Der heißeste Tag meines Lebens

Hardly any cars on the streets but yet quite some traffic

Hardly any cars on the streets but yet quite some traffic

Mit dem Rad durch Laos: von Savannakhet nach Pakse, Mai 2013

Nach fünf Tagen halten wir unsere neuen thailändischen Visa in der Hand. Nach einer Schleife durch Südlaos und Kambodscha wollen wir zurück nach Thailand und quer durchs Land bis zur malaysischen Grenze fahren.

Wir kommen erst am späten Vormittag los und es ist unbarmherzig heiß. Man sollte meinen, wir haben uns mittlerweile an die Hitze gewöhnt, doch wir schwitzen mehr als wir je trinken können. Am späten Vormittag machen wir eine Pause, füllen die Trinkflaschen mit Elektrolytpulver und kippen literweise Wasser und Cola in uns hinein. Innerhalb von einer halben Stunde wandert die Sonne und die Räder stehen nicht mehr im Schatten. Das daran festgemachte Thermometer zeigt minus 45°C.

"I love Laos". And we love shade.

“I love Laos”. Und Schatten auch.

Nanu? Minusgrade im späten April? Schnell dämmert es mir. Die Skala reicht von minus 50 bis plus 50 Grad. Der Zeiger hat seine Skala verlassen, die nicht eingezeichneten +/- 60°C ganz unten im Kreis überschritten und steht nun bei sage und schreibe 75°C. Lesbar allerdings als -45°C. Im Schatten geht der Zeiger schnell auf harmlose 42°C zurück, aber Schatten gibt es unterwegs leider keinen. Das ist definitiv der heißeste Tag meines Lebens. Wir haben jetzt wieder Rechtsverkehr. Da wir nach Süden fahren kommen morgens Sonne und Schatten der spärlichen Bäume von der linken Seite und erreichen uns gar nicht erst. Wir machen das Beste aus unserer Situation, essen Brot mit Avocado und Tomaten (am Vortag hatte Roberto für mich und unsere Freundin Andee mexikanische Guacamole gezaubert) und beobachten die Ziegen und Schweine, die am Straßenrand mit den Hunden spielen.

Thermometer: -45°C

Ich kann es gar nicht glauben.

Am Nachmittag packt Roberto sein Ego. Wir haben schon lange nicht mehr die 100 Kilometer Grenze überschritten. Heute soll sich das ändern. Wir fahren wie die Irren gegen den Wind und über Hügel. Kurz vor dem hundertsten Kilometer geht die Sonne unter, dann fängt es an zu regnen. Wir genießen die Erfrischung nur kurz, denn nun müssen wir erst einmal eine Bleibe finden. Wir halten und überprüfen die Lage. Ein Mann winkt uns zu sich in sein Haus. Gemeinsam mit seiner Familie, ein paar Hunden, Wasserbüffeln, Hühnern und Schweinen schläft er im oberen Stock des Hauses. Unten gibt es, wie so oft in laotischen Häusern, keine Türen aber eine Hängematte und ein Holzgestell.

I would love to do the same

Ich könnte mich glatt danebenlegen

Wir sind froh, dass wir auf dem Markt in Savannakhet so viel Proviant eingekauft haben und essen gemeinsam mit der Familie vier Baguettes mit Avocados, Chilis, Limetten und Tomaten. Satt wird dennoch niemand wirklich. Wir rollen um 20 Uhr unsere Isomatten auf dem Holzgestell aus. Auch ein Moskitonetz haben wir auf dem Markt erstanden. Wir schlafen wie die Wasserbüffel. Das waren die bestangelegtesten 3 €. Die Einladung zu Klebreis lehnen wir dankbar ab. An den löchrigen und dreckigen Shirts der Kinder erkennen wir, dass die Familie sparen muss. Für uns ist ein Dach über dem Kopf mehr als genug.

Die Laoten schlafen mit den Hühnern. Schon um 5.45 treten wir wieder in die Pedalen. Endlich haben wir unser Vorhaben, bei Sonnenaufgang loszufahren, in die Tat umgesetzt. Wir werden mit frischen 29°C belohnt.

 

Why not?

Warum eigentlich nicht?

Zunächst geht es trotz aufkommenden Gegenwindes flott voran, doch um 10 Uhr überschreiten wir wieder die magische 40°C Grenze, die sowohl unsere Beine als auch den Teer auf der Straße zäh wie Kaugummi werden lassen. Mit pechschwarzen Reifen kämpfen wir uns durch die Dörfer.

Die ersten beiden laotoschen Wörter haben wir bereits am ersten Tag im Land gelernt: Sabaidee (gesprochen Sabaidi, bedeutet Hallo) und Farang (gesprochen Falang, bedeutet Ausländer bzw. Westler). Gewöhnlich erblickt uns ein kleines Kind am Dorfeingang. Aus voller Kehle ruft es nun „Sabaidee Farang!“ und winkt bis ihm fast der Arm abfällt. Die Nachbarskinder kommen sofort aus den Häusern gerannt. „Farang! Farang!“ rufen sie. Und: „Sabaidee!“. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Neuigkeit. So schnell können wir gar nicht radeln. Wir winken und rufen in einer Tour zurück bis wir am letzten Haus des Dorfes vorbei sind. In machen Dörfen hören wir „Bonjour!“ und „Ça va?“ und in anderen „Hello-mister-I-love-you“ und „Good morning!“. So manches weinende Kleinkind haben wir schon durch unsere reine Anwesenheit getröstet. Sehen die Kinder uns allerdings aus der Nähe, so werden sie plötzlich ganz schüchtern, kichern mit ihren Freundinnen, aber sprechen uns nicht an.

Roberto fell asleep during noon break

Roberto macht einen spontanen Mittagsschlaf

Mittags spielen wir Backgammon in einem Lebensmittelladen auf dem Weg. Als wir los fahren fallen die ersten Tropfen vom Himmel und keine fünf Minuten später finden wir uns inmitten eines handfesten Sturmes wieder. Wir sind nass bis auf die Haut und der Wind reißt mir fast den Lenker aus den Händen. Den ganzen Tag wehte er von vorm doch nun haben wir Rückenwind und brauchen für 33 km/h kaum zu treten. Äste fliegen über die Straße, verängstigte Kühe, Ziegen und Schweine rennen aus dem Nichts über die Straße und am Horizont leuchten die ersten Blitze. Schon um 14.30 Uhr ist es fast dunkel. Es hat angenehme 22°C und wir legen erst dann eine Pause ein, als das Gewitter nur noch drei Kilometer entfernt ist.

Irgendwann flauen Wind und Regen ab und wir müssen wieder treten. Die Suche nach einem Schlafplatz gestaltet sich als schwieriger als erwartet. Zwei Tempel sind geschlossen, in einem weiteren ist niemand da und in einem vierten werden wir auf Laotisch abgewiesen. Wir beschließen zu zelten und fragen bei einer Familie nach der Erlaubnis unser Zelt auf ihrem Grundstück aufzubauen. Wir verstehen allerdings kein Wort von der Antwort. Schlussendlich laufen wir alle mit Sack und Pack zum Dorfbürgermeister (der nicht zu Hause ist) und dann wieder zurück.

Future-world-cyclist

Zukünftiger Weltumradler

Später erklärt uns Lu, der Mann unserer Gastgeberin, am Telefon auf Englisch, dass Einwohner jedes Dorfes die Erlaubnis des Dorfoberhaupts brauchen, um Gäste aufzunehmen. Die beiden Kinder sind völlig außer Rand und Band, wollen mit uns spielen bis zum Umfallen. Der Größere schnappt sich unsere beiden Isomatten und klemmt sie auf sein kleines Kinderfahrrad. Dann dreht er ein paar Runden durchs Wohnzimmer.

Wieder einmal schlafen wir wie die Murmeltiere. Am nächsten Morgen sitzen wir wieder kurz nach Sonnenuntergang auf den Rädern. Knapp 50 Kilometer haben wir vor uns, dann erreichen wir Pakse. Wir finden eine Bleibe für 4 € für uns beiden und buchen zwei Nächte. Eigentlich wollten wir uns einen Tag Pause gönnen und in einem Wasserfall schlafen, doch scheinbar waren die Regenfälle der letzten Tage kein Zufall. Die Regenzeit geht los. Wir verbringen den Pausetag stattdessen vor den Laptops und beschließen, unser Glück mit dem Baden etwas weiter südlich zu versuchen: bei den 4000 Inseln kurz vor der kambodschanischen Grenze. Keine 200 Kilometer sind es mehr bis dort- Wir sind sehr gespannt.

 

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