Mit dem Rad um O’ahu, Hawai’i, Teil 2: Um die Insel in vier Tagen

Cycling all around O'ahu

Es ist nicht immer ganz einfach

English Version: Cycling around O’ahu Part 2

Mit dem Rad um O’ahu, Hawai’i, Teil 2: Um die Insel in vier Tagen

Land: Hawai‘i, USA

Von Ala Wai Hafen, Honolulu bis Sand Island, Honolulu

Draus gelernt: Zum Surfen lernen ist es nie zu spät

Drüber gelacht: Die süßen kuscheligen Albatrossbabys

Schönstes kleines Wunder: Lagerfeuer am Strand

Größte Herausforderung: Roberto bei guter Laune zu behalten

Geradelte Tage: 4

Geradelte Kilometer: 201,87

Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 60,47

Insgesamt bis Sand Island, Honolulu geradelte Kilometer: 19.388

Dies ist Teil 2. Hier geht’s zu Teil 1: Mit dem Rad um O’ahu Teil 1

Wir verbringen eine ruhige und schaukelige Nacht auf dem Deck von Scott’s Segelboot „Symphoon“ und verbringen den folgenden Tag mit Papierkram. Zelten in Hawaii ist kompliziert. Doch oft werden Dinge einfacher, wenn man mit den richtigen Menschen spricht. Dazu besuchen wir sowohl das Büro der Staatscampingplätze, als auch das, der Landescampingplätze. Ich bleibe bei den Rädern und Roberto spricht.

Spending the night on a sailing boat in Honolulu

Ungewöhnlicher Übernachtungsplatz

Nein, auch für uns gibt es keine Ausnahmen. Wir kaufen also eine Eraubnis für den 70 Kilometer entfernten Staatscampingplatz Malaekahana, im Nordosten der Insel. Es ist der letzte Tag bevor der Platz schließt. Statt die gleiche Strecke um die Südspitze der Insel ein drittes Mal zu radeln, beschließen wir, den Pali Highway zu fahren. Knapp 350 Meter geht es bergauf.

The ecosystem changed dramatically up here

Auf der Regenwaldroute

Es gibt viel Verkehr und wir weichen bald auf den 2.8 Kilometer langen Nuuanu Pali Drive ab, der auch als Regenwald-Route bekannt ist. Über uns hängen die sattgrünen Blätter und Baumkronen. Flüsse rauschen tiefer unten an uns vorbei und die Moskitos zerstechen mich sofort. Unten an der Küste gibt es so gut wir gar keine Mücken.

On the rainforest drive in O'ahu

Plötzlich ist das Klima ganz anders

Die Route ist schön, doch bald geht es zurück auf den Pali und durch zwei Tunnel. Der vorherrschende Wind in Oahu kommt von Osten und bläst mit voller Wucht in die Tunnel hinein, Wir sausen so schnell vergab, dass es uns fast aus dem Sattel reißt. Doch bald ist alles geschafft und wir biegen auf ruhige Küstenwege ab. Nun geht es durch kleine Dörfer, vorbei an schmalen Stränden, schaukelnden Fischerbooten und Kokosnusspalmen.

Huli Chicken

Lecker!

Der Wind weht von der Seite und wir haben eine gute Zeit auf den Sätteln. Irgendwie haben wir es verpasst, zu frühstücken oder zu Mittag zu essen und als wir endlich Mike’s Huli Chicken Stand erreichen, bin ich völlig ausgehungert. Die Sonne knallt volle Wucht und das Huhn geht runter wie Butter.

Mike's Huli Chicken

Mike, der Huli-Chicken-Mann

Short stop at a scenic campground on the East Coast

Pause an einem netten Campingplatz. Wir müssen allerdings noch weiter bis zu einem staatlichen Platz.

There are plenty of wild chicken all over O'ahu

Wilde Hühner laufen quer durch O’ahu

Weiter geht es am Strand entlang. Erst abends erreichen wir Malaekahana. Genau rechtzeitig zu einem fetten Regenschauer. 20 Minuten später ist alles wieder trocken und wir setzen uns zu unseren Zeltnachbarn Mark und Angela ans Lagerfeuer. Die beiden bieten uns „S‘mores“ an: Gegrillte Marshmallows, die zusammen mit einem Stück weicher Schokolade zwischen zwei Kekse gelegt werden. Dazu gibt es Bier und Geschichten.

Mark and Angela shared S'mores, beer and their fire with us

Unsere netten Zeltnachbarn Mark und Angela

Nach einem Spaziergang am Strand und einer kalten Dusche (es gibt weder Türen vor den Duschen noch vor den Klos!) machen wir uns auf den Weg. Wieder ist es warm und wieder radeln wir an endlosen Sandstränden vorbei. Nur ein Mal lehnen wir die Räder ans Gebüsch und hüpfen kurz in die Wellen. Hier entdecken wir auch eine Hawaii-Mönchsrobbe, die vom austerben bedroht ist. Schilder am Strand sagen, dass man zwar gucken und fotografieren darf, die Tiere aber sonst in Ruhe lassen soll.

Monk Seals in O'ahu

Mönchsrobben

Sie kommen oft zum Ausruhen an den Strand und viele Touristen denken, sie seien tot oder am sterben und wollen helfen. Wenn die Touristen den Robben aber zu nahe kommen, fühlen diese sich bedroht und ziehen unausgeruht zurück in den Ozean. Lange bleiben wir nicht, denn unser gesamtes Hab und Gut hängt an den Rädern und oft wurde uns gesagt, dass an den Stränden viel gestohlen wird.

Monk seal takes a nap

“Nur noch zehn Minuten” Eine Mönchsrobbe macht Mittagsschlaf.

Am Sunset Beach beginnt ein Radweg, dem wir nun folgen. Irgendwann steht eine junge Frau im Weg. In der einen Hand hält sie einen Sixpack Bier, in der anderen eine Flasche Wein. Omi heißt sie, und grinst uns zu und fragt uns nach unseren Panniers. Wir erklären ihr, wie sie am Gepäckträger befestigt werden und wie praktisch sie zum Radreisen sind. Wir quatschen eine Weile zwischen Radweg und Straße, da lädt sie uns auf ein Bier ein. Sie wohnt genau zwischen Strand und Radweg.

Omi's Terrasse

Omi’s Terrasse

Omis Vermieter Micko, Vater des berühmten Surfers Jamie O’Brian, hat das Haus und den Garten wie ein Hostel eingerichtet. Wir Treffen Omis Freund Tom, Sohn Oshen (9) und Tom’s Schulfreund Larry. Beide haben beim Militär gearbeitet. Tom ist mit 43 Jahren nun in wohlverdienter Rente, Larry muss noch ein paar Jahre weiter arbeiten.

Hawaiian Arts

Kunst im Garten

Vor wenigen Jahren ist Tom nach Hawaii gezogen, wo er Omi kennen lernte und beschloss, surfen zu lernen. Oft wurde er von erfahrenen Surfern ausgelacht, verscheucht und gedisst, doch er war hartnäckig und hat sich nicht klein kriegen lassen. Heute surft er fast jeden Tag und wird immer besser. Als wir ihn treffen kommt er grade klitschnass, barfuß, mit langen blonden Haaren, muskulösem Oberkörper und dem Board unterm Arm heim. Mehr Surfer geht wohl kaum.

View onto the Pipeline Beach

Blick von der Terrasse

Wir trinken ein paar Biere als weitere Mitbewohner und Nachbarn vorbei kommen. Omi grillt Mahi-Mahi Fische, Roberto und ich kaufen ein und bereiten Bratkartoffeln, Salat und Soßen vor. Bald darauf sitzen wir alle auf der Veranda mit bestem Blick aufs Meer. Hier im Norden gibt es im Winter die größten Wellen der Insel und mehrere Surfwettbewerbe werden ausgetragen. Besonders der Sunset Strand, an dem der „Pipeline“ Surfspot liegt (20 Meter Luftlinie von der Terrasse), ist bekannt in der Szene. Doch momentan ist es ruhig genug, um einfach zu plantschen.

Sogar eine Bar gibt es im Garten!

Sogar eine Bar gibt es im Garten!

Oshen und Tom starten ein kleines Lagerfeuer am menschenleeren Strand und wir setzen uns dazu. Es weht ein warmer Wind und zum ersten Mal können wir die Sterne sehen.

Am nächsten Morgen starten wir erst spät. Omi hat ein vorrübergehendes extra Zimmer, in dem wir uns ausgebreitet haben. Wir radeln zum Supermarkt und frühstücken auf einem kleinen schroffen Abhang mit Blick auf Strand und Felsen und Meer.

Abschied von Omi

Abschied von Omi

Wieder geht es an bildschönen Stränden entlang und wieder können wir nur kurz halten und nicht wirklich schwimmen. Heute ist das doppelt schade, denn heute ist es richtig heiß. In Haleiwa machen wir kurz Pause. Mehr Surfer-Flair geht gar nicht. Wir finden’s cool. Nur ein zweites Mal halten wir, um eine riesige Meeresschildkröte zu betrachten, die gerade am Strand ausruht.

Picknick on the sea of Hawai'i

Frühstück am Strand.

Haleiwa on the North Shore of O'ahu

Haleiwa ist die Surfer Stadt

In Haleiwa gibt es auch gute Preise für Surf- und Stand-Up-Paddle Boards

In Haleiwa gibt es auch gute Preise für Surf- und Stand-Up-Paddle Boards

O'ahu's Surfer Capital Haleiwa

O’ahu’s Surfer Capital

In einer Hauseinfahrt steht eine Schubkarre voller Früchten. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich beschließe, nach dem Preis zu fragen. Gleich kommt die Besitzerin auf uns zu. Cynthia hat das Anwesen gekauft, als es als Polofeld fungierte. Doch sie fand eine Obstbaumplantage viel sinnvoller als ein Polofeld und pflanzte also ein paar Bäume. Heute hat sie mehrere Sorten Mangos, Bananen, Avokados, Zitrusfrüchte, Guaven, Kokosnüsse, Riesengrapefuit und Maracuja.

Big sea turtle on the way back into the sea

Eine riesige Meeresschildkröte lässt sich zurük ins Wasser treiben.

Diese muss sie zumindest teilweise verkaufen, um weiterhin Zuschüsse vom Staat zu bekommen. Sie führt uns durch ihre Plantage und wir dürfen unsere eigene Mango aussuchen. Roberto wählt eine große, die laut Cynthia in 2-3 Tagen reif sein sollte. Was wir da noch nicht wissen, ist, dass wir sie quer durch die Insel schleppen würden, nur um sie am Abreisetag – weiterhin unreif – zu verschenken. Die Kokosnuss ist allerdings sehr lecker.

Cynthia gives us a tour around her plantation in O'ahu

Plantagenrundgang mit Cynthia

Die Straße wird schmaler, der Verkehr geringer und irgendwann erreichen wir das Ende der asphaltierten Straße. Für Autos ist es nicht möglich die Insel zu umrunden, doch wandern kann man. Travis und Chelsea sind auch mit dem Mountainbike um den nordwestlichsten Punkt geradelt und versichern uns, dass es zwar holprig, aber machbar sei. Ein paar Mal würden wir die Räder allerdings tragen müssen.

Erst wird die Straße leer ...

Erst wird die Straße leer …

Cycling all around O'ahu

… und dann holprig

Gesagt – getan. Immer wieder schieben wir schon gleich am Anfang, denn die Felsbrocken, die den Weg formen, haben mit Kiesel nichts zu tun. Am Ende der „Straße“ empfängt uns eine Felswand. Durch einen engen Spalt müssen wir all unser Zeug und die Räder hieven, dann geht es weiter.

Trying to cycle around the Northwest of O'ahu

Hier müssen wir all unser Zeug durchquetschen

Hier reißt Robertos Geduldsfaden. Es hatte sich das alles irgendwie anders vorgestellt. Statt mit einem kalten Bier am Strand zu liegen und im kristallklaren Wasser zu plantschen, trampeln wir über staubige Felspfade, schleppen Taschen und quälen uns langsam vorwärts. Den kleinen verstecken Strand auf dem Weg hierher haben wir auch irgendwie verpasst. Als die Felswand hinter uns liegt geht links ein weiterer Felsweg weiter. Parallel dazu liegt neben der Küste ein flacher Sandweg. Der Sandweg führt durchs Vogelbrutgebiet.

Roberto schmollt. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

Roberto schmollt. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

Roberto schmollt und ich habe die Nase voll von Felsen und entscheide mich für den Sandweg. Zunächst habe ich aber noch mehr die Nase voll von Robertos Gemotze und entscheide mich für ein Bad am winzigen Strand unter dem Geröll. Leider ist es so felsig und wellig, dass ich nur bis zur Hüfte ins Wasser kann.

Mit salzig erfrischten Beinen und verschwitztem Gesicht schiebe ich mein Rad in die Doppeltür, die dazu dient, die wilden Tiere drinnen und die Ratten und Mader draußen zu behalten. Der Weg ist in Ordnung. Fest getretener Sand und schön breit.

Zunächst ist der Sandweg super.

Zunächst ist der Sandweg super.

Links führt eine Abzweigung über fette Felsen den Berg hinauf. Nein Danke. Da bleiben wir lieber auf dem Sandweg. Als wir schon glauben, das Schlimmste des Tages hinter uns zu haben, führt der Weg durch tiefen, heißen Sand mit gelegentlichen Felsbrocken die so groß sind, dass wir die Räder hinauf und hinunter tragen müssen. Unsere Füße sinken im Sand ein und die Räder noch viel mehr. Ich schiebe im 45° Winkel und komme trotzdem kaum voran.

Cycling Ka’Ena Point, O'ahu

Bald wird das Schieben immer anstrengender

Roberto flucht immer lauter. Mir reichts. Ich drücke ihm mein Rad in die Hand und erkunde den Weg zu Fuß. So weit ich auch laufe, der Sand bleibt tief. Vor mir liegt ein Leuchtturm und eine andere Wanderin sagte mir, dass sie dort eine Mönchsrobbe gesehen hat, doch ich will Robertos Geduldsfaden nicht weiter auf die Probe stellen und jogge lieber schnell um den Punkt herum und weiter an der Westseite der Insel. Ganz an der Spitze liegt der Ka’Ena Punkt, der nordwestlichste Punkt der Insel.

Spätestens hier geht gar nichts mehr.

Spätestens hier geht gar nichts mehr.

Hier springen die Seelen der verstorbenen Hawaiianer zu ihren Vorfahren in die Welt der Geister. Es ist ein sehr mystischer und wichtiger Ort für die Hawaiianer und ich will nicht respektlos sein. Dann lieber schnell weiter am Punkt vorbei. Im Meer um den Ka’Ena Punkt herum leben neben Mönchsrobben auch viele der hawaiianischen Staatsfische mit dem wunderschönen Namen Humuhumunukunukuapua’a.

Birds around Ka’Ena Point

Albatross-Baby

Die Hawaiianer sagen der Name ist länger als der Fisch. Links und rechts von mir liegt weiterhin Sand mit Büscheln von Gras und Gestrüpp. Von beiden Seiten gucken mir plüschige Bälle nach: Albatrossbabys! Sie wachsen hier auf. Daher der Zaun. Ich trotte ganz leise weiter. Am Ende des Weges ist der Sand genauso tief wie am Anfang. Hier treffe ich wieder auf den holprigen Steinweg von vorhin. Ich jogge zurück. Roberto hat sich mittlerweile mit seinem Schicksal abgefunden und dreht gerne um, um bis zur Kreuzung mit dem Holperweg zurückzuschieben.

Bird Sanctuary around Ka’Ena Point, O'ahu

Fliegender Flauschball

Wir erreichen durch eine weitere Doppeltür die Westseite der Insel. Typischerweise weht der Wind auf O‘ahu von Ost nach West, wobei die Wolken in den Bergen im Zentrum der Insel abregnen. So kommt es, dass die Westküste viel trockener ist, als der Osten. Die felsigen Anhänge sind hoch und rau und bedeckt mit trockenen Gräsern. Die Wellen gehen wie wild und durch einige Blaslöcher kommt uns das Wasser in Fontänen entgegen. Auch an einem natürlichen Felsbogen kommen wir vorbei. Die Natur ist wunderschön, doch wir wissen, dass wir den schwierigsten Teil noch vor uns haben, und können das Ganze nicht so richtig genießen.

Cycling around O'ahu

Wir haben es zur Westküste geschafft!

An der Westseite folgen wir der ehemaligen Zugtrasse. Durch Erdbeben und Erosion schieben wir heute über einen sehr holprigen, aber relativ breiten Weg ohne Schienen. Doch ein Teil des Weges wurde von Meer und Wetter komplett weggespült. Die Straße fällt einfach ins Wasser (viele viele Meter unter uns) und geht kurz darauf weiter, als sei nichts geschehen. Springen können wir so weit nicht, also müssen wir umtragen.

Natural Bridge on O'ahu's West Coast

Eine natürliche Brücke

Vier wandernde Tousristen treffen wir unterwegs. Sie zeigen uns den schmalen Weg um die Lücke herum. Es geht so steil und eng hinauf, dass wir unsgesamt neun Mal laufen müssen und über eine Stunde brauchen, bis wir Räder und Taschen sicher am anderen Ende des Lochs stehen haben.

Wanderer

Wanderer

Nun bleibt uns nicht mehr viel Zeit bis Sonnenuntergang. Wir radeln ungestüm durch Geröll, wo wir sonst eher schieben würden und kommen wenige Minuten vor Sonnenuntergang an der Yokohama Bucht an. Hier haben die anderen vier Touristen gerade ihre Zelte zu Ende aufgebaut. Zwei von ihnen, Tom und Lorin, leben auf Hawai’i und zelten hier nicht zum ersten Mal. „Kein Problem hier!“, versichern sie uns. Also stellen wir unser Zelt dazu und breiten die Picknickdecke neben ihren Stühlen aus.

Camping on the beach in O'ahu

Zelten am Strand

Tom und Lorin haben für alle Burger und Hot Dogs mitgebracht. Wir schmeißen Bohnen, Cynthia’s Minimangos und Brot dazu (das wäre sonst unser einziges Abendessen gewesen) und schlemmen und quatschen. Die Wellen sind wild und nachts wache ich ein paar Mal auf und weiß vor lauter Rauschen nicht so recht ob ich an der Autobahn, im Windsturm oder am Meer bin.

Famous North Shore Shrimps

Die Nordküste ist berühmt für ihre Shrimps – und scheinbar auch Tacos!

Am Morgen ist es heiß. Wir radeln die kleine Hauptstraße entlang, die immer größer und voller wird. Vorbei geht es an einer Highschool. Es muss gerade Abiturszeit sein, denn am Schulzaun hängen Poster mit den Fotos und Namen der Absolventen und „Herzlichen Glückwunsch“ steht dabei. Wir halten und kichern über ein paar der kitschigen Fotos, doch die Idee ist wirklich gut. Manche Bilder sehen aus, als hätte die ganze Familie das Fotoshooting organisiert, mit verschiedenen Outfits, Make Up, am Strand beim Surfen, im Lieblingsauto. Dazu kunterbunter Text in zig Schriftarten. Das gibt den Kids bestimmt viel Ansporn um die Schule abzuschließen.

Herzlichen Glückwunsch!

Herzlichen Glückwunsch!

Die Stände neben uns ziehen sich lang hin, doch überall stehen Schilder dass hier Staatseigentum und der Zutritt streng verboten sei. Genau hinter den Schildern wurden Bänke, Klohäuschen und Parkplätze installiert. So ganz werde ich aus den Gesetzen hier irgendwie nicht schlau.

Die Bilder sind wirklich kreativ!

Die Bilder sind wirklich kreativ!

Der Verkehr wird sehr dicht und die Straße holpriger. Immer wieder treffen wir auf Straßensperrungen und Bauarbeiten. Um den Freeway zu umgehen versuchen wir unser Glück auf kleineren Straßen. Auf der Karte, die Scott uns mitgegeben hat, sah das alles ganz einfach aus, doch in der Realität müssen wir uns an die alten Bahnschienen halten um grob zu wissen, wo wir stecken. Wir irren herum auf der Suche nach der grünen Linie in der Karte, die einen Radweg darstellt.

Surfer Paradies an der Nordküste von O'ahu, Hawai'i

Surfer Paradies an der Nordküste

Eine nette Frau, die ihren Hund spazierenführt, geht mit uns zum Start des Weges. Es geht ums West Loch herum immer an der Petroliumleitung entlang. Anfangs radeln wir auf Asphalt, dann auf Schotter, dann auf Gras, tiefem Sand, Erde, Steinen und Müll. Rechts liegt der See, links hohe Häuser. An den winzigen Balkonen hängen Fahrräder und viele sehr große wasserdichte Taschen. Wie wir nun mittlerweile bemerkt haben, ist das Wohnen in Hawaii sehr teuer. $800 zahlt ein Freund für ein Zimmer in einer 4er WG an der Ostküste. Eine Zwei-Zimmer Wohnung in Honolulu kostet im Durchschnitt $1800.

Huli Chicken

Sehr lecker!

Neuerdings gibt es $7,75 pro Stunde als Mindestlohn. 50 cent mehr als in den meisten Staaten auf dem Festland. Wer einen Job mit Mindestlohn hat, kann die Miete in der Regel nicht bezahlen. Wer aber Obdachlos ist und sein Hab und Gut im Einkaufswagen mit sich herumschiebt, der findet so einfach keinen Job. Und selbst wenn doch – auch mit Nebenjob im Kino und Drittjob als Putzer wird das Miete zahlen sehr sehr eng. Daher ist es nicht ungewöhnlich dass große Familien in Einzimmerwohnungen wohnen. Zwei Etagenbetten im Zimmer, ein weiteres in der Wohnküche. Eine Matratze für die Tante die kurzfristig mit einzieht. Natürlich bleibt dann für Möbel und Hab und Gut nicht mehr viel Platz. Daher hängt das hinten vom Balkon, quasi als extra Schrankplatz. Viele ziehen von Hawaii aufs Festland solange sie noch die Mittel dafür haben.

Freedom Camping in O'ahu isn't easy

Immer voll beladen nervt irgendwann

Wenn es für die Miete nicht reicht, wird es den Obdachlosen nicht leicht gemacht. An den meisten Orten stehen Schilder die das Zelten, Übernachten im Auto, Betteln und Herumhängen verbieten. Wer die Nacht in so manchen Parks oder an Stränden verbringt, muss mit Geld- oder Gefängnisstrafe rechnen. Das gilt besonders für die touristischen Gegenden, in denen die Hotels und Restaurants fürchten, an Besuchern einzubüßen, wenn Obdachlose sich in der Nähe aufhalten. Was tun gegen die Obdachlosigkeit? Es gibt zahlreiche Kampagnen und Ideen. Kurz wurde sogar überlegt mit 1,3 Millionen Dollarn 120 Obdachlosen den Rückflug in ihre heimatlichen Bundesstaaten zu zahlen. Mit dem Rest des Geldes wollte man die Festlandbewohner davon abbringen, nach Hawaii zu ziehen, um dort Obdachlos zu sein. Man entschied sich aber dagegen. Hawaiis erster Eindruck ist und bleibt, einladend zu sein. Und überhaupt hat das mit einer langfristigen Lösung nicht viel zu tun. Das Geld soll trotzdem angelegt werden um das Obdachlosenproblem loszuwerden. Und mit dem Obdachlosenproblem meine ich das Problem – nicht die Menschen.

Bei Omi zu Hause

Bei Omi zu Hause

Wir radeln also immer tiefer in die ärmeren Gegenden der Insel hinein. Wilde Hühner und Katzen kreuzen den Weg und Kindergeschrei dringt von den offenen Fenstern zu uns hinunter. Irgendwann hört der Radweg ganz apprupt vor einem laotischen Tempel auf.

Wir finden unseren Weg bis zum Highway und kämpfen uns dann lange von Baustelle zu Ampel zu Fußweg. Sowohl Wetter als auch Abgase, Straße und Gebäude sind grau und die Stimmung passt sich an. Nach einigen Kilometern taucht links ein Einkaufszentrum auf. Roberto schlägt ein, fragt bei den Sicherheitsmännern nach einen Parkplatz und kauft zwei Kinotickets. Mad Max soll es sein.

Omis Sohn Oshen

Omis Sohn Oshen

Es ist fast dunkel und Regnet leicht, als wir das Einkaufszentrum in Pearl City verlassen. Roberto ist bester Stimmung. Ich fand den Film höchst uninteressant, aber bin froh, dass Roberto jetzt wieder gut gelaunt ist. Wurde auch höchste Zeit. Auf dem Rad fühle ich mich trotzdem ein bisschen wie Furiosa in ihrem Riesen-LKW und gebe ordentlich Gas.

Omi und ich

Omi und ich

Sowohl der Sonnenuntergang als auch das Freitags-Feuerwerk sind längst vorbei, als wir Sand Island erreichen. Sand Island ist eine kleine Insel zwischen der Stadt und dem Flughafen, die im 19. Jahrhundert als Quarantäneinsel für ankommende kranke Passagiere genutzt wurde. Später diente die Insel dem Militär, dann als Heim für Obdachlose. Nun gibt es viel Industrie, da der Honolulu Hafen direkt an die Insel grenzt. Und irgendwo dazwischen liegt der Park, in dem Touristen sowie Einheimische picknicken und zelten können. Wir haben eine Erlaubnis und stellen im Regen unser Zelt zwischen die Anderen.

 

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