geben Gas und verlassen uns auf den Fahrtwind. Der hat uns bisher immer geholfen.
Bald erreichen wir das Ende unserer kleinen Straße und müssen auf der Bundesstraße weiterfahren. Wir machen Frühstückspause und ich beobachte den Verkehr.
Am meisten faszinieren mich die Kleinbusse. Die hintere Tür steht offen und Mopeds, Fahrräder, Gemüse und Tiere quellen heraus. Festgezurrt sind sie mit ein paar Tauen.
Obendrauf die Menschen. Angeordnet wie bei Tetris wird jeder Kubikzentimeter Platz ausgenutzt. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden die Passagiere in ihren Positionen ausharren müssen. Ein Mann sitzt sogar auf dem hinten aus dem Auto ragenden Moped drauf.
Ich kann nur hoffen, dass das Gepäck bombenfest verschnürt wurde. Neben den Kleinbussen werden die Straßen von Ponykutschen beherrscht, auf denen ganze Großfamilien Platz finden. Daneben schleichen Ochsenkarren, schwer beladene Fahrräder, Mopeds und Motorräder.
Immer wieder stoßen wir auch auf einen Traktormotor mit Rädern. Nervig sind die LKWs, aber noch schlimmer die VIP Touristenbusse. Die Fahrer haben Zeitdruck und rasen über die Straße. „Platz da! Ich komme!“
Platz Eins des Schlechter-Fahrer Preises geht an die „normalen“ Autofahrer. Diejenigen, die endlich das Geld zusammengespart haben, um vom Moped in einen geräumigen Kleinwagen umzusteigen, sind der Meinung sie haben mit den Fahrzeugpapieren auch die alleinigen Straßennutzungsrechte erworben. Man gibt ja nicht so viel Geld aus, um sich dann hinter den Ochsenkarren oder Reiseradlern einzureihen und brav zu warten, bis der Gegenverkehr vorbei ist.
Nein, da gibt es im Lenker ein klasse Extra: den Straßenleerfeger. Den kenne ich von zu Hause, da wird er allerdings Hupe genannt. Damit hat man im Handumdrehen freie Fahrt. So geht’s: Einsteigen, Motor an, Straßenleerfeger drücken, Gas geben.
Nun kann man getrost andere Verkehrsteilnehmer ignorieren und in der Mitte der Straße mit Höchstgeschwindigkeit davonziehen. Alle anderen werden sich schon in den rettenden Straßengraben stürzen wenn es eng wird. Die Hupe wird nonstop gedrückt und erst losgelassen, wenn das Ziel erreicht und der Motor abgeschaltet wird. Gebremst wird nie. Nicht einmal im Notfall. Sollen halt die anderen bremsen.
Und genau so ist es. Irgendwann fahre ich nur noch im Graben und auf dem Trampelpfad neben der Straße. Die Straße ist ständig „under construction“ und der Verkehr wirbelt Sand auf, sodass mir nur eines bleibt: Augen bis auf zwei mikroskopisch kleine Schlitze zukneifen, Luft anhalten, in die Pedale treten und den Lenker gerade halten. Da bleibe ich gern freiwillig auf dem Trampelpfad.
Völlig entnervt radle ich auf einen Straßenstand zu. Zu meiner Überraschung genießen wir hier eine absolut perfekte Pause. Es gibt ein sauberes Klo mit Wassertonne und Seife, kalte Kokosnuss und Robertos Lieblingseistee. Sogar ein paar Hängematten gibt es! Wir strecken uns aus und holen etwas des verlorenen Schlafes nach. Das tut gut!
Am Nachmittag lässt der Verkehr nach und die Straße ist größtenteils asphaltiert. Wir fahren flott, denn wir wollen am Abend eine Stadt mit Gasthaus erreichen. Das haben wir uns heute verdient. Nach knapp 111 Tageskilometern haben wir es geschafft und nebenbei die gesamt erradelten 11111 Kilometer gefeiert. Später fand ich heraus dass wir auch 1111 Facebookfans hatten.
Leider gibt’s im Gasthaus nicht weniger Mücken und Käfer als unter unserem Mückennetz in der Nacht zuvor. Roberto ist mein Held des Tages, denn er schnappt sich seinen Schuh und macht so einiges Getier platt. Die größte Kakerlake platzt auf und stinkt bestialisch. Wir müssen die Tür öffnen und den Gestank herauszulassen. Bei der Gelegenheit kommen gleich acht weitere Mücken, fünf Käfer und zwei kleinere Kakerlaken rein.
Ich beschließe das Viehzeug zu ignorieren und nun schnellstens etwas Schlaf nachzuholen, was erstaunlich gut funktioniert. In drei Tagen sind wir über 300 Kilometer geradelt. Eine bessere Schlaftablette gibt es nicht.
Am nächsten Morgen gönnen wir uns Reis mit Huhn. Im Restaurant steht eine Kuh. Die taubstumme Tochter des Besitzers scheucht sie genervt hinaus. Wir unterhalten uns mit ihr und sind froh dass jemand unsere kreativen Handzeichen und Mimik versteht, die wir anstatt einer Sprache nutzen.
Wie immer knallt die Sonne. Was ist mit den täglichen Regenschauern passiert, den wir in Kratie genießen durften? Ich dachte wir stecken mitten in der Regenzeit? Die restlichen 108 Kilometer bis Siem Reap teilen wir auf zwei Tage auf. Wir essen viele Wassermelonen und winken wie immer den neugierigen Kindern zu. In der letzten Stunde vor Feierabend erleben wir nahezu perfekte Radelbedingungen: die Straße ist in gutem Zustand, flach, relativ leer und die Sonne versteckt sich hinter ein paar Wolken. Na also!
Am nächsten Tag dauert es nicht lange bis wir die ersten Gasthäuser entdecken. Angkor Wat ist die Hauptanlaufstelle der Kambodschabesucher. 2,06 Millionen Besucher gab es 2012, die meisten davon kamen aus Korea, Vietnam, China, Japan und Thailand. Die Namen der Restaurants und Gasthäuser der Stadt sind in vielen verschiedenen Schriftzeichen geschrieben. Khmer (die kambodschanische Schrift) ist nur selten dabei.
Wir radeln lange durch die Stadt und suchen nach dem perfekten Gasthaus. Am frühen Nachmittag haben wir es gefunden. Im Sam So (Kreuzung zwischen Wat Bo Straße 0164 und Straße 21) checken wir für fünf Nächte ein. Elf Nächte werden es schlussendlich. Kaum sind wir im Zimmer, prasselt auch schon der erste Regen. Fünf Tage sind wir durch Staub und Dreck geradelt und nun soll es regnen? Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wir packen aus, duschen und machen uns direkt auf den Weg zum mexikanischen Restaurant auf das sich Roberto schon seit Wochen freute. Dort trinken wir auch das erste Mal seit Laos Bier. Es kostet genauso viel wie Wasser oder Cola: 0,50 US-$. Die ersten Tage verbringen wir in Siem Reap, lernen wie man im Markt an Gemüse und Obst für normale Preise kommt, dass man bei Regen das Fenster zuzumachen hat, damit es nicht ins Zimmer regnet, wo man relativ günstig Wasser bekommt und welche Restaurants nur Abzocke sind.
Am vierten Tag machen wir uns endlich auf um die Tempelruinen um Angkor Wat zu erkunden. Wir kaufen je ein Dreitagesticket für 40 US-$. Zähneknirschend hole ich den Geldbeutel heraus. Mit dem Geld hätten wir fast eine Woche radeln können.
Doch nach Kambodscha kommt man so bald nicht wieder und wir haben uns beide schon so lange auf die Tempel gefreut.
Die Touristenmassen erschlagen uns. Was hier wohl erst in der Hauptsaison los sein muss! Mit dem Rad kann man das Gelände wirklich gut erkunden.
Wir lassen uns Zeit. Es ist sehr heiß und Roberto fühlt sich nicht gut.
Ein kurzer aber heftiger Schauer verscheucht Fliegen und ein paar Touristen. Zwei kleine Ruinen haben wir ganz für uns.
Am Nachmittag treten wir dennoch den Heimweg an. Roberto fühlt sich schlechter und abends hat er Fieber.
Sam So und seine Familie kümmern sich rührend um Roberto und fragen immer wieder wie es ihm geht.
Ich spiele die Krankenschwester, kaufe Wasser, mache Wadenwickel als das Fieber ansteigt und koche eine Hühnersuppe.
Die Verkäuferinnen auf dem Markt staunen nicht schlecht als die Ausländerin eine rohe Hühnerbrust kauft. Vermutlich fragen sie sich, ob ich wohl weiß, dass man das Huhn garen muss bevor es gegessen werden kann.
Am dritten Tag ist das Fieber vorbei. Roberto traut sich aus dem Bett und wir machen eine kurze und langsame Radtour durch die Stadt bevor wir uns im „Haus Bremen“ (Straße 26 östlich des Flusses) mit einer riesigen Portion Jägerschnitzel stärken.
Unser Dreitagesticket für die Tempelanlage ist nur sieben Tage lang gültig. Verlängern kann man es nicht, auch nicht mit ärztlichem Attest.
Also muss Roberto, der noch immer wackelig auf den Beinen ist, wohl oder übel aufs Rad steigen.
Unterwegs treffen wir Nimrod aus Israel, der sein Eintagesticket komplett nutzen und die große Runde fahren will.
Wir begleiten ihn und haben am Ende 40 Kilometer abgefahren. Für den ersten Tag ohne Fieber keine schlechte Leistung.
An dritten Tag schaffen wir es gerade eben so, die restlichen Highlights zu sehen, die wir uns vorgenommen haben.
Viele Tempelruinen bleiben uns verborgen doch für die, die wir besuchen, lassen wir uns Zeit. In einer Ruine macht Roberto sogar ein Nickerchen auf ein paar Felsen.
Jeden Tag regnet es und wir hoffen, dass es auch so kühl bleibt wenn wir erst einmal wieder auf den Rädern sitzen und gen Westen radeln.
..grossartiger Reisebericht. Falls ihr mal eine Radreise ohne Gepäck machen wollt dann gibts so was hier: https://www.radreise-buchen.de