Radreisebericht – durch Turkmenistan und Usbekistan nach Kirgisistan

Karte

Radreisebericht – von Turkmenistan über Usbekistan nach Kirgisistan

Es kommt ja doch immer anders als geplant. Wir hatten fleißig in der Iranischen Wüste trainiert um die 500 Kilometer durch Turkmenistan mit einem 5-Tage-Transitvisum durchradeln zu können. Doch in der Nacht vor der Grenzüberquerung geht es Roberto schlecht. Statt zur Grenze gehen wir am nächsten Morgen direkt zum Arzt, der ihm einen Tropf und Ruhe verordnet.

So kommt es, dass wir statt fünf nur drei Tage Zeit haben. Roberto geht es nicht viel besser und wir müssen wohl oder über die Räder in ein Taxi verladen, denn der Zug fährt erst in zwei Tagen wieder. Nach harten Verhandlungen zahlen wir dem Fahrer 30 Dollar und holpern die Straße nach Mary entlang. Im Auto werden wir gründlich durchgeschüttelt. Manche Schlaglöcher sind länger als unsere Räder. Ich denke an die Poschmerzen, die ich mir gespart habe.

Wir übernachten für 2,50 Dollar pro Nase in einem dreckigen Loch in Bahnhofsnähe, wo wir ein Ticket für den Nachtzug nach Turkmenabat kaufen. Tagsüber schlendern wir durch die Stadt. Ich genieße es, endlich wieder mehr von den Frauen zu sehen, als ihre schwarzen Umhänge. Kunterbunte hautenge Gewänder tragen sie mit farblich passenden Kopftüchern oder Haarbändern und Schuhen. Das Zentrum der Stadt besteht aus dutzenden von überdimensionierten Gebäuden. Überall glänzen bunte Kuppeln im Sonnenlicht, weiße Wände reflektieren die Sonne und ich kann die Augen kaum offen behalten. An fast jedem Gebäude prangt ein Bild des Präsidenten. Menschen sehen wir allerdings keine, weder in der nagelneuen Moschee, noch im Museum oder der Bibliothek. Erst als wir uns etwas vom künstlichen Stadtzentrum entfernen und den Bazar entdecken machen wir unsere ersten Begegnungen.

Moschee im leeren Stadtzentrum von Mary

Moschee im leeren Stadtzentrum von Mary

Der Nachtzug ist flott, gemütlich und spottbillig. Die Räder werden samt angeschnalltem Gepäck in den Gepäckwagon gehievt und wir schlummern in unserer Viererkabine bis morgens um sechs. Turkmenabat! Roberto geht es besser, endlich schwingen wir uns wieder aufs Rad.

Roberto und sein Rad vor dem Zug

Der günstigste und komfortabelste Zug bisher – von Mary nach Turkmenabat

Gleich fällt uns die Quantität der anderen Radler auf. Es ist flach, der Straßenbelag ist gleicht nicht mehr dem Wattenmeer und von allen Seiten hupen und winken uns die anderen Radler zu. Laut unseres Reiseführers soll Turkmenistan das Nordkorea Zentralasiens sein. Wir radeln zwar nur 40 Kilometer, doch ich fühle mich eher wie in Holland.

Radfahrer in Turkmenistan

Radfahrer in Turkmenistan

An der Grenze müssen wir fast zwei Stunden lang Papiere ausfüllen, einen Fiebertest mitmachen, wieder und wieder unsere Pässe kontrollieren lassen und unsere geplante Route aufsagen. Unser Gepäck wird allerdings nicht ein Mal geprüft.

Roberto in der Wüste auf dem Weg zur Grenze

Wir radeln in Richtung Grenze

Auf der anderen Seite geht es zurück in die Wüste. Der Gegenwind wird immer stärker und wir bewegen uns im Schneckentempo voran. Nach 12 Kilometern sollen wir angeblich auf das erste Dorf treffen. Nach 16 Kilometern winkt uns stattdessen eine Gruppe älterer Herren zu, die im Schatten eines der seltenen Bäume picknicken. Wir setzen uns dazu und werden mit Wasser- und Honigmelonen sowie einem Eintopf und Tee gemästet. In einer bunten Mischung aus usbekischen, persischen, türkischen, englischen und russischen Worten unterhalten wir uns überraschend gut und scherzen viel.

Annika vor einem Straßenschild das nach Buchara, Samarkand und Taschkent zeigt

Auf nach nach Buchara, Samarkand und Taschkent

Bald folgt das erste Dorf und die ockerfarbene Wüste mit graugrünen Büschen verwandelt sich. Zu beiden Seiten sehen wir nun saftig grüne Baumwoll- und Maisfelder so weit das Auge reicht. Kaum fahren wir aus dem Dorf hinaus weht uns wieder der Wüstenwind in die Ohren und wir müssen aufpassen, nicht über Stachelpflanzen zu fahren.

Wir übernachten für zwei Nächte bei netten Familien im Vorgarten und in einem halbfertigen Haus, bevor wir am Morgen des dritten Tages in Buchara eintreffen.

Buchara

Buchara

Die Stadt ist so anders, als ich sie mir je vorgestellt habe. Russische, persische, arabische und orientalische Einflüsse treffen zusammen und bilden in den Gesichtern der Menschen, den einzigartigen Bauwerken und den handgearbeiteten Mitbringseln und Teppichen immer neue Mischungen.

Ein Mann mit seinem Rad auf dem ein Kleinkind sitzt und an dem viele Taschen voll Brot hängen

Touristen wie Einheimische schätzen in Usbekistan das Rad als Transportmöglichkeit von Menschen und Gütern

Buchara lebt vom Tourismus. Die Hotels reihen sich aneinander, überall wird englisch gesprochen, oft sogar deutsch und spanisch. Wir schlendern durch Türme, Moscheen, eine ehemalige Madrasa (Koranschule) und Bazare, schauen den Teppichknüpfern, Marionettenbastlern und Malern bei ihrem Handwerk zu, bewundern Teeservices und kunterbunte Taschen und spielen eine Runde Fußball mit einer Gruppe Kinder.

Schwer bepackter Eselskarren

Wenn das Gepäck zu voluminös für das Rad ist wird der Esel eingespannt

Bald geht es weiter nach Osten. Ich bin weiterhin begeistert, besonders das Landleben hat es mir angetan. Es gibt zwar teilweise mehr Schlaglöcher als Straße und der Gegenwind zwingt uns so manches Mal in die Knie, aber die Menschen, denen wir auf dem Weg begegnen, machen mehr als wett.

Annikas Rad vor dem Baumwollfeld

Überall Baumwolle

Die Landschaft ist von Baumwollplantagen, Maisfeldern, Melonenfeldern und Gemüsegärten geprägt, am Straßenrand wird die Ernte gleich eimerweise feil geboten. Wir greifen zu und lassen es uns gut gehen. Die usbekische Küche ist sehr fettreich und das sieht man auch in den fülligen Körpern der bunt gekleideten Damen. Sie schaukelten ihre Fettwulste lachend am Straßenrand entlang, winken und grinsen uns mit zwei glänzenden Goldzahnreihen zu.

Usbekische Frauen

“Wo kommt ihr denn her?”- der Minibus hält und wir plaudern.

Die Männer sind ebenso goldzahnbesetzt und füllig. Die meisten tragen eine traditionelle Kappe auf dem Kopf und rufen auf uns usbekisch hinterher „woher kommt ihr?“ oder „wohin fahrt ihr?“. Da sich unser usbekischer Wortschatz auf die paar Worte beschränkt, die dem Türkischen ähneln, wissen wir nie was gefragt wurde. In jedem Fall sind sowohl „Deutschland“ als auch „Mexiko“ teilweise richtige Antworten und die Fragesteller scheinen zufrieden.

Annika und viele usbekische Frauen essen Plov

Wir werden spontan eingeladen das Nationalgericht Plov mitzuessen.

Wir teilen die Straße mit alten Ladas, vielen Minibussen, unzähligen klapprigen Fahrrädern und noch mehr Eselskarren, die sowohl den Kutscher, als auch seine Familie, Stroh, Melonen, manchmal sogar Öfen und andere schwere Lasten hinter sich herziehen. Am Straßenrand grasen die pausierenden Esel neben den Kühen und Kälbern während ihre Kutscher die Ernte einsammeln oder am Feldrand eine Runde Backgammon mit den Nachbarn spielen.

Usbekische Radfahrerinnen

Usbekische Radfahrerinnen

Während die traditionelle Küche sehr fettreich ist (ein Mal wurde uns sogar eine Fettsuppe mit mikroskopischer Gemüsebeilage vorgesetzt) ernähren wir uns unterwegs fast rein vegetarisch. Frisch gelegte Eier, Tomaten, Gurken und Melonen vom Feld und euterwarme Milch gibt es. Dazu backen die meisten Familien jeden Abend ihr eigenes Brot.

Oft zelten wir im Vorgarten der Bauernfamilien oder schlafen unter freiem Himmel bei ihnen. Nachts wird es schon etwas frisch während tagsüber die Sonnenbrandgefahr droht. Die Familien bieten uns oft Gemüse und Brot an und wir revanchieren uns mit Obst, Keksen und Nudeln.

Unsere Gastgeber für eine Nacht - eine nette usbekische Bauernfamilie

Unsere Gastgeber für eine Nacht

Unser Tagespensum wächst stetig. Das hat nicht zuletzt mit der Registrierungspflicht zu tun, denn alle 72 Stunden müssen wir uns in einem Hotel einchecken, das uns im Gegenzug einen Registrierungsbeleg von der Polizei gibt. Ohne Belege wird es bei der Ausreise Probleme geben. Außerhalb der touristischen Städte beherbergen nicht alle Hotels ausländische Touristen, denn die Registrierung ist zeitaufwändig. So werden 100-Kilometer-Tage zur Gewohnheit. Während wir durch den Iran und des Westen des Landes fast pannenfrei geradelt sind rächt sich kurz vor der Hauptstadt der schlechte Straßenbelag. Viele geplatzte Reifen liegen am Straßenrand. Aus dem Gummi lugen die Drahtreste, die für uns gefährlicher sind als Glasscherben oder Schlaglöcher. Sie bohren sich selbst durch die pannenfesten Mäntel und wir flicken drei platte Schläuche an einem Tag.

Roberto fährt unter einer Brücke durch an der "O'zbekiston!" steht

Wilkommen in Usbekistan – wo alle A’s und U’s ein O zu sein scheinen

Immerhin sind West- und Zentralusbekistan größtenteils flach, an den wenigen windfreien Tagen kommen wir schnell voran. Bei starkem Gegenwind jedoch haben wir keine Chance. 75 Kilometer sind dann die Ausbeute eines 6-Stunden-Tages, das sind kaum 13 Kilometer in der Stunde.

Ein Esel grast neben dem geparkten Fahrrad

Parkplatz für CO2 freundliche Fahrzeuge

In Samarkand und Taschkent erwartet uns das Stadtleben. Die Eselskarren werden weniger, statt im Tante-Emma-Laden und am Straßenrand kaufen wir auf riesigen Bazaren ein und wir sind bei weitem nicht die einzigen Touristen weit und breit. In den Hostels machen wir Bekanntschaft mit Radlern, Motorradfahrern, Trampern und anderen Individualtouristen. Immer wieder treffen wir auf bekannte Gesichter, denn die Auswahl an erschwinglichen Touristenhotels ist nicht allzu groß. Anne, eine Französin die mit Bus und Bahn unterwegs ist, treffen wir rein zufällig sowohl in Buchara, als auch in Samarkand und Taschkent. Jeder kennt jeden auf der Seidenstraße. Wie Jamie, ein Englischer Radler, den wir im Osten Irans kennenlernten, sagte: „Die Welt ist groß, aber Straßen gibt es wenige“. Wir hatten viele Bekannte mit ihm gemeinsam tauschten Informationen über unsere Freunde aus.

Annika radelt duch einen Canyon

Zur Abwechslung gibt es mal keine Felder

Nun wollen wir weiter in Richtung kirgisische Grenze. Knapp 370 Kilometer sind es bis dort. Einen 2200 Meter Berg soll es hoch gehen, den sehen wir dann als Training für die Kirgisistan an, das in der Karte aus nichts als weißen Berggipfeln und kleinen Seen besteht. So können wir immerhin die usbekische Fettsuppe wieder abtrainieren.

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  1. Alles Gute!

    • Tasting Travels Team says:

      Vielen Dank! Wir haben eine ziemliche Pechsträhne hinter uns und von nun an kann es nur noch bergauf gehen. Liebe Grüße aus Kirgisistan,
      Annika

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