Mit dem Rad durch Australien Teil 5: Acht platte Reifen an einem Tag

Mit dem Rad durch Australien Teil 5: Acht platte Reifen an einem Tag

Land: Australien

Von Narooma bis Gerringong

Draus gelernt: Städte mit schlechtem Ruf sind oft voller guter Menschen

Drüber gelacht: Mit Don Charlie und Don Polo über Nichtigkeiten und schmutzige Witze

Schönstes kleines Wunder: Plantschen in Dalmeny

Gegessen: Campingfutter

Größte Herausforderung: Die Flicken neigen sich dem Ende

Geradelte Tage: 5

Geradelte Kilometer: 238,09

Insgesamt bis Gerringong geradelte Kilometer: 16692,26

Reisetage von Bremen bis Gerringong: 886

Eine unglaublich begabte Köchin: Heather verwöhnt uns alle.

Eine unglaublich begabte Köchin: Heather verwöhnt uns alle. Roberto und ich bereiten etwas mexikanisches Essen vor.

Col und Heather bereiten uns eine großartige Zeit. Sie verwöhnen uns mit allerlei Köstlichkeiten und den Bequemheiten eines großen und schön eingerichteten Hauses. Wir quatschen viel mit ihnen und Col nimmt uns mit auf eine Radtour um die Stadt herum, während Heather in den Rockpools schwimmen geht.

Heather and Col from Narooma

Großartige Zeiten mit Heather und Col in Narooma

Der nächste Tag ist unser kürzester Radeltag überhaupt: nach 13 Kilometern machen wir Feierabend in Dalmeny, dem letzten Punkt des bildschönen Radweges von Narooma nach Dalmeny.

Bike Path from Dalmeny to Narooma

Der Weg ist voller Sitzmöglichkeiten mit Blick aufs Meer

Den Weg hat Col uns schon am Vortag gezeigt und wir genießen ihn gerne nochmal. Dort liegt ein wunderschöner Campingplatz direkt am Meer.

Narooma-Dalmeny Bike Path

Radweg von Narooma nach Dalmeny

Vom Zelt aus sehen wir den Strand und einen langgezogenen See, der bei Flut mit dem Meer verbunden ist. Der Platz verfügt über heißes Trinkwasser und die Nachbarn sind grandios.

Mural vom Aufbau des Radweges.

Mural vom Aufbau des Radweges.

Wir wachen jeden Morgen vom lauten Lachen von Don Charlie und Don Polo auf und sie lachen immernoch wenn wir abends in die Schlafsäcke steigen.

Casa Don Charlie

Bei Don Charlie “zu Hause”

Wir freunden uns mit einer Großfamilie an, die 1975 von Chile nach Australien eingewandert ist. Jedes Jahr machen sie Urlaub in Dalmeny und jedermann kennt sie hier.

Dalmeny Campground

Jedes Mal bei Ablaufendem Wasser füllt sich der kleine Kanal zwischen See und Meer mit plantschenden Kindern und zwei erwachsenen Radlern.

Wir schwimmen viel und genießen das grandiose Wetter. Das beste an dem langgezogenen See ist, dass das Wasser bei Ebbe fast komplett rausgesogen wird. Wenn man sich in die Fluten setzt, kann man sich bis ans Meer treiben lassen.

Camping in Dalmeny

Was für ein Blick!

Erst an der Brandung trifft das ablaufende Wasser auf die auflaufenden Wellen und es entstehen stehende Wellen, die uns sicher bremsen, sodass wir nicht ganz herausgesogen werden können.

Great Company at Dalmeny Camping

In guter Gesellschaft aufs ablaufende Wasser warten

Wir haben einen Riesenspaß und treiben vorwärts, rückwärts, als Combo, sich drehend und auf dem Rücken und Bauch in Richtung Brandung.

Dalmeny Inlett

Im See

Am dritten Tag trifft Roberto auf der Straße auf einen schwer bepackten Reiseradler. Richard heißt er, kommt aus England und ist 22 Jahre alt. Er ist auf dem Weg nach Melbourne und nimmt unsere Einladung zum Frühstück gern an.

Watching the Superbowl in Narooma

Gemeinsam mit Richard guckt Roberto den Superbowl an.

Wir quatschen, dann will Roberto in die Stadt fahren. Der Superbowl läuft und auch Richard schließt sich uns an. Wir haben unseren Stellplatz schon bezahlt, also stellt Richard sein Zelt einfach dazu.

Dalmeny-Narooma Bicycle Path

Auf dem Weg zurück nach Dalmeny

Am nächsten Morgen ist es wieder grau, kalt und regnerisch. Perfekt zum radeln und uns fällt es nicht ganz so schwer, Dalmeny und den Strand hinter uns zu lassen.

I could stay all summer at the Dalmeny Camping

Hier könnte ich den ganzen Sommer bleiben.

Wir radeln zurück zum Princess Highway, der aber nicht allzu befahren ist. Auch die steilen Hügel halten sich relativ gut in Grenzen. Hinter Moruya liegt ein Campingplatz, der mit 11 $ pro Nacht und Zelt vergleichsweise spottbillig ist. Der Verwalter taucht weder abends noch morgens auf, sein Büro bleibt geschlossen. Also fahren wir mit einem schlechten Gewissen morgens unbezahlt weiter.

Horse Poo for $3

Pferdeäpfel für $3

Im kleinen Ort Broulee halten wir kurz, um die Strecke zu überprüfen, als eine Frau uns über den Gartenzaun zuruft. Anita lädt uns einfach so zu einem Tee auf ihre Veranda ein, zeigt uns ihre Sammlung an Schmuck und Teppichen aus Indonesien, die sie in ihrem Keller verkauft (ist einen Besuch wert) und schwärmt vom Surfen, vom Reisen und von der gute alten Zeit.

Carful Now. Roos.

Obacht – Kängurus!

Statt dem Princess Highway zu folgen, haben wir uns für die kleinere Küstenstraße entschieden, doch die Hügel sind hier noch eine Spur steiler, als auf dem großen Highway. Wir kämpfen uns 40 Kilometer lang bis Bateman’s Bay durch, dann legen wir eine lange Pause ein, essen, kaufen ein, reparieren eine Speiche und fahren zur Post, um etwas überflüssiges Gepäck loszuwerden. Erst um 18 Uhr verlassen wir die Stadt, lange bleibt uns nicht bis zum Sonnenuntergang.

Anita

Anita lädt uns spontan auf einen Tee ein

Zum Glück ist es grau und bewölkt, also kommen wir gut voran, obwohl die Hügel steil und lang bleiben. Als es dunkel wird, haben wir nach nur 30 Kilometern das erste Dort erreicht. Der nächste Rastplatz liegt 15 Kilometer weiter. Aber auch hier gibt es eine Tankstelle mit einer Rasenfläche daneben und der Besitzer lässt uns zelten. Ich bin völlig platt.

Aldi-Break

Aldi-Pause

Ein paar steile Hügel haben wir noch vor uns, dann erreichen wir Ulladulla, wo wir einen Fahrradladen finden, in dem man eine Maschine hat, um Speichen zu kürzen, denn seit Roberto neue Felgen hat, passen seine alten Ersatzspeichen natürlich nicht jehr, Daran haben wir gar nicht gedacht.

Ulladulla

Ulladulla

Wir wurden immer wieder vor den berühmt-berüchtigten „Angry Drivers“ (sauren Autofahrern) gewarnt, die gerne Radfahrer von der Straße schubsen, weil sie ihnen einfach lästig sind. Ja, ein paar Autos sind ziemlich eng an uns vorbeigerauscht, aber das liegt weniger daran, dass sie uns hassen, sondern mehr, dass wir zur Ferienzeit unterwegs sind und viele Fahrer nur ein Mal im Jahr lange Strecken ohne Pause und mit Anhänger fahren und schlichtweg nicht wissen, wie sich der Anhänger hinter ihnen bewegt.

Sports Power Shop in Ulladulla

Der Mitarbeiter des Sports Power Shops verewigt sich auf unseren Packtaschen

Überholen sie uns mit großem Abstand in einer Linkskurve, dann kommt der Anhänger uns trotzdem gefährlich nahe. Die meisten weichen auf die andere Fahrspur aus, wenn diese frei ist und nur wenige Fahrer rauschen hupend zentimerterdicht an uns vorbei, obwohl weit und breit kein anderes Fahrzeug auf der anderen Spur zu sehen ist. Insgesamt können wir uns aber nicht beschweren – aber da wissen wir auch noch nicht, dass wir in ein paar Tagen mit Wasserbomben aus einem fahrenden Auto abgeworfen werden würden (zum Glück zielen die Werfer schlecht).

No space for Angry Drivers

Hier gibt es keinen Platz für “Angry Drivers”

Dennoch, in den letzten Tagen häufen sich die Kreuze am Straßenrand und wir fahren vorsichtiger und vorausschauender denn je.

Mittags verziehen sich die Wolken und wir schwitzen wieder. Es geht lange und steil bergauf und als wir fast ganz oben angekommen sind, geht uns das Wasser aus. Wir entdecken ein Haus und wollen nach Wasser fragen, ober leider ist niemand zu Hause. Wir bedienen uns ungefragt am Gartenschlauch und warten noch eine Weile, doch die Familie kommt nicht wieder.

An einem Pfirsichstand kaufen wir die letzten Pfirsiche der Saison, während uns die Besitzerinnen des Standes über unsere Campingmöglichkeiten aufklären. „Bleibt besser weit südlich von Nowra“, warnen sie uns. Allerlei Leute haben uns bereits davor gewarnt, zu dicht an der Stadt zu zelten, aber den Grund dafür konnte uns niemand erklären. „Es ist gefährlich da“, fügt sie dann hinzu, „traut besser niemandem“. Eine junge Frau in einem Tankstellenshop klärt uns auf. „Die Arbeitslosenquote ist in Nowra sehr hoch und die Kriminalitätsrate ebenfalls.“, meint sie.

Vor Sonnenuntergang schaffen wir es ohnehin nicht einmal in die Nähe von Nowra, da sich direkt hinter der letzten Zeltmöglichkeit vor der Stadt mein Hinterreifen leert. Zu Fuß geht es also knapp zwei Kilometer zurück, vorbei an fünf Straßenkreuzen und einem frisch gegen den Baum gesetzten Auto. Hier wäre ich nicht gern in der Dämmerung geradelt.

Wir stellen das Zelt auf und waschen uns gegenseitig mit einer Metalltasse und dem Wasserhahn die Haare. Die heutigen Zeltnachbarn sind nett: Matt und Anne aus Polen schlafen in ihrem Campingbus, zwei Surfer hocken bestimmt eine halbe Stunde lang auf zwei Holzpflöcken, drei Franzosen sind perfekt mit Stühlen, Geschirr und Küchenutensil ausgestattet und ein sehr ruhiges junges Pärchen schläft in einem Zelt, das auf dem Dach des Minibusses aufgebaut wird.

Australia Rock in Narooma

Der Australien-Felsen ist geformt wie der Umriss von Australien

Wir sind die ersten die aufstehen. Der frisch geflickte Reifen hat schon wieder ein neues Loch. Ich pule ein bisschen Glas aus dem Mantel und flicke alles noch einmal. Platter Nummer eins.

Die Fahrt nach Nowra ist eher unspektakulär, es gibt viel Industrie, aber gefährlich kommt es uns hier nicht vor.

Normalerweise fahren wir immer direkt hintereinander, aber heute haben wir morgens gestritten und Roberto radelt stramm voraus und dreht sich 10 Kilometer lang nicht um. Mein Reifen lässt währenddessen wieder Luft und ich rufe, pfeife und überlege schon, ein Auto anzuhalten und als Nachrichtenbringer zu nutzen, da Roberto Luftpumpe und Werkzeug bei sich hat. Mit halb leeren Reifen fährt es sich nicht besonders gut und ich keuche mich mit Mühe über die Hügel und muss teilweise schieben. Platter Nummer zwei dauert etwas länger, da ich nichts im Mantel entdecken kann. In der Stadt halten wir zum Mittagessen und flicken gleich Platten Nummer drei, der sich in der Zwischenzeit in meinen Vorderreifen gebohrt hat.

Während wir so arbeiten, spricht uns eine ältere Frau namens Joy an und lädt uns spontan ein, die Nacht bei ihr zu verbringen. Leider wohnt sie südlich von hier, vermutlich sind wir am Morgen an ihrem Haus vorbeigefahren. Joy findet unsere Reise sehr spannend und wir freuen uns sehr, dass die erste Person, der wir in Nowra, der Stadt, vor der wir gewarnt wurden, treffen, ein so herzensguter Mensch ist.

Als wir wenige Kilometer später den Vorderreifen an der Tankstelle mit etwas mehr Luft auffüllen, leert sich der Hinterreifen wieder. Platter Nummer vier nervt. Auch Roberto muss – praktischerweise an der Tankstelle – einen Schlauch reparieren. Platter Nummer fünf.

Wir reparieren, pulen noch ein bisschen Kabel und Glas aus beiden Mänteln und machen uns auf den Weg. Es ist grandios. Zum ersten Mal seit dem Strand folgen wir einer komplett flachen Straße. Wo keine Berge sind, kommt allerdings der Wind gut durch und so komme ich kaum voran und muss schlussendlich in Robertos Windschatten fahren.

Bald tauchen wir in tiefen Regenwald. Der Wind lässt nach, es bleibt flach und schattig. Das sind die absolut perfekten Bedingungen und wir sind außer uns. Leider hat Roberto gleich einen weiteren Platten zu beklagen, dann noch einen und als wir fast startklar sind, ist auch mein Hinterrad platt, Das waren dann Platter Nummer sechs, sieben und acht. Es reicht uns. Wir sind extra früh aufgestanden, um früh genug bei Charlie und Robert, unseren Gastgebern von warmshowers, anzukommen. Und nun ist es spät am Nachmittag und uns geht das Flickzeug bald aus. Einer von Robertos Platten hat ein Loch im Gummi direkt neben dem Ventil und wir wissen nicht, wie wir das noch flicken sollen, zumal wir auch nichts mehr aufpumpen können. Wir haben so kräftig gepumpt, dass nun unsere Luftpumpe den Geist aufgibt. Wir haben die Pumpe kaputtgepumpt. Das passiert anderen Radlern wohl nicht allzu oft.

Was tun? Roberto ruft Charlie und Robert an und kurz darauf kommt Robert uns mit dem Auto entgegen um uns die letzten Kilometer abzuholen. Ich ärgere mich sehr über den verpassten wunderschönen Weg ohne Wind. Dieser Tag toppt alle anderen Reparatur-Tage. Bisher stand der Rekord in Budapest, wo wir Tags zuvor durch ein Stachelfeld gefahren sind und sieben Löcher in damals noch sechs Reifen (Anhänger statt Packtaschen) hatten. Platz zwei ging bis dahin an den Weg nach Taschkent, Usbekistan: fünf Platte und ein Schraubenverlust bei Vordergepäckträger und Vorderbremse.

At Charlie's and Robert's place

Bei Charlie und Robert

Charlie und Robert leben in einem wunderschön eingerichteten Haus mit Blick auf den Strand. Charlie ist ein großer Fan von Antiquitätenmärkten und kauft gerne Schnickschnack, den sie dann aufpoliert. Das Haus ist bunt und voller kleiner Schätze, wir finden es großartig. Vor fünf Jahren sind die beiden aus dem Großstadtchaos von Sydney aufs Land geflüchtet und haben es seither nie bereut.

Charlie kocht uns ein leckeres Abendessen und wir tauschen Reiserouten und Radlergeschichten aus. Am nächsten Morgen bringt Robert uns nach Kiama zum Blasloch (leider wird heute kaum Wasser in die Luft gewirbelt, dazu sind die Wellen zu niedrig) und anschließend zum Fahrradladen, wo wir uns je einen neuen Schlauch gönnen. Zu dritt überprüfen wir nochmals meinen Mantel aber können auch nach über einer Stunde nichts finden. Mein Schlauch bekommt noch einen letzten Flicken, ich will lieber nicht einen neuen Schlauch kaputtbohren falls sich doch noch etwas in meinem Mantel versteckt.

 

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