Land: Australien
Von Cann River bis Genoa
Draus gelernt: Warum hetzen wenn es grade so nett ist?
Drüber gelacht: Wer sich mit Kindern anfreundet kann im Sand buddeln ohne von anderen Erwachsenen blöd angeguckt zu werden
Schönstes kleines Wunder: Die internationale Radler- Renner- und Wandererkonferenz
Gegessen: Viel Brot und internationales Campingessen
Größte Herausforderung: Hitze und Feuer
Geradelte Tage: 1
Geradelte Kilometer: 50,09
Insgesamt bis Genoa geradelte Kilometer: 16215,51
Reisetage von Bremen bis Genoa: 866
Januar 2014, Mit dem Rad durch Australien
In Cann River legen wir wieder einen Ruhetag ein. Noch nie zuvor haben wir an Ruhetagen so viel geruht wie in Australien, wo öffentliches Wlan eine Seltenheit ist und wir einfach nicht arbeiten können, selbst wenn wir es wollten. Wir lernen Thomas und seinen Mitbewohner Brenton besser kennen. Beide arbeiten als Feuerwehrmänner. Brenton liebt seinen Job, endlich kann er mit Allradantrieb im Affenzahn durch Schotterwege rasen, die für die Öffentlichkeit abgesperrt sind. Thomas hingegen ist froh, wenn die Saison rum ist und er seine Siebensachen packen und auf Radreise gehen kann.
Wir haben die nette Familie vom Campingplatz in Bruthen nicht vergessen. Sie verbringen ihren Urlaub auf dem Campingplatz von Thurra River, etwa 40 Kilometer südlich von Cann River im Croajingolong National Park an der Küste gelegen. Um nicht die gleichen 40 Kilometer Schotterwege zwei Mal radeln zu müssen, beschließen wir, per Anhalter zu fahren, was auch ganz gut geht. Und bei wem sitzen wir im Auto? Terry, der vor 25 Jahren selbst mit dem Rad von England nach Australien gefahren ist. In weniger als der Hälfte der Zeit, die wir gebraucht haben. Wir sehen es immer wieder: Solo-Radler und Radlerinnen fahren tendenziell flotter als Paare oder Gruppen.
Terry setzt uns ab und wir spazieren durch den Campingplatz. 46 Stellplätze gibt es und einen Platz extra für Wanderer ohne Auto, Wohnmobil und tragbarer Duschkabine. Ein paar Feuerstellen wurden angelegt und es gibt drei schmale Pfade durchs Gestrüpp, die zum Strand führen. Der Thurra Fluss mündet bei Flut ins Meer und endet bei Ebbe 30 Meter vor der Küste.Sein Wasser ist sehr sauber, obwohl es rotschwarz von Laub und Erde ist. Unsere Freunde können wir nicht entdecken, doch wir erkennen ihre Zelte und lassen ihnen eine Nachricht auf dem Stellplatz, bevor wir uns auf zum anderen Strand machen.
Eine Was-lebt-denn-da-im-Felswatt?-Tour wird von den Rangern angeboten und wir sind natürlich heiß darauf, mehr über das Leben am australischen Strand zu erfahren. Die Tour ist klasse, obwohl man scheinbar vergessen hat, uns mitzuteilen dass wir wohl die einzigen erwachsenen Junior-Ranger sein werden. Zwischen all den Kindern entdecken wir auch gleich „unsere“ Familie: Seneka und Jay mit Mali (12), Aram (10) und der kleinen Xanthie, die gerade Laufen lernt. Sie haben sich schon gefragt, wo wir wohl gerade stecken und ob wir sie schon vergessen haben.
Wir verbringen den nächsten Tag mit der Familie, fahren mit dem Kajak den Fluss herauf und herunter und buddeln mit den Jungs einen Graben um Fluss und Meer zu verbinden. Während wir so auf den Knien durch den Sand rutschen und architektonische Meisterwerke buddeln, grinsen Seneka und Jay zu uns herüber. Sie freuen sich, dass wir uns so viel Zeit für die Kinder nehmen und mit ihnen spielen. Wir freuen uns, dass wir endlich albern sein und buddeln können, ohne dass andere Erwachsene uns seltsam ansehen. In ihren Augen bespaßen wir die Kinder. In Wirklichkeit haben wir selbst einen Heidenspaß.
Die Hitzewelle die gerade in Victoria herrscht, ist uns am Strand nur recht. Sogar im kalten Wasser ist es angenehm und der Wind erfrischt uns und zwingt uns nicht in Pulli und Schal.
Der Nachteil an der Hitzewelle ist, dass Buschfeuer leichter ausbrechen können. Daher herrscht seit Tagen schon ein komplettes Feuerverbot. Kochen dürfen wir zum Glück trotzdem wenn wir gut aufpassen und mehrere Wasserkanister neben dem Kocher stehen haben. Darauf greifen wir aber erst zurück nachdem wir alles Brot und Müsli aufgefuttert haben.
Wir lernen auch die Kinder von den benachbarten Stellplätzen kennen und spielen Boccia, Schwarzer Peter und Uno.
Unser Schlafrhythmus hat sich mittlerweile der Sonne angepasst und kurz vor Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg in die Dünen.
Eine knappe Stunde wandern wir, dann erreichen wir die langgestreckten Sanddünen. Wir fühlen uns wie in der Wüste. Von einer der höchsten Dünen können wir hinunter zum Meer und dem Flussdelta sehen. Manche Besucher kajaken direkt bis zu den Dünen und laufen dann von dort hinauf, doch wir genießen den Wanderweg durch den Regenwald.
Mittags besucht uns ein Ranger am Zeltplatz und klärt uns über die aktuellen Buschfeuer auf. Westlich von Cann River sind ein paar Feuer ausgebrochen. Ob es weiter östlich auch brennt, weiß er nicht. „Sehe ich vielleicht aus, als hätte ich eine Kristallkugel dabei? Woher soll ich denn wissen, ob es da auch brennen wird?!“, pampt er uns an. Wir wollen wissen, ob wir sicher radeln können, denn ohne Motor können wir Gefahrengebiete nicht so schnell verlassen. „Bei euch springen wohl ein paar Kängurus im Oberstübchen herum, ihr wollt mit dem Fahrrad nach Osten fahren?“ Man merkt, die Saison neigt sich dem Ende zu und der Ranger hat nicht mehr richtig viel Lust auf seinen Job.
Jay will nach Cann River fahren, denn die Wasservorräte neigen sich dem Ende zu. „Fahrt jetzt gleich oder wartet bis zum Abend“, warnt uns der Ranger. Nachmittags sei es zu heiß. Was die Lufttemperatur damit zu tun hat, um welche Tageszeit man sich ins geschlossene Auto setzen kann, weiß ich nicht, aber ich beschließe, den gestressten Ranger nicht weiter mit Fragen zu belästigen. Jetzt gleich ist auch in Ordnung.
Wir verabschieden uns von unseren Freunden und hoffen, sie bald wiederzusehen, zumal Mali und Aram in der Schule deutsch lernen.
Zurück in Cann River stehen wir vor verschlossenen Türen. Um 17.00 Uhr hat Thomas Feierabend. „Außer es gibt ein Feuer. Dann kann es sein, dass wir beide eine ganze Woche lang eingezogen werden“. Mit einem Feuer haben wir allerdings nicht gerechnet, also haben wir unser Hab und Gut im Haus gelassen, als wir uns auf zum Thurra River machten. Immerhin haben wir Kocher und Zelt bei uns und im Garten gibt es fließendes Wasser. Zur Not verwandelt wir den Garten eben in einen Campingplatz.
Wir kochen Nudeln und duschen unter dem Gartenschlauch, dann machen wir uns auf den Weg zum kleinen Zentrum. Nur mit nassen Handtüchern auf den Schultern halten wir es in der Hitze aus, sonst fließt uns der Schweiß auch vom Nichtstun aus den Poren. Vor dem Laden treffen wir zufällig auf Brenton, Thomas‘ Mitbewohner. Er erzählt uns, dass Thomas eine ganze Woche lang unterwegs sein wird, aber dass er selbst bleibt, für den Fall dass weitere Feuer ausbrechen.
Wir wollen vierzehn Kilometer bis zum nächsten Gratis-Zeltplatz fahren und dort bleiben, doch bei der Feuersituation lädt Brenton uns ein, noch eine weitere Nacht im Haus zu verbringen und erst am folgenden Morgen loszufahren.
Der Highway nach Westen ist am nächsten Morgen noch immer geschlossen, doch die braunen Wolken werden immer kleiner. Wir wissen, dass die Feuer mit Brenton und Thomas in besten Händen sind. Zum ersten Mal freuen wir uns, dass wir gegen den Wind radeln – so können die Feuer im Westen wohl kaum bis zu uns wandern und neue Feuer weiter im Osten gibt es nicht.
Morgens ist es frisch und kühl, doch schon nach wenigen Kilometern verwandelt sich der kühle Wind in zähe, heiße Luft. Es ist als stünden wir vor einem gigantischen Fön. Es bleibt hügelig und als wir nach 50 Kilometern endlich das kleine Nest Genoa erreichen, sind wir müde. Einen Laden gibt es nicht und wir ärgern uns, dass wir nicht mehr Verpflegung in Cann River eingekauft haben, aber man sagte uns dort, wir könnten auch hier einkaufen. Stattdessen besuchen wir das Hotel, das über eine Bar verfügt und gönnen uns eine große Flasche Limonade. Dann geht es weiter zum gratis Campingplatz, auf dem wir Mittagspause machen und uns ausruhen wollen, bis es etwas kühler wird. Angekommen laufen wir Frank, Colin und Jamie in die Arme.
Frank (65) ist ein australischer Radler mit kaputter Damenbrille, kaputtem Shirt und top gepflegtem Markenfahrrad, der sehr viel Wert auf körperliche Fitness legt, nicht mehr als 5 $ am Tag ausgibt und sich erstaunlich gut mit den Börsenkursen der Welt auskennt. Er plappert wie ein Wasserfall und nicht einmal Roberto kommt gegen seinen Wortschwall an.
Jamie (34) macht Urlaub. Er ist etwa an Neujahr in Ulladulla losgelaufen. Ziel unbekannt. Statt eines Reiserucksacks schiebt er einen kleinen Wagen vor sich her, in dem er neben Zelt und Kleidung allerlei Hightech wie Laptop, Tablet, Handys, Solarladegeräte, eine Säge, einen Spaten und einen Kochstein mit Herdplatte transportiert.
Colin (51) haben wir auf dem Railtrail nach Bruthen schon kurz getroffen. Er radelt mit einem Rucksack und hatte es etwas eilig, da er vor Sonnenuntergang am Strand ankommen wollte. Er ist ein englischer Tischler und Dachdecker voller bunter Tattoos, interessiert sich für selbstgezogenes Gemüse, das Leben in Kommunen und lebt vegetarisch. Außerdem kennt er sich bestens mit Kommunikation aus und kann Gespräche und Diskussionen analysieren.
Kaum fünf Minuten später trudelt auch Kay (50) ein. Er kommt aus Japan und rennt 5000 Kilometer quer durch Australien. Im Vorjahr ist er bereits durch die USA gerannt und als nächstes kommen Europa, Afrika, Asien und dann Südamerika dran. Sein Ziel ist Sydney. Er rennt ohne Begleitfahrzeug für den Frieden und postet täglich Fotos für seine Unterstützer. Ein paar Stunden frpher haben wir ihn schon auf dem Highway getroffen und auf dem Weg nach Cann River erzählte uns die Besitzerin eines Hotels auch von einem “Chinamann” der mit Trolley unterwegs war.
Wir unterhalten uns großartig und sind alle traurig, als Colin sich um 15.00 Uhr als erster auf den Weg macht. Wir wollen ihm um 16.00 Uhr folgen. Doch um 15.55 kommt Colin zurück. Was ist passiert? Feuer? Kein Wasser mehr? Nein, Colin hat einfach etwas nachgedacht und sich gefragt, warum er sich eigentlich so beeilen muss.
In so interessanter Gesellschaft findet man sich nicht alle Tage, also ist er spontan umgekehrt und wird die Nacht auf dem Campingplatz verbringen. Wir schließen uns spontan an und kurz darauf trinken wir Bier vom Hotel und kochen 5 verschiedene Gerichte. Es gibt ein Buffet für alle.
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