Ab nach Australien: Die saubersten Fahrräder der Welt
Land: Malaysia und Australien
Von Bangi nach Melbourne
Draus gelernt: Ein Fahrrad läuft auch wenn ein paar Schrauben fehlen.
Drüber gelacht: „Oh, guck mal, Touristen! Ach nein, die sprechen Englisch weil wir in Australien sind. Die wohnen einfach hier.“
Schönstes kleines Wunder: Deutsche Weihnachtsfeier am GMI,
Gegessen: Lakritz, Kekse, Waffeln, Würstchen und Kartoffelsalat, Stollen, Spekulatius, Lebkuchen und ganz viel Teh Tarik.
Größte Herausforderung: Putzen bis die Arme abfallen
Geradelte Tage: 2
Geradelte Kilometer: 52,32
Insgesamt bis Melbourne geradelte Kilometer: 14464,01
Reisetage von Bremen bis Melbourne: 830
Dezember 2013: Mit dem Rad nach Australien
In Bangi bleiben wir ein paar Tage bei Mirjam im GMI und helfen Apit im Zentrum Kuala Lumpurs mit einer weiteren Modenschau aus.
Tags darauf finden wir uns ein weiteres Mal im hohen Norden wieder. Gemeinsam mit Apit und Sharon vom Fahrradladen in Jitra, planen wir einen Radweg durch die Reisfelder zu realisieren.
Die Wege gibt es schon. Was fehlt sind eine schöne Route, Schilder, Karten und Werbung. Alles weitere wie Infotafeln, Sitzmöglichkeiten, Restaurants und Homestays am Wegesrand, wird sich dann schon ergeben.
Heute starten wir mit der Route. Ein paar aktive Mitglieder vom lokalen Fahrradclub treffen sich mit uns und wir radeln bei perfektem Wetter eine 40 Kilometer lange Tour ab.
Es geht durch jede Menge Reisfelder, an einigen Museen vorbei, Über und unter Eisenbahnschienen und per Seilfähre über einen kleinen Fluss. Die Route ist bildschön und wir freuen uns, nun die nächsten Schritte dieses Projekts in Angriff nehmen zu können.
Wir bleiben einen weiteren Tag in Kepala Batas mit Dila und Apit, dann nehmen wir den Bus zurück nach Bangi. In den letzten Tagen in Bangi bekommen wir Besuch von zu Hause. Sören und Barbara reisen durch Thailand, Malaysia und Australien.
Sie bringen eine Tüte voll Heimat von meinem Vater mit: Leibnitz Kekse, jede Menge Lakritz und Bad Bederkesa Aufkleber für die Räder. Ich bin hin und weg.
Gemeinsam mit Sören und Barbara besuchen wir die von Mirjam organisierte Weihnachtsfeier am GMI. Es gibt Würstchen und Kartoffelsalat, Stollen und Lebkuchen, deutsche Weihnachtsmusik, einen Julklapp und Waffeln. Eine Schülerband spielt Weihnachtslieder und ich kann endlich die Nikolausmütze aufsetzen, die ich seit Melaka dabei habe. Die Schüler sind begeistert, ich bin sicher, sie werden ihr erstes Weihnachten in Deutschland genießen.
Für den Flug nach Australien haben wir viel Arbeit vor uns. Wer sein Rad nach Australien nehmen möchte, hat einiges zu beachten. Australien hat ein extrem sensibles und einzigartiges Ökosystem, das schon durchs mitbringen eines einzigen fremden Samens oder gar einer Tierart durcheinander gebracht werden kann.
Das beste Beispiel ist die Aga-Kröte, die 1935 ganz bewusst eingeführt wurde. Sie sollte die Zuckerrohrkäfer auf den Feldern wegfressen, doch was die Farmer nicht bedachten, war, dass die Kröte zur Käfersaison noch Winterschlaf hält. Stattdessen hat die Riesenkröte es nun auf heimische Eidechsen, Frösche, Schlangen, Schildkröten und Kleinsäuger abgesehen. Sie ist hochgiftig und killt mit ihren Giftdrüsen sogar Krokodile, die sie fressen.
Mehr als 13 Millionen Euro hat die Australische Regierung bereits in die Vernichtung der Art gesteckt – mit kleinen Erfolgen.
Als Konsequenz wird nun bei der Einreise gründlich kontrolliert. Erde, Schmutz, Holz, Tierprodukte, Fleisch, Muscheln und Milchprodukte werden genau unter die Lupe genommen. Einiges wird einbehalten, anderes gesäubert, wieder anderes vernichtet oder zurückgeschickt.
Wir wollen unser Hab und Gut nicht vernichtet sehen, also müssen wir putzen.
Mit Akmal, der an der an der UTM Universität nahe Kuala Lumpur einen Fahrradladen eröffnet hat, nehmen wir unsere Räder auseinander bis nur noch der nackte Rahmen übrig ist.
Dann werden alle Einzelteile geputzt. Mit Benzin, Zahnbürste, Lappen und Fingernägeln geht es dem Dreck an den Kragen. Zweieinhalb Tage schrubben wir, am Ende tragen wir sogar noch Politur auf. Akmal hilft uns, die einzelnen Teile wieder anzubringen.
Er verkauft uns auch eine gebrauchte Felge ohne Risse. „Heute werdet ihr so viel über Fahrräder lernen, dass ihr am Ende nur noch kotzen wollt“, warnt er uns. Wir kotzen nicht. Trotzdem kann ich ein paar Tage lang keine Fahrradteile mehr sehen.
Ein paar Schrauben bleiben übrig, andere fehlen, aber alles in allem laufen die blitzeblanken Räder hinterher sehr gut und wir erarbeiten uns das Selbstbewusstsein, auch alleine Teile abnehmen und wieder anbringen zu können.
Für Zelt, Schuhe und Packtaschen brauchen wir weitere zweieinhalb Tage. Dazu kommt der Inhalt der Taschen. Dürfen wir diese Soße mitnehmen? Wie ist es mit Holzessstäbchen? Gehört Schokolade zu den Milchprodukten? Wir recherchieren lange bis wir endlich startklar sind.
Wir sind traurig und freuen uns. Im August haben wir zum ersten Mal malaysischen Boden betreten. Seitdem haben wir so viele Freundschaften geschlossen und uns die Kultur angeeignet.
An unserem letzten Abend feiern wir vier mit Dila und Apit Adibs Hochzeit. Adib kenne ich auch schon aus Deutschland, das letzte Mal habe ich ihn auf einem Konzert von den Toten Hosen getroffen.
Mit einem flauen Gefühl im Magen fahren wir zum Flughafen. Vor Abfahrt habe ich sicherheitshalber noch 10 Kilo Extra Gepäck draufgebucht. Wir kommen gerade eben so damit hin.
Apit kommt extra zum Flughafen um sich von uns zu verabschieden und ehe wir uns versehen sitzen wir schon in zwei engen Sitzen auf dem Weg nach Melbourne.
Nach der Passkontrolle holen wir unser Gepäck ab, müssen unsere Einreisekarten abgeben und werden befragt. Mein Herz klopft.
„Sind das Mountainbikes?“
„Nein.“
„Okay. Bei Milchprodukten haben Sie ,ja’ angekreuzt.“
„Wir haben Schokolade dabei.“
„Gut. Und Holz lese ich hier“
„Essstäbchen aus Malaysia“
„Sonst irgendwas zu deklarieren?“
„Nein.“
„In Ordnung. Ausgang Nummer drei.“
Das war alles. Wir verlassen den Flughafen und können es kaum glauben. Nichts wurde einbehalten, niemand hat die Sohle unserer Schuhe überprüft und keine vernichteten Schutzbleche. Wir parken vor dem Flughafen und ziehen erstmal unsere Vliesjacken an. Wir öffnen die Fahrradkartons und sind erleichtert dass alles noch heile ist. Nun geht es ans Zusammenbauen.
Wir verbringen fast zwei Stunden vor dem Flughafen, da wir unser Packsystem zum Fliegen komplett über den Haufen geworfen haben und nun nichts wiederfinden. Als alles geschafft ist, spricht ein netter Flughafenangestellter uns an. Er erklärt uns den fahrradfreundlichsten Weg zu unserem Freund Sherlock und nimmt mich darauf kurzerhand mit in die Cafeteria seiner Arbeit, damit ich unsere Wasserflaschen füllen kann.
Wir machen uns auf den Weg. 24 Kilometer sind es. Der Kulturschock könnte größer kaum sein.
Normalerweise überfahren wir eine Landesgrenze und befinden uns danach in einer Gegend voll gemischter Kulturen, in der man Essen aus beiden Ländern bekommt und beide Sprachen hört. Ein paar Tage fahren wir dann durch ländliche Gegenden, bis wir eine Stadt erreichen. Bis dahin haben wir uns an die Währung, Kultur und Sprache einigermaßen gewöhnen können.
Nun ist alles anders. Schlagartig verschwindet die eine Kultur.
Einiges werde ich nicht vermissen. Dazu gehören ewig nasse Badezimmer in denen man sich die Hosen hochkrempeln muss, Schwimmen in voller Montur statt Badehose oder Bikini, Rezeptionisten und Kellner, die sich während der Arbeit die Zehnägel knipsen und ihre Pickel ausdrücken, Fleisch das zu mindestens 40% aus Knochen, Knorpeln, Eingeweiden und Sehnen besteht, und die ewigen Essensreste, Insekten und Haare in fast jedem Getränk.
Doch mit dem Flug ist es auch abrupt vorbei mit wilden Affen, warmen Nächten, frischen exotischen Früchten, Teh Tarik, günstigen Straßenständen und 5 € Hotels.
Alle um uns herum sprechen nun Englisch. Das verwirrt mich völlig. Ich bilde mir tagelang ein, deutsche Worte aus ihren Unterhaltungen herauszuhören. Dazu sehen wir weiße Menschen in jeder Straße. Das sind keine Touristen, die wohnen hier. Manche tragen tief ausgeschnittene Oberteile, andere küssen sich in der Öffentlichkeit. Alles verwirrt mich.
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