Schlaflos durchs Dinosaurierland

Palm trees everywhere

Mit dem Rad durch Thailand, von Nong Khai nach Savannakhet, Mai 2013

Schon nach den ersten zwei Kilometern läuft mir der Schweiß in Bächen das Gesicht herunter. In Nong Khai hatten wir genug Schatten, aber nun auf der Straße fahren wir direkt unter der unbarmherzigen Sonne. Ich halte keine 15 Kilometer am Stück aus. Zum Glück gibt es in Thailand an jedem kleinen Laden eine große Kiste voller Eiswürfel und Trinkwasser zum Auffüllen. Wir machen ordentlich Gebrauch davon und schaffen trotz des späten Starts noch 52 Kilometer.

We were not the only ones to load our bikes heavily

Wir sind nicht die einzigen schwer Beladenen

Abends suchen wir einen Zeltplatz am Mekong. Poo und seine Tochter Num Sai fahren auf dem Mofa an uns vorbei und schlagen uns vor, im Tempel zu übernachten. Ich lade unser Hab und Gut ab, während Roberto sich weiter mit Poo unterhält. Obwohl er uns gerade erst kennen gelernt hat, lädt er uns ein, bei ihm auf der Terrasse zu übernachten. Wir kochen gemeinsam mit seiner Schwiegermutter Pha und hören den Töchtern Num Sai und Bifern beim Ukulele spielen zu.

Poo, Roberto, Numsai and Bifern

Poo, Roberto, Numsai and Bifern

Um 9 Uhr morgens wachen wir auf. So viel zu Thema „bei Sonnenaufgang wollen wir auf den Rädern sitzen um die kühlen Stunden gut zu nutzen“. Poo und seine Frau Got zaubern uns ein riesiges Frühstück. „Das braucht ihr doch auch wenn ihr den ganzen Tag radeln wollt!“ meint Poo. Wir haben das schon oft gehört und langen zu bis wir pappsatt sind.  Wir wissen nicht wie wir Poo danken sollen.

Poo's family had treated us like old friends. We hope they can come and visit us one day as well.

Poos Familie behandelte uns wie alte Freunde. Wir hoffe, dass sie auch eines Tages zu uns zu Besuch kommen.

Schatten gibt es nur selten, dazu kommen immer wieder kleinere Hügel. Wieder schaffen wir nur kurze Etappen ohne Pause. Dennoch bringen wir es immerhin auf 95 Kilometer. Nach dem Erfolg vom Vortag fragen wir erneut an einem Tempel nach einem Zeltplatz. Zu unserer Überraschung werden wir in ein kleines Zimmer geführt. Dort haben wir ein Holzpodest (Bett) und einen Ventilator ganz für uns. Geduscht wird wie überall im ländlichen Laos und Thailand: mit einer Wassertonne und einer Schöpfkelle. Das kühle Wasser tut uns gut. Schlafen können wir dennoch nicht. Zum einen machen uns Fliegen, Mücken und Käfer verrückt und zum anderen bricht plötzlich direkt über uns ein Gewitter aus.

Sunset at the Mekong

Sonnenuntergang am Mekong

Die dicken Tropfen auf dem Wellblechdach lullen mich nach einer Weile ein, aber jeder Donner lässt mich aufschrecken. Ob wohl eines der Gebäude einen Blitzableiter hat? Ist der Baum direkt neben unserer Hütte nicht einer der größten in der Umgebung? Habe ich Ausrüstung draußen liegen gelassen die jetzt kaputt geht?

Ein bisschen matschig besteigen wir um 7 Uhr die Räder. Immerhin ist es kühl. Die nasskalte Luft wird uns aber schon nach knapp drei Stunden zum Verhängnis. Das Thermometer steigt wieder auf 43°C aber die Luft bleibt feucht. Wir halten zur Mittagspause in einer Garküche an einem Dorfeingang. Die anliegende Bushaltestelle wird spontan zum Schlafzimmer umfunktioniert. Nach wenigen Minuten schläft Roberto tief und fest. Trotz Hitze und Getier.

 

Small road along the rver

Kleine Nebenstraße

Wieder finden wir in einem buddhistischen Tempel Unterschlupf. Gemeinsam mit ein paar fliegenden Händlern schlafen wir auf dem Fußboden unter einem breiten Dach. Die Händler haben Zelte mit Moskitoschutz, einen Reiskocher und einen Ventilator dabei. Wir hingegen holen das Zelt lieber gar nicht erst heraus. Dann bekämen wir ja gar keinen Lufthauch mehr ab. Dann schlafen wir schon lieber unter den Sternen. Denkste! Hätte ich gewusst, wie penetrant Moskitos, Kakerlaken, Spinnen und Käfer sind, dann wäre ich mit Freuden ins heiße Zelt gekrochen.

One part of the way was completely green

Ein Teil der Strecke war komplett grün

Nach einer weiteren fast durchgezechten Nacht sitzen wir schon um 6.30 Uhr auf den Sätteln. Bis wir Ban Phaeng verlassen ist es allerdings 9 Uhr, denn wir müssen einen platten Reifen flicken und etwas zum Frühstücken auftreiben.

Die ersten zehn Kilometer radeln wir auf einer ruhigen Nebenstraße direkt neben dem Mekong. Die Hauptstraße ist auch nicht stark befahren, entfernt sich aber mitunter bis zu fünf Kilometer vom Fluss. Um die Sonne bildet sich ein seltsamer grauer Ring. Ob das mit der Hitze zu tun hat?

Was there a rainbow surrounding the sun?

Nanu? Ein Regenbogen um die Sonne herum? Und das ganz ohne Regen?

Zwischen 11.30 und 14.30 Uhr ist Radfahren eine Qual. Die letzte halbe Stunde vor der Mittagspause ist heute die schlimmste: Schatten gibt es gar keinen mehr, die Hügel werden steiler und das Thermometer zeigt 60°C in der Sonne. Die Straße flimmert und selbst die Feldarbeiter, die sich wie Bankräuber vermummen, sodass nur noch ein Schlitz für die Augen die Sonne erreicht, werden immer weniger. Links tut sich ein großes Seerosen- und Lotusblumenfeld auf, rechts entdecke ich vereinzelte Dinosaurierstatuen.

Best buddies

Beste Kumpels

In der Nähe hat man Fossilien und Fußabdrücke gefunden. Erst um 12 Uhr entdecken erreichen wir eine Abzweigung zu einem Dorf. Wir trinken je drei Liter Wasser und essen gebratenen Reis. Das Restaurant besteht aus der Küchenhütte, zwei Dächern zum Essen und einem weiteren Dach mit Holzfußboden. Nach dem Essen bringt uns die Besitzerin des Restaurants zwei Kissen und einen Ventilator unter das Dach und wir schlafen zwei Stunden komplett durch.

Delicious nap.

Spontanes Mittagsschläfchen.

Unsere Fahrgewohnheiten ändern sich komplett. Gewöhnlich radeln wir 30 Kilometer vor der ersten Pause und 20 zwischen jeder Weiteren. Nun kommen wir morgens auf höchstens 25 und nachmittags auf 15 Kilometer. Dafür legen wir am Abend eine längere Etappe ein.

Am Seitenstreifen kleben viele plattgefahrene Schlangen. Lebendige Exemplare entdecken wir nur wenige. Zur Sicherheit mache ich dennoch einen großen Bogen um alle schlangenförmigen Äste und Gummiteile.

In Tha Uthen kaufen wir Brot Thunfisch und zwei Limetten bevor wir ans Mekongufer radeln. Doch dort will sich partout keine Schlafmöglichkeit finden lassen. Wildes Zelten ist keine Option, denn auch nachts geht es mittlerweile kaum unter 30°C. Bisher haben wir immer einen Schlafplatz gefunden und auch heute haben wir Glück. Nooy und ihr Sohn Omsin laden uns ein, die Nacht bei ihnen zu verbringen.

Dinner at Nooy's.

Abendessen bei Nooy

Nooy will ihr Haus für einen Schüleraustausch aus Italien und Deutschland öffnen und wir sind ihr eine gute Trainingsgelegenheit. Gemeinsam mit Nooys Schwester und Eltern essen wir Ameiseneier, Fischsuppe und den traditionellen Klebreis. Wir sind platt, aber lassen uns dennoch zu einer Runde Karaoke überreden. Wir singen und tanzen durchs Wohnzimmer bis wir um Mitternacht völlig geschafft in die Federn plumpsen.

Karaoke with Nooy and her sister

Karaoke mit Nooy und ihrer Schwester

Um 6 Uhr klingelt der Wecker. Wir haben so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Nooy zaubert uns ein riesiges Frühstück von dem wir nicht einmal ein Drittel schaffen. Trotz der Schwüle schaffen wir 30 Kilometer vor der ersten Pause und 53 bis zur Mittagspause. Heute knacken wir die magische Grenze der offiziellen 10.000 mit Gepäck geradelten Kilometer. Da wir über lange Zeiträume keinen Tacho hatten, schätze ich unsere tatsächlich geradelten Kilometer aber auf 11.000 – 12.000. Dazu kommen noch Tagesausflüge, Besuche, Stadtfahrten und Einkäufe ohne Gepäck.

Genau bei Kilometer 10.000 halten wir neben einem Tempel, bringen den Mönchen etwas Essen und sind stolz und dankbar.

10000 Kilometer

10000 Kilometer

Die Mittagspause verbringen wir im Laden einer älteren Dame. Wir trinken kalte Sojabohnenmilch und essen die Reste vom Frühstück, die Nooy uns eingepackt hat.

Knapp zehn dicke Tropfen fallen vom Himmel. Ich bin begeistert, mache das Rad startklar, da ist der „Schauer“ auch schon vorbei. Egal. Wir fahren auf einem breiten Seitenstreifen, der leider entweder zugeparkt oder voller Sand ist. Die Sonne kommt nun von oben rechts, doch da in Thailand Linksverkehr herrscht, erreichten wir den Schatten nicht. Nachmittags ziehen am Horizont graue Wolken auf und ein frischer Wind weht. Leider von vorn. Wir stören uns nicht weiter daran – immerhin gibt es eine Erfrischung. Nach 92 Kilometern beschließen wir, in That Phanom zu bleiben und uns zur Feier des Tages ein Zimmer zu gönnen. Ein Gasthaus ist überteuert, das nächste voll und erst als ein netter Mann mit uns die halbe Stadt abfährt, finden wir eine zahlbare Bleibe. Sogar eine Klimaanlage gibt es. Nachts schüttet es wieder wie aus Eimern.

Water, shade and minerals! The perfect place to sit down for a while.

Wasser, Schatten und Elektrolyte. Hier mache ich doch gern Pause.

Erst um 12 Uhr räumen wir unser Zimmer. Gut 50 Kilometer sind es noch bis in die Grenzstadt Mukdahan. Die Mekongbrücke nach Laos liegt kurz vor der Stadt, doch wir wollen noch eine Nacht in Thailand verbringen und Elektrolytpulver, Konserven und andere Lebensmittel einkaufen, die man in Laos und Kambodscha nicht so leicht bekommt.

Am nächsten Tag frühstücken wir in einem riesigen Supermarkt und gönnen uns die volle Dröhnung: Nudelsuppe, Sushi, Donuts und Eis. Das Angebot in Laos ist magerer und teurer. Im Supermarkt finde ich auch endlich Sandalen, in denen die Zehen nicht frei liegen. Aus Angst um meine Zehen und aus Mangel an fahrradtauglichen Sandalen bin ich bis hierher in Winterschuhen statt in Flip Flops gefahren.

We met Remi, Jennifer and Alain from France in Savannakhet

Auf Remi, Jennifer und Alain treffen wir in Savannakhet

An der Grenze weht uns ein starker Wind entgegen und während wir noch thailändische Baht in US Dollars wechseln (für die Grenze) regnet es auch schon. Wir genießen die Erfrischung. Über die Brücke dürfen wir nicht radeln, aber ein netter Mann nimmt uns samt Rädern in seinem Pick-Up mit. In der laotischen Grenzstadt Savannakhet richten wir uns für einen Aufenthalt ein.

Dinner with Andee and her younger brother Daonimith

Abendessen mit Andee und ihrem kleinen Bruder Daonimith

Wir wollen schon hier die nächsten thailändischen Visa beantragen. Fünf Nächte bleiben wir und freunden uns mit Andee, der Tochter des Besitzers der Pension an. In Savannakhet treffen wir kaum auf andere Touristen. Die Altstadt ist voller Gebäude aus der französischen Kolonialzeit und die größte Attraktion der Stadt ist ein winziges Dinosauriermuseum mit französisch-laotischen Beschreibungen.

Paleontologist Bounxou Kentavong founded the museum

Der Paläontologe Bounxou Kentavong ist auch Gründer des Dinosauriermuseums von Savannakhet

Wir haben jedoch das Glück, den Paläontologen Bounxou Kentavong persönlich anzutreffen, der uns Genaueres über seine Arbeit und den besonderen Standort Südlaos erklärt und uns einige fossile Knochen in die Hand drückt. 110 Millionen Jahre Geschichte. Wir sind völlig baff.

Other tourists

Unerwartet treffen wir auf andere Touristen

 

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  1. Hallo! Schöne Fotos und sehr interessant zu lesen. Man fühlt die Hitze förmlich beim Lesen und kann es sich gleichzeitig mit Sicherheit nicht wirklich vorstellen. Höchsten Respekt vor Eurer Leistung!!! Wünsche Euch einen guten, weiteren Verlauf! Viele Grüße aus Bremen, wo es bei 10°C gerade mal wieder regnet…

    • admin says:

      Moin Stefan,
      Regen haben wir mittlerweile auch ab und zu aber was 10°C bedeuten weiß ich wirklich nicht mehr. Aber alles in Allem macht es schon wirklich Spaß. Aber warte mal den nächsten Radreisebericht ab – es wird NOCH heißer 🙂
      Viele liebe Grüße,
      Annika

    • admin says:

      Viele Danke Stefan! Your support means a lot to us. You have been following us since the beginning and I will always be grateful with your wonderful bike gift that is still in Germany safe and sound. Best wishes to you and your family.

  2. Pingback: Der Mekong. Eindrücke einer Radreise | Tasting Travels

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