Mit dem Rad durch Malaysia Teil 1: Kedahs Reisfelder

Roberto cycles through Kedah's Paddy fields

Roberto radelt durch Kedahs Reisfelder

Mit dem Rad durch Malaysia Teil 1: Durch Kedahs Reisfelder

Land: Malaysia

Von Kepala Batas nach Kampung Dew

Draus gelernt: Es ist möglich (aber nicht ratsam), volle 18 Tage ohne Dusche zu radeln

Drüber gelacht: „Love you Mister Arrogant“

Schönstens kleines Wunder: Kedahs versteckte Fahrradwege

Gegessen: Meeresfrüchte

Größte Herausforderung: Verkehr und Dunkelheit in Perak

Geradelte Tage: 4

Geradelte Kilometer: 254,36

Insgesamt bis Kampung Dew geradelte Kilometer: 13118,11

Reisetage von Bremen bis Kampung Dew: 766

 

Wir genießen unsere Zeit in Kepala Batas. Endlich schaffen wir es, einen Berg von Texten abzuarbeiten. Zugleich vermissen wir allerdings das Abenteuer. Wir wollen radeln, irgendwo zelten, den Wind fühlen und morgens nicht wissen, was der Abend bringt. Roberto läuft schon ein paar Tage einigermaßen elegant ohne Krücken, als wir uns wieder auf die Sättel schwingen.

The UiTM students plan to travel to China and raised money for their travel

Die Studenten der UiTM planen eine Reise nach China und organisieren viele Events um das Geld dafür zusparen

Zunächst geht es weiter in den Norden, nach Arau in Perlis. Die UiTM Universität dort hat uns eingeladen, einen Vortrag bei ihnen zu halten. Arau ist keine 40 Kilometer entfernt, perfekt für eine kurze erste Tour mit Gepäck nach der langen Radelpause. Es ist ruhig auf den Straßen und der Wind weht uns ins Gesicht. Ich grinse. Was wir heute an Gegenwnd haben, schiebt uns in den nächsten Wochen fleißig gen Süden.

Picture time after the presentation

Nach der Präsentation haben wir viel Zeit für Fotos

Unsere Präsentation läuft super und viele Studenten fragen uns aus und machen Fotos. Der Professor Wan Yasser, leidenschaftlicher Mountainbiker, führt uns mit seinen kleinen Söhnen Yafeeq und Yaqeef zum Essen aus.

Wanwan und Tash wollen selbst eine Fahrradtour planen

Wanwan und Tash wollen selbst eine Fahrradtour planen

Am nächsten Morgen besuchen uns zwei der Studentinnen, Wanwan und Tash. Sie spielen selbst mit dem Gedanken, eine Radtour zu unternehmen und fragen uns, wie man das als Muslimische Frau anstellen kann. Eine gute Frage. Es ist nicht überall so einfach, einen ruhigen Platz zum Beten und Halal-Essen zu finden und mit langem Rock radelt es sich auch nicht so leicht.

The Busana Azzahra team waved goodbye to us

Das Busana Azzahra Team verabschiedet uns vor dem Laden.

Wir helfen den beiden so gut wir können und sind froh, dass sie so offen auf uns zugekommen sind.

Nach dem Frühstück radeln wir zurück in den Süden, an Kepala Batas vorbei bis nach Alor Setar. Wir halten an unserem Lieblingsfahrradladen in Jitra, der von Sharon und Wong geführt wird. Gemeinsam mit den beiden planen wir, die geheimen Radwege von Kedah publik zu machen. Sharon und Wong akzeptieren unser Angebot zu einem Busines-Austausch und bestücken unsere Räder mit neuen Bremsklötzen, zwei Schläuchen und Öl, sowie für Robertos Rad einer Kette, Pedalen und einem Ritzelpaket.

Sharon loves cycling. She will help us to promote Kedah's secret bike paths

Sharon radelt für ihr Leben gern. Sie will uns helfen, die gut versteckten Fahrradwege in Kedah publik zu machen.

Die Nacht verbringen wir bei Apit und am folgenden Mittag radeln wir weiter. Der Bundesstaat Kedah ist voller Reisfelder. Zwischen den Feldern verlaufen unzählige kleine Kanäle und parallel zu diesen schmale asphaltierte Wege. Die Wege sind zu eng für Autos und nur selten saust ein Mopedfahrer oder Radler über sie hinweg.

On the way to the mountain

Immer in Richtung Berg

Diese Wege sind wie für Reiseradler geschaffen, sie sind auch für Familien sicher, führen durch die Landschaft, vorbei an vereinzelten Häusern. Eine Hauptstraße mit Läden und Cafés ist fast immer in der Nähe. Es ist heiß und windig und nach nur 10 Kilometern auf der Hauptstraße biegen wir auf einen dieser kleinen Kanalwege ab.

Between the Paddy fields and the historical canal

Zwischen den Reisfeldern und dem historischen Kanal

Da es keinerlei Beschilderung gibt und die meisten der Kanalwege auf keiner Karte eingezeichnet sind, halten wir uns an den historischen Hauptweg, den Wan Muhammad Saman Kanal. Fertiggestellt im Jahr 1896 vom damaligen Ministerpräsidenten Dato Wan Muhammad Saman Bin Wan Ismail, fungiert er seither als Bewässerungsanlage für die Reisfelder. Mit 31 Kilometern ist der Kanal Malaysias längstes Aquädukt und der Grund dafür, das Kedah als Malaysias „Reisschale“ bekannt ist. Er verbindet Alor Setar, die Hauptstadt des Staates, mit dem Berg Gunung Jerai weiter im Süden.

Through the fields back to the main road

Durch die Felder radeln wir zurück zur Hauptstraße

Der Wind weht sanft von der Seite, die Sonne knallt und die Räder rollen wunderbar. Die neuen Gelsättel von Selle Royal, die vor einer Woche in Kepala Batas eingetroffen sind, sind auch ohne langes Einfahren sehr gemütlich. Die flache Landschaft, der Geruch von Kuhmist, feuchtem Gras und einer Prise Salz in der Luft erinnern mich an zu Hause. Doch Reisfelder, vereinzelte Palmen und vor allem die knapp 40°C bringen mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.

If only there were some signs or maps!

Wenn es nur ein paar Schilder oder Kartenmaterial gäbe!

Als sich der Weg verschlechtert, fahren wir auf der Straße weiter. Die neuen Ketten halten was sie versprechen und wir sind froh, wieder unterwegs zu sein und Gas geben zu können. Kaum erreichen wir den nächsten Bundesstaat Perak, nimmt der Verkehr schlagartig zu. Die Motorradspur verschwindet, überall um uns herum ragen Gebäude aus dem Boden und einige der Autos überholen uns so eng, dass ich Angst habe, sie könnten an meinem Lenker anecken und mich vom Rad schubsen. Es wird dunkel und Straßenlaternen gibt es nur wenige. Wir geben noch mehr Gas, denn ohne Licht fährt es sich auf der engen Straße gefährlich. Ich stelle meinen Sattel höher, damit das Sattellicht über dem hohen Gepäck sichtbar ist. Wenn wir schon selbst nichts sehen können, dann wollen wir wenigstens für andere sichtbar sein. Neue Lichter sind schon für uns unterwegs, sie dürften bald in Singapur eintreffen, doch Singapur ist knapp 1000 Kilometer von uns entfernt.

92 Kilometer weiter erreichen wir spät abends Aris‘ Haus kurz vor Butterworth. Aris ist der Bruder von meinem Freund Lepat, der in Bremen wohnt und ein paar Tage zuvor wiederum einen Malaysischen Reiseradler in Deutschland beherbergt hat. So schließt sich der Kreis.

Wir sehen eine halbe Episode „Kampung Girl“ und „Love you Mister Arrogant“ auf Malaysisch und spielen mit den Kindern, bevor wir müde ins Bett fallen.

Computer lessons - I wonder who teaches who?

Wer bringt hier wohl wem die neuste Technik bei?

Am folgenden Morgen stürzen wir uns auf ein Neues in den Verkehr. Immerhin haben wir das Tageslicht auf unserer Seite. Es nieselt, doch das ist uns nur recht. Nach den ersten vier Kilometern verfahren wir uns erst einmal ordentlich und an der ersten Tankstelle halte ich, um eine Landkarte zu kaufen, die uns im Straßengewimmel jedoch auch nicht so recht weiterhilft. Ein netter Mann, der in der Zwischenzeit auf Roberto und die beiden Räder aufmerksam geworden ist, hilft uns da viel mehr. Er schickt uns gleich auf die Autobahn. „Nur zwei Ausfahrten, dann könnt ihr auf der Landstraße weiterfahren“. Seit wir in Griechenland kurz hinter Thessaloniki versehentlich auf der Autobahn gelandet sind, graust es mir vor diesen, doch ich will wieder auf die Landstraße. Zwei Spuren müssen wir überqueren, dann ist es geschafft. Auf der Landstraße ist zwar nicht weniger Verkehr, doch die Autos bewegen sich langsamer und es gibt weniger Fahrspuren.

If only we could completely stay off the highways!

Wir versuchen, Autobahnen so gut es nur geht zu vermeiden, doch manchmal geht es einfach nicht anders.

Zur Mittagszeit halten wir in einem der vielen Buffet-Restaurants, in dem jeder einen Teller voll Reis bekommt und diesen dann je nach Lust und Laune mit jeder Menge Curries, Fisch, Meeresfrüchten, Eiern, Fleisch, Gemüse, Tofu und Soßen füllt. Wir zahlen unter 5 € für zwei riesige Teller mit Fisch, Huhn und Meeresfrüchten (Portionen für hungrige Radler) und jede Menge kalte Getränke. Als wir gerade weiterwollen, sehen wir, dass Robertos Hinterrad wieder platt ist. Schon gestern hatte sich ein Stück Draht am Pannenschutz vorbei in den Schlauch gebohrt. Heute passiert das gleiche nocheinmal. Ohne Seitenstreifen haben wir nicht wirklich die Möglichkeit, Kabeln, Glas und scharfen Metallteilen auszuweichen, also müssen wir mit regelmäßigen Pannen leben.

Another cyclist! We would have nearly missed Beto from Mexico.

Beinahe hätten wir ihn verpasst: Beto aus Mexiko.

Wir radeln kaum eine Minute, da erreichen wir den nächsten Staat: Perak. Sofort ist die Motorradspur wieder da, die wir seit Kedah vermissten. Kaum eine weitere Minute später radelt ein junger Mann mit jeder Menge Gepäck uns entgegen. Das muss Beto sein, ein Mexikaner, den wir seit Tagen zu treffen versuchen. Er radelt hinauf in den Norden und wir halten am Straßenrand und quatschen. Wir haben alle viel mehr zu erzählen, als in eine ungemütliche Straßenrandunterhaltung passt und Beto beschließt, umzudrehen und 20-30 Kilometer mit uns zurück zu fahren. Wir stehen ein bisschen unter Zeitdruck, da wir für eine Präsentation in der Nähe von Kuala Lumpur zugesagt haben und er kann seine Zeit besser einteilen. Ich bin heilfroh, dass wir Robertos Platten so fix wieder flott gekriegt haben, denn sonst wäre Beto wohl unerkannt an uns vorbeigesaust.

Yes we got that entire house for ourselves - well, we were the only humans inside.

Wir haben das ganze Haus für uns … na sagen wir besser, wir sind die einzigen Menschen im Haus.

Nachts finden wir ein großes leerstehendes Haus, das als Ferienwohnung (in Malaysia: Homestay) genutzt wird. Der Preis passt und wir richten uns häuslich ein. Außer Mäusen und Kakerlaken hat wohl seit Jahren niemand mehr hier gewohnt, also gewöhnen wir uns wohl oder übel an ihre Gesellschaft.

Perak offers a motorbike lane wide enough for two people

Auf Perak’s Motorradspuren passen sogar zwei Radler nebeneinander!

Beto kriegt nicht genug von unseren Geschichten über Menschen und Kulturen hier und dort und wir lauschen gebannt seinen Erlebnissen mit einem sehr extremen Radler, der nur ein Mal am Tag ist und volle 18 – ja, das ist richtig, achtzehn Tage ohne Dusche auskommt.

Nach dem Frühstück trennen sich unsere Wege schon wieder. Wir finden das sehr schade, da wir gern noch einige Tage mit Beto gemeinsam weitergeradelt wären. Doch er will in den Norden und wir fahren nach Süden, also winken wir ihm nach und wünschen ihm viel Glück. Zum dritten Mal fährt Beto nun die gleichen 30 Kilometer, während wir uns auf neuen Wegen nach Süden begeben.

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