Im Radwegdschungel: Von Vancouver durch Washington nach Portland

Portland bicycle mural

Portland gefällt mir von Anfang an. 

 

Im Radwegdschungel: Von Vancouver durch Washington nach Portland

Land: Kanada

Von Vancouver bis Portland

Draus gelernt: USA ohne Smartphone ist fast unmöglich

Drüber gelacht: Ein Troll in Seattle

Schönstes kleines Wunder: So viele bekannte Gesichter!

Größte Herausforderung: Ericas Haus zu finden

Geradelte Tage: 3 ganze und 2 halbe

Geradelte Kilometer: 402

Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 100,5

Insgesamt bis Portland geradelte Kilometer: 23.558

Letzten Blog verpasst? Hier kommt er: Die letzten Wochen in Kanada: Mit dem Rad nach Vancouver

Blog in English: Cycling Washington State from Vancouver to Portland

Vancouver gefällt uns sehr gut, es ist ein bisschen wie eine Mischung aus einer westeuropäischen Hauptstadt und Melbourne, nur mit mehr Hotdogs, Sushi und Mikrobrauereien. Überhaupt verwöhnen uns Joanna, Kenji und Yoshi mit allerlei Köstlichem.

Joanna, Kin, Kenji and Yoshi

Heute gibt es hausgemachte Chile Rellenos

Robertos Cousin Arturo schreibt uns. Er ist bald geschäftlich in Everett, nördlich von Seattle und will uns ein Abendessen und eine Nacht im Hotel spendieren. Da wir es mit dem Rad zeitlich nicht schaffen, schieben wir wenige Tage später im Morgengrauen die Räder in den Zug. Die Grenzformalitäten werden noch am Bahnhof erledigt und man heißt uns wieder besonders herzlich Wilkommen. Wir haben wirklich ein riesiges Glück mit den Grenzbeamten auf unserer Reise. Doch ich glaube nicht dass jemals irgendwer unsere verrückte Geschichte an der Turkmenisch-Usbekischen Grenze toppen kann.

Arturo Ricci

Leckeres Abendessen, eine super Aussicht und vor allem endlich mal wieder mit Robertos Cousin Arturo quatschen

In Everett steigen wir aus und radeln durch bis Mulkiteo. Nun müssen wir uns wohl wieder an Meilen, Gallonen, Fahrenheit, Pfund und „Hey Folks“ gewöhnen. Die Leute sind sehr nett und hilfsbereit und wir finden den Weg ziemlich leicht. Arturo haben wir 2011 in Deutschland das letzte Mal gesehen. Mittlerweile wohnen er, seine Frau Dariela und der kleine Bernie in Atlanta, aber beruflich ist Arturo regelmäßig kreuz und quer durch die USA und manchmal auch durch die Welt unterwegs.

Seattle, the home of Boeing

Seattle, wo Boeing zu Hause ist

Früh morgens muss Arturo schon wieder weiter arbeiten, die Zeit vergeht einfach immer viel zu schnell. Wir setzen uns auf die Räder und radeln gen Süden. Der Interurban North Radweg und jede Menge andere Radspuren und Warnschilder auf der Straße verblüffen uns. So viel Acht hat auf Radler schon lange niemand mehr gegeben. In einer so fahrradfreundlichen Stadt ist natürlich auch viel Radverkehr unterwegs und alles läuft überraschend glatt. Wir sehen keine Fahrradrowdies, sondern viele junge Menschen mit Helm und Reflektoren.

Arrival at Eda's

Angekommen bei Eda (ihr Foto)

Bald stehen wir bei Eda vor der Haustür. Einige von euch Lesern die von Anfang an dabei waren, werden sich an Eda aus der Türkei erinnern. Sie wohnte 2011 mit ihrem damaligen Freund Emir in Fethiye. Die beiden haben gemeinsam ein Hotel eröffnet und den Winter über haben wir – gegen Kost und Logis – den beiden als gratis Arbeitskraft bereit gestanden, Palmen gestutzt, Steine geschleppt, Felder gepflügt, Tiere und Menschen gefüttert, den bissigen Hengst gezähmt, Türen und Fenster geschmirgelt und nebenher gekellnert.

Eda and her boyfriend Sam showed us around Seattle

Spaziergang mit Eda und Sam (Edas Foto)

Eda ist Staatsbürgerin der USA und wohnt nun wieder in Seattle, wo sie auch einen Großteil ihrer Jugend verbracht hat. Vor fast einem Jahr hat sie Sam kennen gelernt, einen Naturheilkundler der gerade seine erste Praxis eröffnet hat.

Lenin Statue in Seattle

Eine Lenin Statue mitten in Seattle

Die beiden wohnen nun in einer gemütlichen Wohnung im Herzen des Stadtviertels Ballard, das für Bars, Cafés und Kunst bekannt ist, früher aber ein kleines Fischerdorf außerhalb der Stadtgrenze war (erinnert mich an den Bremer Schnoor).

Sam and Eda

Sam und Eda

Eda und ich fallen einander in die Arme und es fühlt sich an, als hätten wir uns erst gestern das letzte Mal gesehen, dabei haben wir beide viel zu unregelmäßig Kontakt gehalten. Eda und Sam zeigen uns sofort die drei kuriosesten Sehenswürdigkeiten im Norden der Stadt: den Troll (eine sehr große Trollstatue unter einer Brücke), Lenin (eine Lenin Statue, von der keiner so recht weiß warum sie da noch steht) und das Up-Haus.

Up House Seattle

Das Oben-Haus von Seattle

Wie im Film „Oben“ stand hier ein Haus für die Baut eines Einkaufszentrums im Weg. Die Besitzerin weigerte sich standhaft, ihr Haus aufzugeben, so musste das neue Zentrum wohl oder übel um ihr kleines Häuschen herum gebaut werden. Passanten und Touristen hängen gerne Luftballons an den Gartenzaun.

Seattle Troll

Der Troll von Seattle

Wir quatschen die halbe Nacht und den ganzen nächsten Tag. Eda zaubert uns ein extrem leckeres Abendessen sogar mit meinem absoluten türkischen Favorit: Vegetarische Çiğ Köfte.

Eda cooks a delicious dinner

Eda kocht uns allen ein leckeres Abendessen

Erinnert ihr euch noch an unsere Songkran Freunde aus Nong Khai, Thailand? Unter anderem waren das Ben und Tara aus Olympia. Wir haben mit den beiden Kontakt gehalten und mittlerweile wohnen sie ebenfalls in Seattle!

Ben's comfy deck

Auf Bens und Taras Terrasse

Tara, Ben and Roberto

Tara, Ben und Roberto

Einen Besuch bei den beiden lassen wir uns natürlich nicht nehmen. Ben und Tara freuen sich riesig und wieder gibt es viele feste Umarmungen. Wir spazieren zum Gas Works Park, von wo aus wir den Sonnenuntergang und die Skyline der Stadt betrachten können. Zurück zu Hause spielen wir das wohl komplizierteste Brettspiel das es gibt.

Gas Works Seattle View

Guck mal hier! Guck mal da!

Seattle Skyline with a sailing boat

So ein schöner Blick!

Einer der Mitbewohner ist ein riesiger Brettspiele Fan und entwirft sogar seine eigenen Spiele. Er berät uns am Ende so gut, dass er – als einziger der das Spiel von Anfang an verstanden hat – nur den dritten Platz macht.

Playing the world's most complicated board game

Kaum ist das Spiel vorbei, vergesse ich auch schon wieder alle Regeln. Aber Spaß hat es trotzdem gemacht.

Am nächsten Tag radeln wir nach Downtown. So viele Radwege wollen schließlich befahren werden. Edas Freund Will ist DJ beim Radiosender KEXP und gibt uns eine private Tour durchs Radiostudio, wo wir im Archiv die CD von Kenji’s Band Bear Mountain entdecken.

Bear Mountain!

Bear Mountain!

Radio Tour with none other than DJ Chili

Radio Tour mit DJ Chili höchstpersönlich

Das Wetter ist bombastisch und wir bleiben noch ein bisschen bei Eda und Sam bevor wir schlussendlich Seattle den Rücken kehren. Oder besser gesagt, es versuchen. Wir sind keine 10 Kilometer unterwegs, da wissen wir schon nicht mehr weiter und fragen wir einen Polizisten auf dem Fahrrad nach dem Weg zum Interurban Fahrradweg. Der Fahrradstreife-Officer und sein Kollege durchsuchen das Auto nach Fahrradkarten und schlussendlich radelt einer los und findet uns welche. Die beiden nehmen sich jede Menge Zeit um uns den Weg genaustens zu erklären und am Ende bringen weitere Kollegen weitere Karten und nach 20 Minuten sind wir bis zur Staatsgrenze perfekt vorbereitet.

Seattle at night

Seattle bei Nacht

Wir finden uns auch wirklich gut zurecht und fahren gut 50 Kilometer lang fast keinen Meter auf der Fahrbahn. Dann treffen wir auf Mike, der auf seinem Rennrad in Richtung Süd unterwegs ist. Er bietet uns an, ihm zu folgen wenn wir die verkehrsärmste Strecke fahren wollen. Das nehmen wir natürlich gerne an. Eine geführte Radtour von einem lokalen Radler, besser geht’s ja kaum. Links, rechts, rauf, runter, wir verlieren in Null Komma Nix die Orientierung. Mike fährt durchschnittlich 23 km/h und ich keuche nicht schlecht um Schritt zu halten.

Great support by local cyclist Mike

Auf die anderen Radler ist eben immer Verlass

Irgendwann fahren wir allein weiter. Die Stadt und ihre Vororte scheinen kein Ende zu nehmen. Wir radeln durch ein etwas schwieriges Stadtviertel, aber auch dort sind die Leute nett und hilfsbereit. Trotzdem, hier ist nicht der richtige Ort um mit Landkarte und Kamera zu winken.

Pike Place Market in Seattle

Seattles Pike Place Market

96 Kilometer vergehen, bevor wir endlich aus der Stadt raus sind. Nun aber schnell weiter. Es ist schon dunkel als wir endlich vor dem richtigen Tor stehen. Wir sind 20 Minuten zu spät, denn laut Karte liegt das Haus im Ort. Den Code haben wir. Es piept laut und das Tor öffnet sich. Und was dahinter liegt ist ein halbes Dorf. Ich dachte das Tor führt nur zu einem Haus!

Typical Washington Countryside house

Typisches Washington Bauernhaus. Ich finde die Form des Daches sehr hübsch.

Wir halten also jedes Auto an und fragen nach unserer warmshowers Gastgeberin Erica, doch niemand kennt sie. Und selbst wenn, man will uns nicht weiterhelfen. Es gibt einen Grund, warum diese Leute sich hinter einem großen Zaun mit Tor und Code verschanzen. Erica hat unsere Nummer, aber wir haben ihre nicht. Nach einer guten Stunde erfahren wir die Hausnummer, doch es ist niemand zu Hause.

At the beach with Eda (her picture)

Mit Eda am Strand (Edas Foto)

Wir klingeln und warten weitere 20 Minuten, dann geben wir auf. Mittlerweile ist es nach 21 Uhr, wir sind nun zwei Stunden zu spät und es ist sehr kalt und stockduster. Die Straße ist selbst mit gutem Licht nachts zu gefährlich. Wohin nun? Schlussendlich treffen wir doch noch auf einen Nachbarn, der Erica anruft.

Actual records in a radio station

Im Radiosender gibt es tatsächlich noch Schallplatten. Und auf enigen kleben kleine Zettelchen von den damaligen DJs. Lustig was die so über die erste CD einer heutzutage großen Band dachten.

Warum wir uns denn nicht gemeldet hätten, fragt sie. Tja, wir hatten ihre Nummer nicht und keiner der Nachbarn hatte freies Wlan. Erica findet das völlig verrückt, dass wir unser Handy nur zum telefonieren, sms schreiben, Wecker stellen, als Lampe und für Solitär nutzen können. Es wird uns schnell klar, dass in den USA ohne Smartphone nicht viel geht.

Taco Truck in Seattle

Robertos erster richtiger Tacostand mit Soßen und echten mexikanischen Köchen und allem drum und dran. “Jetzt ists nicht mehr weit bis zu Hause!” freut er sich.

Schlussendlich dürfen wir das Zelt aufstellen, dann schließt Erica die Tür ab. Zum Glück konnte ich vorher nochmal schnell aufs Klo.

Erica ist früh auf den Beinen und auf dem Weg zur Arbeit. Wir quatschen uns bei einem Tee mit Mitbewohner Rainer aus Berlin fest, der seit er 15 ist in den USA lebt und ein Reisenarr wie wir ist. Ein bisschen quatschen wir noch, dann ziehen wir weiter.

Following the StP arrows

Immer den StP Pfeilen nach

Ein Mal im Jahr gibt es ein Fahrradrennen von Seattle nach Portland und die Wegweiser werden auf die Straße gesprüht. Viele davon sind noch sichtbar und wir folgen ihnen einfach. Der Weg führt uns durch Felder und Weiden, an schönen Bauernhöfen und Scheunen vorbei und durch Dörfer. Die Sonne scheint und wir genießen den Tag. Abends sind wir mal wieder Schlafplatzlos und stellen kurz nach Sonnenuntergang einfach das Zelt in der hintersten Ecke des BMX-Parks auf.

Vader, Washington, USA

Leider gibt es in Vader keine Star Wars Statuen.

Der letzte Tag führt uns nach von Washington nach Oregon und dann immer geradeaus nach Portland. 353 Kilometer in 3 Tagen. Auf dem StP (Seattle to Portland) Rennen reißen die Radler das alles in einem Tag runter.

Wir sind völlig beeindruckt von den Massen an Fahrradfahrern. Die Räder sind alle verkehrstüchtig, die Radler tragen Helme und man gibt aufeinander Acht, auch wenn ein Fahrradweg in beide Richtungen befahrbar und zudem voller Fußgänger und Skateboarder ist. Davon können wir Deutschen uns manchmal noch eine Scheibe abschneiden.

Portland bicycle mural

Portland gefällt mir von Anfang an.

Die Menge an Fahrradwegen und fahrradfreundlichen Straßen ist dementsprechend enorm. Und die Autofahrer sind wirklich rücksichtsvoll. Wir radeln quer durch die Stadt von Nordwest nach Südost, wo wir bei Tyler und Carolyn übernachten. Die beiden kennen wir übers Internet schon seit Jahren, haben sie aber vorher nie persönlich getroffen. Die beiden sind Gründer von der großartigen Radreisewebseite Two Wheel Travel“.  

At Tyler's and Carolyn's

Bei Tyler und Carolyn

Die beiden sind selbst viel in Osteuropa und dem mittleren Osten getourt und vom ersten Moment an verstehen wir uns blendend. Carolyn kocht so lecker dass wir uns allabendlich kurz vorm Platzen wiederfinden.

In Portland gibt es viel zu tun uns zu sehen. Wir futtern uns durch die Essensstände der Stadt, radeln über verschiedene Brücken, jagen Schnäppchen beim REI Garagenverkauf, schicken mal eben 10 Kilos an Zeug nach Tijuana und bringen die Räder komplett auf Vordermann.

Roberto and his significant other

Roberto und seine bessere Hälfte

Am Sonntag nehmen wir die Räder mit in die Straßenbahn, um nach Aloha zu fahren, wo Selina mit ihrer Mutter Jeanny und deren Mann Brian wohnt. Die drei sind alte Familienfreunde von Roberto und wir trinken drei Flaschen Wein und quatschen bis weit nach Mitternacht.

Give Peace a Chance

Portland Stadtzentrum

Zurück in Portland bereiten wir uns auf die weitere Reise vor: Zur Pazifikküste und dann immer gen Süden bis nach Tijuana.

Wie es weiter geht? Oregon Küste per Fahrrad: Von Walen, Wind und Dünen

 

 

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  3. Hartmut says:

    Hallo Annika,

    Eine Lenin Statue mitten in Seattle.

    Ich würd gern wissen, wie es dazu kam, das sie dort steht.

    Weißt Du näheres darüber ?

    Grüße Hartmut

    • Hallo Hartmut,
      mir wurder das folgendermaßen erklärt: ein Englischlehrer aus der Nähe hat die damals gekauft und in die USA verschifft. Die Statue wurde zum Materialpreis (Bronze) verkauft, aber der Lehrer sagte, es sei Kunst, und daher schön. Warum die Stadt zugestimmt hat, die Statue aufzustellen weiß ich auch nicht.
      Aber man sagt die Statue passt gut in den Stadtteil Fremont, sagt man, da Fremont ein Stadtteil voller Kunst und Kpnstler und verschiedener Meinubgen und Auffassungen sei. Jedenfalls ist es interessant, solch eine Statue mitten in Seattle zu entdecken!
      Vile Grüße aus Tijuana,
      Annika

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