Mit dem Rad durch Malaysia Teil 2: Zum Glück verfahren

Radlerklönschnack

Radlerklönschnack

Land: Malaysia

Von Kampung Dew nach Klang

Draus gelernt: Nummerierung der Straßen macht nicht immer Sinn in Malaysia

Drüber gelacht: Sinnlose Unterhaltungen während der Fahrt

Schönstens kleines Wunder: Die Upin und Ipin Dörfer

Gegessen: Meeresfrüchte und gebratener Reis

Größte Herausforderung: Den vielen toten Tieren am Straßenrand auszuweichen

Geradelte Tage: 3

Geradelte Kilometer: 259,37

Insgesamt bis Klang geradelte Kilometer: 13413,68

Reisetage von Bremen bis Klang: 769

 Mit dem Rad durch Malaysia Teil 2

Wir winken unserem neuen Freund Beto lange hinterher. Es wäre toll, noch ein paar Tage mit ihm weiterzuradeln, doch er will in den Norden und wir wollen in den Süden. So verabschieden wir uns nach dem Frühstück. Beto radelt zum dritten Mal die gleichen 30 Kilometer und wir machen uns auf den Weg in den Süden.

Und Tschüß Beto! Weiter gehts zu zweit.

Und Tschüß Beto! Weiter gehts zu zweit.

Da wir ohne GPS fahren, suche ich gewöhnlich online nach einer netten Strecke und schreibe mir eine Wegbeschreibung auf. Vor der Fahrt hatten wir aber noch keine Karte, also konnte ich die Straßennamen und –nummern nicht mit denen in der Karte vergleichen. Die beiden stimmen nicht gerade überein. Laut Karte müssen wir rechts auf die 103 abbiegen und später auf die 101 und laut Wegbeschreibung auf die 60 und später auf die 103. Möglichkeiten, um rechts abzubiegen gibt es genug, aber kein Schild zeigt in Richtung 60, 101 oder 103. Während ich so genauer auf die Schilder achte, fällt mir auf, dass kaum welche davon Sinn machen. Unsere, die 1, heißt plötzlich anders, dann aber doch wieder 1 und an einer Kreuzung stehen zwei Schilder direkt hintereinander, die in die gleiche Stadt und auf die gleiche Straßennummer zeigen, allerdings einmal nach links und einmal geradeaus.

Unser kleiner Freund Putra ist der zweitgrößte Fan von Upin und Ipin - gleich nach Roberto

Unser kleiner Freund Putra ist der zweitgrößte Fan von Upin und Ipin – gleich nach Roberto

Irgendwie schaffen wir es, unsere Kreuzung zu verpassen und radeln stattdessen stramm einen kleinen Berg hinauf. Erst ärgere ich mich über diesen dummen Fehler, doch bald verfliegt aller Ärger, denn wir landen auf einer schmalen und ruhigen leicht hügligen Straße auf der kaum etwas los ist. Zu beiden Seiten stehen hübsche farbenfrohe Häuser mit gepflegten Gärten und lachende Kinder spielen im Gras. Roberto zeigt immer wieder auf die Häuser und ruft: „Guck mal, genau wie bei Upin und Ipin!“. Upin und Ipin ist wohl Malaysias bekannteste Trickserie, bei der es um zwei Zwillinge und ihre Schulfreunde geht, die auf dem Land in Malaysia aufwachsen.

httpv://www.youtube.com/watch?v=ceVV-int6fc

Eine nette Familie bietet uns an, im Garten das Zelt aufzustellen. Es duftet nach feuchtem, frisch gemähtem Gras und zu unserem großen Glück sind sogar die erwachsenen Kinder zu Hause, denn ein muslimischer Feiertag steht vor der Tür. Jenny, die älteste Tochter, ist ein großer Fan von Outoor Aktivitäten und wäre am liebsten gleich mit uns mitgeradelt.

Das weiche Gras ist gemütlicher als jede Matratze

Das weiche Gras ist gemütlicher als jede Matratze

Die Familie lädt uns zu Kaffee, Keksen und am nächsten Morgen sogar zum Frühstück ein, dann geht es weiter. Es folgen unzählige andere Upin und Ipin Dörfer, bevor wir eine Kreuzung erreichen. Wir sind ein bisschen verloren und fragen eine Verkäuferin und ihren Kollegen nach Hilfe. Nachdem die beiden einige Minuten lang diskutiert haben, welcher Weg für uns wohl der Beste sei, geben sie uns eine recht komplizierte Wegbeschreibung. Wir beschließen, unser Glück zu versuchen und bereuen diese Entscheidung nicht einem Moment lang. Von nun an sind wir fast allein auf der Straße.

Gemütliches Radeln in Malaysia

Gemütliches Radeln in Malaysia

Links von uns die Palmölplantagen, rechts ein weiter Kanal und dazwischen eine gut asphaltierte Straße fast ohne Verkehr. Wir haben Rückenwind und genießen die Fahrt in vollen Zügen – bis wir Hunger bekommen. Das ist der große Vorteil am Stadtverkehr und stark besiedelten Straßen: überall gibt es Essen und Wasser. Nach einer Weile finden wir trotzdem ein winziges Restaurant am Straßenrand und stopfen so viel gebratenen Reis in uns hinein, wie wir schaufeln können.

Straßenrestaurant in Malaysia

Sieht nicht nach viel aus, aber diese Art von Straßenrestaurants bieten günstiges und sehr leckeres Essen an.

Bei Sonnenuntergang erreichen wir Sabak und halten dort wieder an einem Restaurant, um nach Zeltmöglichkeiten zu fragen. Zainal Abidin, der Besitzer des Parkplatzes und des anliegenden Hauses, beschließt spontan, uns in seinem extra-Zimmer schlafen zu lassen und mit uns sei Englisch zu üben, während wir unsere mickrigen Malaysisch Kenntnisse auffrischen.

Zum Frühstück lädt Zainal Abidin uns sogar ins Haus ein

Zum Frühstück lädt Zainal Abidin uns sogar ins Haus ein

Unser Gastgeber lädt uns sogar noch zum Frühstück ins Haus ein und lässt uns nicht gehen, bevor wir ihm versprechen, dass wir auf jeden Fall wieder kommen, wenn wir wieder mal in der Nähe sind.

Und schon beradeln wir den nächsten Bundesstaat: Selangor. Die Motorradspur und jegliche Form von Seitenstreifen verschwinden sofort spurlos und wie aus dem nichts ist die Straße urplötzlich gesäumt von plattgefahrenen Tieren. Ich zähle jede Menge Katzen und große Schlangen, noch mehr Hunde, einige Warane, Riesenratten und sogar eine tote Kuh.

Wir zeigen Zainal Abidin die Fotos von zu Hause und spontan gibt er uns zum Abschied ein Foto von sich mit. Das steckt nun in unserem Fotoalbum.

Wir zeigen Zainal Abidin die Fotos von zu Hause und spontan gibt er uns zum Abschied ein Foto von sich mit. Das steckt nun in unserem Fotoalbum.

Ich versuche, um sie herum zu fahren, doch der starke Verkehr und die Größe der Tiere machen mir das Leben schwer. Fahre ich rechts um die Kadaver herum, so werde ich mit größter Wahrscheinlichkeit von einem der Autos angefahren. Fahre ich links herum, so lande ich sofort im Straßengraben. Bremse ich, so riskiere ich einen Auffahrunfall mit Roberto, der eng hinter mir fährt, um den Autoverkehr zu verringern.

Ich fahre hochkonzentriert und stiere nur auf die Straße vor mir, bis in meinem Augenwinkel ein Mopedfahrer erscheint, der mitten durch ein Feld düst. Juhu, da muss eine kleine Kanalstraé sein! Wir biegen willkürlich in die nächste Seitenstraße und – voila – da ist sie, eine lang gezogene, schmale Kanalstraße zwischen den Feldern. Verkehr ist gleich Null.

Na also! Auf der Nebenstraße fährt es sich gleich viel gemütlicher.

Na also! Auf der Nebenstraße fährt es sich gleich viel gemütlicher.

Wir verbringen den ganzen Nachmittag auf der Kanalstraße und genießen es, nebeneinander fahren und uns unterhalten zu können. Meistens fahren wir nämlich hintereinander her und dann klingen unsere Unterhaltungen in etwa so:

„Vorsicht, Loch!“

„Was?“

„Da kommt ein großes Loch in der Straße!“

„Waaas?“ (fährt direkt durchs Loch) „Mist!“

“Was?”

“Nichts, nur ein blödes Loch. Was hast du gesagt?“

„Waaaaas? … Ach egal.”

“Was?”

“ICH HATTE GESAGT DASS DA VORN EIN GROSSES LOCH IN DER STRASSE IST ABER DAS IST JETZT AUCH WURSCHT DENN DA BIST DU SCHON LÄNGST DRAN VORBEIGEFAHREN!“ (brüllt aus voller Kehle dass sich die Fußgänger verdutzt umsehen)

„Ein großes was?“

„LOOOOOOOOOOOOOCH!!!!!!“

„Wo?“

Robertos Sumo-Hupe

Robertos Sumo-Hupe

Daher unterhalten wir uns beim Radeln nicht sonderlich viel. Stattdessen haben wir eine Zeichensprach entwickelt mit der wir „Guck mal da drüben, wie schön“, „Wir müssen hier links abbiegen / rechts abbiegen / geradeaus weiterfahren“, und Zahlen (wie viele Kilometer noch bis zur Pause?) anzeigen können. Für „ich muss dringend halten“ klingle ich lange und Roberto quetscht seine Sumo-Ringer-Hupe. Löcher, Glas, tote Tiere, Steinbrocken und Bäume auf der Fahrbahn heißen alle „Aguas“ („Vorsicht“ in mexikanischem Spanisch).

Unterwegs treffen wir Kinder, die den Feiertag zum Baden ausnutzen

Unterwegs treffen wir Kinder, die den Feiertag zum Baden ausnutzen

Nun, da wir Seite an Seite fahren können, kommt ein ganz anderes Fahrgefühl auf, eher wie bei einer sonntäglichen Radtour mit anschließendem Picknick. Wir fahren gemütlich, lachen viel und genießen es, uns einfach miteinander unterhalten zu können.

In Kuala Selangor ist der Spaß dann vorbei. Die Kanalstraße verläuft sich und wir müssen auf der Hauptstraße weiterfahren. Ziemlich platt kommen wir abends in Klang an. Dank eines muslimischen Feiertages sind alle Hotels, Homestays und Gasthäuser teurer als sonst. Schlafen müssen wir dennoch irgendwo und eine heiße Dusche haben wir uns wirklich verdient. Wir finden ein Hotel mit einem freien Zimmer und lassen es uns gut gehen. Nachdem ich 18 und Roberto 21 Mücken um die Ecke gebracht haben, nehmen die weiteren 29887 Mücken das als Zeichen zur Warnung und kommen erst aus ihren Verstecken, als wir das Licht ausmachen.

 

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