Wind, Wüste und Salzwolke– Baja California mit dem Fahrrad Teil 2
Land: Mexiko
Von Ensenada bis San Felipe
Draus gelernt: Auch Rückenwind ist bei extremen Ausmaßen anstrengend
Drüber gelacht: Fahrradshorts die wie Windeln aussehen
Schönstes kleines Wunder: Wattwandern in Mexiko
Gesichtete Tiere: Kolibri, Hörnchen, Kaninchen, Geier, Schlange
Geradelte Tage: 3,5
Geradelte Kilometer: 273
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 78
Insgesamt geradelte Kilometer: 26.288
Letzten Blog verpasst? Hier kommt er: Eispause und Sonnenbrand – Baja California mit dem Fahrrad Teil 1
Blog in English: Desert, wind and a salt cloud – Baja by bicycle part 2
Es ist zwölf Uhr Mittags als wir Highway 3 erreichen und Ensenada hinter uns lassen. Bis hier kannte ich mich noch aus. Alles was nun kommt ist für uns beide Neuland. Das Höhenprofil verspricht nichts Gutes: es geht den ganzen Tag stramm bergauf.
Ich bin vorbereitet. Die gefütterte Fahrradshorts, die ich mir in den letzten Jahren abgewöhnt hatte, hilft ein wenig, den ungewohnten Sattel erträglicher zu machen. Dass ich darin aussehe wie ein Baby in Windeln ist mir herzlich egal. Habe ja noch eine Hose drüber.
Wir schwitzen ordentlich. Ziemlich schnell liegt die letzte Tankstelle hinter uns, dann das letzte Farmhaus und schlussendlich finden wir uns zwischen Felsen und Gestrüpp wieder. Die Autofahrer sind rücksichtsvoll.
Fast alle warten auf eine gerade Strecke bevor sie uns überholen. Ein Auto fährt eine Weile langsam neben Roberto. Ich drehe mich nach hinten zu ihm um.
Alles was ich sehe, ist wie eine kleine Hand aus dem Fenster ragt und wie Roberto verdutzt zu ebendieser Hand guckt. Das Auto fährt weiter, Roberto hält an.
„Ein kleiner Junge hat mir das hier gegeben“, sagt er und reicht mir eine Empanada. Einfach so.
Wir radeln ein paar hundert Meter weiter bis wir einen sichern Platz zum Halten finden, dann wird die fettige Empanada erstmal verzehrt. Sehr lecker.
Es geht an ein paar schicken Villen samt Weinberg vorbei, aber sonst gibt es nicht viel zu sehen.
Wir halten beim erstbesten Tante-Emma Laden „El Crucero“, wo wir zu Mittag essen. Hier beginnt die alte Wein- und Käseroute.
Doch diese kulturell und kulinarisch interessante Schotterpiste verschieben wir auf einandermal. Wie immer quatschen wir mit einigen der anderen Kunden. Einer von diesen schenkt uns drei gekochte Eier von seinen Kampfhennen.
Wir schaffen es bis Ojos Negros und beschließen dass nun nach gut 50 Kilometern bergauf auch langsam Schluss ist. Ojos Negros ist ein kleines Dorf abseits des Highways, das bekannt für seinen Käse ist. An der Polizeistation schickt man uns zum Rancho Casian.
Wir sind heute die einzigen Besucher und können für 100 Pesos das Zelt aufschlagen und eine kalte Dusche genießen. Der Pool ist leider kaputt. Zum Abendbrot gibts drei gekochte Eier und getrocknete Apfelscheiben.
Als wir im Zelt liegen, strahlen wir beide. Wir hatten fast vergessen, wie sich im Zelt übernachten anfühlt. Alles ist so kuschelig, warm und gemütlich, es fühlt sich so vertraut an, als wäre es nie anders gewesen.
Am nächsten Morgen entdecken wir einen „Comedór Comunitario“, einen öffentlichen Essplatz. Hier gibt es für zehn Pesos eine warme Mahlzeit für alle, die sie gebrauchen können.
Als wir das erfahren, haben wir schon unser Müsli vorbereitet. Doch wir quatschen mit der Besitzerin und den Besuchern und nehmen uns drei Burritos für den Weg mit.
Hier kommt der nächste Anfängerfehler. Wenn man sich schon die Arbeit macht, so früh aufzustehen, sollte man statt lange zu quatschen auch früh losradeln, Wir hingegen sitzen erst um 9 Uhr auf den Sätteln und die Strafe kommt in Form von Hitze.
Zum Glück ist der Weg zunächst nicht mehr so steil. Nach 24 Kilometern entdecken wir einen Baum und bereiten uns darunter aus. Wir spielen Schiffe versenken, dösen kurz, gucken einem Kolibri zu und futtern unsere Burritos.
Erst um 14 Uhr geht es weiter, es ist zwar noch heiß, aber die Mittagssonne knallt nicht mehr direkt von oben. Es weht ein heißer und trockener Wind und wir trinken Wasser als gäbe es kein Morgen.
Zwischen den niedrigen Büschen wachsen immer mehr Kakteen. Es gibt jede Menge Fauna hier oben. Wir entdecken allerlei Hörnchen, eine Schlange, ein Kaninchen und viele Geier.
Der Weg wird immer steiler und irgendwann haben wir es auf 1227 Meter geschafft. Nun rollen wir, der Wind schiebt uns. Es ist überraschend grün hier oben für so eine trockene Ecke.

Endlich oben angekommen. Alle radler sagten uns die Baja sei nicht leicht, aber jeden Schweißtropfen wert. Stimmt.
Heute machen wir früh Feierabend, denn der Berg hat geschlaucht. Tante-Emma-Laden Besitzerin Monika bietet uns an, im Dorf Heroes de la Independencia, hinter ihrem Laden in der Garage zu übernachten.
Wir starten den Tag mit einem Platten und sitzen dennoch schon um 6.30 Uhr auf den Rädern. So früh morgens friere ich auch im Fleece noch. Gestern Schweiß und Anstiege, heute Kälte und Abfahrten. Irgendwas ist ja immer.
Im Valle de la Trinidad teilen wir uns zum Frühstück eine leckere Portion Chilaquiles. Alex, der in der Gegend arbeitet, gesellt sich zu uns und spendiert uns zunächst einen Kaffee und Saft und dann das ganze Frühstück.
Der Verkehr ist kaum vorhanden und die Landschaft wieder abwechslungsreich. Es gibt immer irgendwo einen neuen Kaktus zu entdecken, einen besonders großen Busch oder gar eine Blüte. Wüste ist nicht gleich Wüste. Ein paar Anstiege haben wir noch, aber der Rückenwind schiebt uns richtig den Berg hinauf. Wir verbringen die Mittagspause mit einer großen Kanne Agua de Limón (frische Limonade) in der Hängematte des Dorfladens in San Matías.
Von hier aus geht es stramm bergab vom fast 1000 Metern bis auf Meereshöhe. Und plötzlich befinden wir uns so richtig in der Wüste. Nicht im Ödland mit Büschen und Felsen, sondern in einer sandigen Wüste mit Kakteen. Ich bin absolut begeistert.
Am liebsten will ich alle paar hundert Meter anhalten und Fotos machen. Als wir eine Haltebucht entdecken, schmeißt es mich fast vom Rad. Ich habe mich seitlich in den Wind gedreht, der nun so extrem stark bläst, dass es mich samt Rad zwei Mal fast umreißt, und das stehend, neben dem Rad, also mit zwei Reifen und zwei Füßen auf der Erde. Sand und Steinchen prasseln wir gegen die Waden.
Den Plan, Roberto das Rad in die Hand zu drücken und auf Fototour zu gehen, kann ich mir knicken. Aber das hole ich später noch nach.
Wir radeln extrem vorsichtig weiter und müssen immer wieder halten, um die Felgen abkühlen zu lassen, denn wir brauchen unsere Bremspads noch eine Weile. Vor uns liegt rechts ein Salzsee.
Die ursprüngliche Schnapsidee, da drin zu zelten, wird sogleich verworfen, als wir sehen, wie der Sturm eine weiße Salzwolke in die Wüste treibt.
Bei der Einfahrt zum Salzsee (Sandstraße, das wäre ohnehin nichts für unsere Reifen gewesen) hält ein Pickup. Drei Männer springen raus, öffnen die Kühlbox die auf der Ladefläche festgemacht ist, und schnappen sich je ein Bier.
Auch wir kriegen eines angeboten, aber Roberto lehnt dankend ab. Er will ungern länger als nötig hier in der Einöde verweilen, wer weiß ob der Sturm nicht noch schlimmer wird. Schade, ich hätte so richtig Durst auf ein kaltes Light Bier gehabt.
Wir übernachten in „El Oasis“, wo Besitzer Abel uns gratis ein Plätzchen für unser Zelt anbietet. Bei Abel hat auch schon unser Freund Semi übernachtet. Drei seiner Freunde halten für eine Fanta und wir setzen uns dazu und quatschen.
Roberto fragt ob von den vieren jemand hier in der Einsamkeit mal etwas Seltsames erlebt habe. Und alle haben etwas zu erzählen, von Energien, Lichtkugeln und Lichtstrahlen mitten in der Wüste.
Immer wieder fragen wir die Leute nach übernatürlichen Erlebnissen und viele von ihnen haben tatsächlich etwas erlebt, seien es Lichtkugeln, Lichtstrahlen mitten in der Wüste oder seltsame Energien. Auch Alex, den wir seit dem Frühstück kennen, stößt bald dazu.
Es ist ein nebliger Morgen, was für diese Gegend sehr ungewöhnlich ist. Wir sitzen früh auf den Rädern und strampeln die 50 Kilometer nach San Felipe so schnell ab, dass wir vor 9 Uhr morgens ankommen.
Wir brauchen dringend eine Dusche und fahren die halbe Stadt ab auf der Suche nach einer zahlbaren Bleibe für die Nacht. Am Wochenende ziehen alle Hotels ihre Preise an, nach langem Hin und Her kommen wir für stolze 350 Pesos im wohl schäbigsten Motel der Stadt unter.
Die Laune hält sich in Grenzen und wir schließen uns den Tag über ein, um zu arbeiten. Ich wasche ein paar Klamotten. Es ist so heiß und trocken, dass das erste Kleidungsstück schon fast getrocknet ist, als ich das Letzte gerade aufhänge. Meine Haare trocknen auf dem Weg vom Zimmer zur Wäscheleine.
San Felipe ist für mich ein bisschen wie das Rosarito der Ostküste der Baja: der dichteste Strand für alle aus dem Osten Kaliforniens und für alle aus Mexicali. An den Restaurants steht ganz groß auf Englisch „Mexican Food“ und der Strand ist überfüllt mit Sonnenbrillenverkäufern, Sonnenschirmvermietern und Bananaboot-Fahrern. Doch kaum spazieren wir ein bisschen Abseits der Strandpromenade, haben wir den Strand fast für uns.
In San Felipe gibt es, wie an der Nordsee, starke Tiden und flaches Land. Bei Ebbe kann man auch hier im Watt wandern, wenn auch nicht ganz bis zur nächsten Insel. Und nach ein paar Garnelen-Quesadillas sieht die Welt auch gleich ganz anders aus.
San Felipe gefällt uns. Und es ist die letzte richtige Stadt für eine ganze Weile. Nun geht es erstmal zurück in die Einsamkeit. Ein Mal quer durch die Baja. Wie es weiter geht könnt ihr hier erfahren: Von heißen Quellen und Riesenkakteen – Niederkalifornien mit dem Fahrrad Teil 3
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