Mit dem Rad durch Neuseeland Teil 3: Gletscherseen und Campervans
Land: Neuseeland
Von Mount Cook Village bis Luggate
Draus gelernt: Halb Deutschland versammelt sich im Herbst in Neuseeland
Drüber gelacht: Gerd findet dass wir leicht bepackt sind
Schönstes kleines Wunder: Ein unbekannter Bauer der sein Feld zum gratis Zeltplatz macht
Größte Herausforderung: Rücksichtslose Mitzelter
Geradelte Tage: 3
Geradelte Kilometer: 203,39
Durchschnittliche Kilometer pro Tag: 67,8
Insgesamt bis Luggate geradelte Kilometer: 17.620
Mit dem Rad durch Neuseeland: Mount Cook Village nach Luggate
Wir sind zum zweiten Mal am Mount Cook Nationalpark und wieder einmal finden wir es großartig. Unser letzter Radeltag war zwar kurz, aber dafür knackig.
Über holprige Wege voller Felsbrocken ging es zunächst an der Ostseite des Sees entlang, und dann, nach einem kurzen Hubschrauberflug folgten wir dem Alps2Ocean weitere 7 Kilometer (natürlich stramm bergauf) bis zum Zeltplatz. Der Platz war gerammelt voll. Auch die beiden deutschen Radler vom Vortrag trudeln spät Abends ein und stellen ihre Zelte neben unseres.
Die meisten Camper haben gar kein Zelt dabei. Viele der Working Holiday Touristen kaufen sich ein Auto oder einen Kleinbus, den sie am Ende ihres Aufenthaltes wieder verkaufen. Die meisten mieten jedoch ein Auto, einen Wohnwagen oder einen Bus. Darin wird gefahren, gegessen und geschlafen.
Der Wohnwagen hat einen großen Vorteil: er hat sein eigenes Klo. Das ist ganz praktisch wenn man mal ganz dringend muss, aber vor allem öffnet es den Campern die Türen zu vielen gratis Übernachtungsplätzen, an denen „non-selfcontained“, also Fahrzeuge, die nicht mit ihrem eigenen Klo kommen, nicht über Nacht bleiben dürfen.
Am White Horse Campground dürfen aber alle Leute Zelten. Sogar wir. Es ist einer der vielen vom DOC (Department of Conservation) aufgebauten Zeltplätze, die meist zwischen $5 und $10 pro Nacht und Nase kommen (manche sind sogar gratis). Alle verfügen über ein Klohäuschen, viele auch über ein kleines Dach mit einer Picknickbank und dieser hat sogar einen richtigen Aufenthaltsraum mit Wänden und Türen, sowie Mülleimer. Normalerweise muss man seinen eigenen Müll selbst wieder mitnehmen.
Camper checken sich selbst am Camping Registartion Booth ein. Dort gibt es kleine Zip-Taschen mit einem Zettelchen drin. Dort wird eingetragen, wer man ist, wo man her kommt und wie lange man bleibt. Der passende Geldbetrag (in unserem Fall $20 pro Nacht) kommt mit der Hälfte dieses Zettels in den Umschlag, dann wird das ganze in einen Kasten eingeworfen, den der Ranger dann irgendwann ausleert. Der andere Teil des Zettelchens wird aufs Armaturenbrett gelegt, oder in unserem Fall einfach am Zelt befestigt. Fertig. Nur den passenden Bargeldbetrag sollte man dabei haben.
Wir melden uns an, bauen das Zelt auf und sinken dann erstmal auf die Picknickdecke. Die Fahrt auf dem Alps2Ocean Radweg hat geschlaucht. Ich bin platt.
Um uns herum höre ich fast nur deutsche Stimmen. Wo kommen denn all die Deutschen her? Sind überhaupt noch welche zu Hause? Die beiden deutschen Radler erzählen mir am nächsten Tag, dass der Ranger sagte, es seien nur drei Neuseeländer auf dem Zeltplatz, einige Argentinier und Australier und jede Menge Europäer. Die große Mehrheit davon Deutsche.
Auf dem Wanderweg, für den der Zeltplatz der Startpunkt ist, sieht das ganz anders aus. Hier sehen wir sehr viele asiatische Besucher, zum Zelten bleiben aber nur die Allerwenigsten.
Auf dem Weg zum Klo sehe ich gefühlte 300 Campervans. Roberto und ich spielen den folgenden Monat über ein Spiel und finden heraus, wer die meisten Campervans mit „Camper“ im Namen entdeckt. Happy Campers, Hippie Campers, Wicked Campers, Tui Campers, Freedom Campers, Kiwi Campers, Euro Campers, Kea Campers, Apollo Campers, und Mighty Campers sind unsere Ausbeute des Monats.
Wir verbringen den halben Tag auf der Picknickdecke in der Sonne, dann kommt Besuch. Gerd, den wir bereits 2012 in Kirgisistan kennen gelernt haben, radelt nun durch Australien und hat sich Neuseeland als Ziel seines Visaruns ausgesucht. Eine knappe Woche bleibt er. Rad und Zelt sind in Australien geblieben. Mit dem Mietwagen kommt er uns auf dem Campingplatz besuchen und führt uns gleich zum Essen im Dorf aus. Wir haben uns nun seit China nicht mehr gesehen und haben furchtbar viel zu bequatschen. Gerd bewundert auch unsere „leicht“ bepackten Räder. Er selbst schleppt 50 Kilos auf seinem Rad herum. Die Stunden vergehen viel zu schnell, doch Gerd will wiederkommen.
Am folgenden Tag wandern Roberto und ich den Hooker Valley Track entlang, den wir bereits im September gestartet sind. Damals waren wir mit Robertos Familie im strömenden Regen unterwegs und sind nach der Hälfte umgekehrt. Diesmal wandern wir die drei Stunden Wanderung bis zum Ende durch.
Der Mount Cook Nationalpark bietet viele kurze und lange, einfache und anspruchsvolle, steile und flache Wanderungen zu DOC-Hütten, Gletscherseen, Aussichtspunkten und anderen Wanderwegen. Für jeden ist etwas dabei. Sogar für den Wandermüden Gerd, der als Kind immer wieder zum Wandern gedrängt wurde und nun nicht so recht Spaß daran finden kann. Für ihn suchen wir für den Nachmittag einen kurzen Weg von weniger als einer Stunde aus, der uns einen guten Blick über einen grauen Gletschersee samt Gletscher, jede Menge Geröll und zwei grüne Seen gibt, die blaue Seen heißen, weil sie vor vielen Jahren mal blau waren. Da war der Gletscher größer und das Schmelzwasser floss direkt dort hinein. Nun sind die Seen voller Regenwasser.
Schon auf dem Alps2Ocean haben wir oft unsere Wasserflaschen an Flüssen aufgefüllt und stets einen Nachgeschmack im Mund gehabt, als hätten wir Felsblöcke gekaut. Das liegt daran, dass viele der Flüsse direkt aus dem Gletscher entspringen und dieser so viel Geröll zermalmt. Wenn das Gletscherwasser länger Zeit zum Ruhen hat, setzen sich die Felspartikel unten ab und es bleibt ein tiefblauer See.
Wir haben eine großartige Zeit im Mount Cook Nationalpark und das Wetter ist einfach traumhaft. Nach zwei Nächten schwingen wir uns auf die Räder, lassen die holprigen Radwege links liegen und sausen die Autostraße hinunter. Der Alps2Ocean war bisher einer der ganz großen Favoriten, aber nun vermissen wir wirklich den Komfort des Asphalts. 67 ½ Kilometer sind es zurück nach Twizel und wir flitzen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 km/h durch Niesel und Nebel dahin.
In Twizel kommen wir wieder bei Shell und Stu unter. Wir kochen Mexikanisch für alle und auch Shells Eltern, die gegenüber wohnen, lassen es sich schmecken. Wir bleiben ganze drei Nächte bei Stu und Shell und bekommen auch ihren Arbeitsalltag mit. Die beiden haben es sich zur Aufgabe gemacht, Touristen den Alps2Ocean näherzubringen. Sie vermieten Räder, transportieren diese samt Passagieren zu einem Startpunkt, buchen ihnen Unterkünfte, weitere Transporte und sammeln sie am Ende wieder ein (ihre webseite: The Jollie Biker). Je nach gewünschtem Budget und Reisegruppe ist jede Reise anders. Die beiden lieben ihren Job und besonders die glücklichen und stolzen Radler erfreuen sie von Tag zu Tag.
Es ist bewölkt und schon fast Mittags, als wir weiterradeln. Zunächst geht es wieder nach Omarama, dort waren wir auf dem A2O schon einmal, aber diesmal rollen wir die Hauptstraße entlang. Wieder treffen wir auf allerlei andere Radler. Mittagspause halten wir mit dem 75-jährigen Murray, der gerade den Te Araroa Wanderweg abwandert und nebenher auch Mountainbike Touren unternimmt Seine Frau folgt ihm im Campervan und alle paar Tage, wenn der Wanderweg auf eine Straße trifft, treffen sich die beiden wieder.
Die Sonne kommt wieder raus als wir uns auf zum Lindis Pass machen. Knapp 1000 Meter ist er hoch, doch die ersten 20 Kilometer geht es ganz sanft bergauf, man merkt es kaum. Kurz vorm Pass jedoch, wird die Straße enger, die Felswand bröckeliger und die Autofahrer gewagter. Wir radeln hochkonzentriert und schwitzen aus allen Poren, als wir irgendwann die Aussichtsplattform erreichen. Weit sehen können wir nicht, denn die trockenen Hügel umschließen die Gegend.
Von nun an geht es ordentlich bergab. Nach 90 Kilometern entdecken wir, wonach wir gesucht haben. Ein schweizer Radler hatte uns von einem Feld erzählt, das 20 Kilometer vor dem Ort Tarras liegt und auf dem man zelten darf. Und genau so ist es. Am Gatter klebt ein kleines ausgewaschenes Schild: „Campers welcome“. Sogar zwei Plumpsklos und zwei selbstgebaute Hocker gibt es!
Es ist schon richtig heiß, als das Zelt endlich trocken ist und wir uns auf den Weg machen. Ich habe es mir angewöhnt, stets die Augen nach wilden Apfelbäumen offen zu halten und heute sehe ich ein Juwel von einem Baum. Leider sind die rotesten auch ganz oben, aber an fünf dicke rote Äpfel komme ich ran.
Wir machen eine Eispause in Tarras, wo wir auch das Shrek-Museum bewundern. Shrek ist wohl Neuseelands bekanntestes Schaf. Mehrere Jahre lang war es verschwunden, nur um dann mit einer Wollmasse wieder aufzutauchen, die mehrfach sein eigenes Gewicht überstieg. Unterwegs auf seinen Reisen hatte es ja niemand geschoren! Geschoren wurde er von Profis live im Fernsehen. Shrek war so berühmt, dass er zu seinem zehnten Geburtstag sogar den Ministerpräsidenten kennen lernen durfte.
Weit ist es nicht mehr bis Luggate. Dort wollen wir auf dem Cricket Feld übernachten. $5 pro Nase kostet das, aber dafür gibt es eine heiße Dusche, Kühlschränke und Steckdosen. Der Platz ist so beliebt, dass wir mit Ach und Krach noch ein kleines Plätzchen in der hintersten Ecke auftreiben können.
Das Preis-Leistungsverhältnis ist unschlagbar. Was uns aber gar nicht gefällt sind einige der völlig rücksichtslosen Mitzelter. Eine duscht morgens 20 Minuten lang in der einzigen Dusche und verbraucht alles heiße Wasser für sich (5 Minuten pro Person ist die Camp-Regel).
Andere nutzen alle Steckdosen zugleich und lassen ihre Geräte stundenlang stecken. Die Schlimmsten allerdings verbringen die ganze Nacht unter dem Dach, wo sie nicht nur quatschen, sondern lauthals singen, grölen und lachen. Als ich um 3 Uhr morgens zum fünften Mal von ihnen aufwache, bin ich stocksauer. In meiner gepunkteten Schlafshorts, dem knallroten Shirt und mit Wanderstiefeln und wuscheligen Haaren stampfe ich wutentbrannt zu der Truppe und stolpere dabei fast über die Spur von Weinflaschen und Bierdosen.
Ich brülle meine Wut heraus und scheine trotz meines seltsamen Aufzugs Autorität auszuüben. Eines der Mädchen entschuldigt sich sogar kleinlaut. Die Jungs sagen nichts, lachen, als ich mich wieder umdrehe und zurück stampfe, aber sind zwei Minuten später brav leise und gehen schlafen.
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